Internetradios
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detektor.fm – Studio und Redaktion
detektor.fm – Studio und Redaktion | Foto (Ausschnitt): © detektor.fm

Radiosender im Netz sind vielfältig, kostenlos und nicht selten maßgeschneidert für ihre Hörerschaft. Nun professionalisieren sie sich.

Ob Ein-Mann-Projekt, Spartenkanal oder konventioneller Hörfunksender: Im Internet ist die Auswahl an Radioprogrammen schier unerschöpflich, für jeden Musikgeschmack gibt es den passenden Kanal. Neben den Submarken und Livestreams der UKW-Radiosender, die auch analog für den Antennen-Empfang senden, erfreuen sich mittlerweile viele „Nur-Online“-Webradios großer Beliebtheit. Sie heißen Radio Superoldie, Technnobase.FM oder Radio Schwarze Welle und werden immer häufiger über Smartphones und Tablets empfangen. In ihrem Musikprogramm sind Mainstream-Songs meist Mangelware, die Macher versuchen ein individuelles Programm mit Charakter zu bieten. Die Wortbeiträge sind ebenso vielfältig wie bei den terrestrischen Sendern, reichen von Reportagen, über Gespräche mit hochrangigen Politikern bis hin zu wenig witzigen Comedyeinlagen. Die Qualitätsunterschiede sind groß. Neben den gut gemachten Programmen, die sich stetig professionalisieren, bleibt das Internet auch Spielwiese für Amateure und ihre privat betriebenen Sender: meist mit lokalen Themen, begrenzten Sendezeiten und Hobbymoderatoren hinter dem Mikrofon. Was zählt, ist die eigene Fangemeinde im Netz.

Ganz ohne Nachrichten, Wetter und Verkehr

Zwischen 6.000 und 8.000 Nutzer hören täglich Detektor.fm. Mit den Submarken der großen UKW-Sendergruppen, die durchschnittlich rund 40.000 Abrufe am Tag haben, kann der Sender noch nicht mithalten. Trotzdem wächst er stetig, seit Anfang 2013 hat sich die Zahl der Hörer verdoppelt. Das rasche Wachstum freut die Macher, allen voran Mitgründer und Geschäftsführer Christian Bollert. „Wir glauben daran, dass sich das Radio der Zukunft immer mehr ins Internet verlagert“, sagt der Journalist, „wir machen ein hochwertiges, anspruchsvolles und trotzdem unterhaltsames Programm, in dem auch internationale Themen ihren Platz haben“. Detektor.fm begann 2008 als Spaßprojekt und ging bereits ein Jahr später auf Sendung. Heute hat der Internetradiosender zwei Studios im Westen Leipzigs, das Kernteam besteht aus vier Kollegen und einem Netzwerk an freien Journalisten. Es gibt keine stündlichen Nachrichten, kein Wetter, keinen Verkehr. „Das können andere besser und schneller. Wer uns einschaltet, will keine Eilmeldungen hören, sondern Hintergrundberichte und lebendige Gespräche.“ Das Themengebiet ist breit gefächert, reicht von bundesweiten Pflegegesetzen bis hin zur Zukunft des Tempelhofer Feldes in Berlin.

Erste Radiopioniere im Internet

Ganz anderen Themen widmete sich die erste Sendung im Internet, der Ursprung des Webradios sozusagen. Die New York Times berichtete im März 1993 vom Internet Talk Radio, einer Talkshow aus den USA, in der jede Woche ein Computerexperte interviewt wurde. Kurz darauf fingen verschiedene Bands an, ihre Konzerte online zu übertragen, und bereits ein Jahr später streamten Radiosender ihre Programme. In Deutschland führte 1995 das öffentlich-rechtliche Inforadio in Berlin und Brandenburg zusammen mit der Technischen Universität Berlin den Streaming-Dienst Inforadio on Demand ein. Die große Medienöffentlichkeit nahm hierzulande aber erst ab 1998 von den Errungenschaften im Internet Notiz, als zahlreiche Radiosender anfingen, ihr Programm online zu übertragen. Parallel dazu gründeten sich erste Webradios, deren Zahl schnell unüberschaubar wurde.

Mehr als 2.800 Internetradios in Deutschland

Allein in Deutschland sendeten 2013 laut Webradiomonitor der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien über 2.800 Internetradios ihre Programme. Doch während sich der Webradiomarkt zunehmend professionalisiert, verzeichnet er zugleich eine hohe Fluktuation. Zwar gab es im vergangenen Jahr 550 neue Angebote, jedoch stellten gleichzeitig mehr als 700 Sender ihren Betrieb ein. Denn lediglich zwei von fünf Sendern finanzieren sich über Werbung; das ist zwar ein Wachstum gegenüber den Vorjahren, jedoch auf niedrigem Niveau. Und andere Erlösquellen, wie kostenpflichtige Dienste oder Spenden, sind laut Webradiomonitor rar. Viele Internetradios sind deshalb auf ehrenamtliche Mitarbeiter angewiesen, sind Herzensprojekte an der Grenze zur (Selbst-)Ausbeutung.

Einschaltradio – es zählt, was gefällt

Welchen Radiosender der Hörer schlussendlich wählt, ist meistens kein Zufall. „Wir sind ein Einschaltradio“, sagt auch Christian Bollert von Detektor.fm, „im Auto bleibt man an dem Radiosender hängen, der am wenigsten nervt, aber im Netz zählt nur, was am besten gefällt.“ Wer auffallen will, muss konstant überzeugen, für Reklame haben viele Radiostationen kein Geld, das Budget ist gering, die Sender sind auf Weiterempfehlungen angewiesen. Auch die Macher von Detektor.fm bauen auf Mundpropaganda, setzen darüber hinaus auf ihre Präsenz im Netz und guten Journalismus, wie sie selbst sagen. „Wir wollen uns auf die Stärken und Traditionen des klassischen Radios zurückbesinnen, Geschichten aufspüren, Impulse geben, Themen platzieren.“ Klassische Werbespots gibt es bei Detektor.fm nicht, ihre Einnahmen generieren sie aus gesponserten Beiträgen, Audioproduktionen für Dritte, Seminaren und Vorträgen, einen kleinen Teil auch über Merchandising und Spenden. Moderatoren und die Chefs vom Dienst erhalten Honorare, der Pulk an Freien arbeitet umsonst. Nur das Kernteam bekommt feste Gehälter, „wir können davon leben“, sagt Christian Bollert, und so wie er es sagt, weiß man, dass Geld für ihn nur eine Nebenrolle spielt. „Es ist unser Baby, unser Herzblut steckt darin.“