Architectus Omnibus?
Architektur Re-reloaded

architectus omnibus?
architectus omnibus? | Foto: © architectus omnibus?

Weder Europa, noch Deutschland oder Spanien und nicht einmal die Architektur sind heute das, wofür wir sie bisher gehalten haben. In den letzten zwanzig Jahren haben die Institutionen zum Aufbau Europas einen schnellen Wandlungsprozess durchlebt.

In einer Welt, in der Kulturen, Konflikte, Ressourcen und die Wirtschaft schon seit langem nicht mehr an den Grenzen des Kontinents Halt machen, hat sich die Rolle Europas verändert. Und in einer Zeit, in der Wohlstand, Justiz, wirtschaftliche Erträge und Steuergesetzgebung transnational administriert werden, hat sich die Vorherrschaft der Nationalstaaten aufgelöst.

Architektur als Entwicklungsraum

Über die Architektur als Disziplin ist eine heftige Debatte entbrannt, in der ihre geschichtlichen Entwicklungen und ihre Strategien von verschiedenen sozialen Kräften untersucht und diskutiert werden. Sogar die Aufgabenfelder der Architektur haben sich geändert; die fortschreitende Dekodierung der Interaktionsprozesse, die Verankerung einer Kultur der Sicherheit, der Rückverfolgbarkeit von Verantwortlichkeiten und der Qualität sowie die Diskussionen über Kürzungen, Privatisierungen, Ungleichheit und öffentlichen Raum führten zu einer Weiterentwicklung der architektonischen Artefakte und Aktionen. Sie sind nicht mehr stabile, aus einer Planung resultierende Infrastrukturen, sondern werden heute als Entwicklungsräume verstanden, die von der Gestaltung der sie tragenden Gemeinschaften abhängen. Aber nicht nur das, seit einiger Zeit sind auch diejenigen, für die Architektur gemacht wird, andere. Architektur beginnt den Bedürfnissen der allgemeinen biologischen Vielfalt, der Landschaften, verschiedenen Kulturen sowie zukünftigen und vergangenen Generationen in Form vieler Architekturen zugute zu kommen. Und gleichzeitig erleben wir, wie Stadt und Land radikal verändert werden, um der Finanzwelt, wie Investitionsfonds oder Finanzierungsmodellen, Raum zu geben, wodurch eigene Architekturtypen entstanden sind, Wanderungsbewegungen erzeugt und die Sozialstrukturen der Welt zu Schichten formiert wurden.

Nachhaltigkeit und Empowerment versus Ressourcenverschwendung und Exklusion

Die architektonische Praxis liegt inmitten all dieser Veränderungen. In manchen Fällen festigt sie sie, in anderen hinterfragt sie sie oder sie blockiert sie sogar. Zweifelsohne können wir jedoch feststellen, dass in den diversen weltweiten Krisen der letzten Jahre – des Finanz- und des Wirtschaftssystems, der tatsächlichen politischen Vertretung durch die politischen Institutionen, des Nationalstaates oder der Stabilität des Objekts – ein wichtiger Teil der Architektur ein potenzielles Experimentierfeld gefunden hat. Es sind verschiedene Experimente, in vielen Fällen mit dem Fokus Technologie, wie jene Arbeiten, in denen die Möglichkeiten zur Verbindung der On- und Offline-Welt in Hinblick auf die Entwicklung kollektiver Interaktion erforscht werden. In anderen Fällen, zum Beispiel im Bereich der sozialen Innovation, werden Projekte zum Empowerment bestehender gemeinschaftlicher Zusammenschlüsse entwickelt oder man versucht, die Folgen des Klimawandels, die Verringerung der Biodiversität oder die Akkumulierung von Giftmüll auszugleichen. Alle haben eines gemeinsam: Es sind nie Praktiken, die beschlossen wurden. Die Architektur ist heute eine Arena, in der zum Beispiel Projekte zur möglichen Ausweitung des Öffentlichen auf Formen von exklusiver und soziale Schichtenbildung fördernder Architektur treffen, oder auch auf eine Architektur für den Durchschnittsbürger. Dieselbe Arena, in der ökosensible Projekte gegen Projekte wettern, die auf leichtsinnigem Ressourcenverbrauch basieren, oder gegen die, in denen „Nachhaltigkeit“ das Alibi dafür ist, ressourcenintensive Architektur als ökosensibel zu verkaufen. Das Gleiche passiert mit Formen Kollektiver Intelligenz und Open-Source-Technologien –, sie liegen zum Beispiel im Widerstreit zu geschlossenen Systemen, zu rhetorischen Floskeln von persönlicher Genialität und neuen Traditionen von Exklusivbranding.

Deutsch-Spanische Kulturbegegnung – „Architectus Omnibus?“

„Architectus Omnibus?“ schaut hinaus auf die lebendige Verflechtung der Architektur, die in Deutschland und Spanien oder in Verbindung mit Deutschland und Spanien entsteht. Eine Verflechtung, die an sich schwer zu beschneiden ist. Austauschprogramme wie Erasmus oder Leonardo, das Wirtschaften in der Eurozone, die Verbilligung des weltweiten Transportwesens, die Transparenz im Bereich der Information dank digitaler Netzwerke oder das Faktum einer gemeinsamen Politik und gemeinsamer gesetzlicher Rahmenbedingungen haben zu einer Vermischung der Menschen beim täglichen Erleben der Staatsgrenzen zwischen Deutschland und Spanien geführt. Andererseits ist heute der Aktionsradius der Architekten größer geworden und es ist keineswegs außergewöhnlich, dass Architekten mit Realitäten arbeiten, die von ihrem Hauptwohnsitz weit entfernt sind oder sogar, dass es gar keinen Hauptwohnsitz gibt.

„Architectus Omnibus?“ kann einmal ein Teil dieser Arenen werden. Nicht der einzig mögliche, aber sicher einer, in der die Herausforderungen und Möglichkeiten der Architektur diskutiert und ausprobiert werden.