Echt gemacht

Unter diesem Motto fand vom 5. bis 7. Dezember 2013 zum 25. Mal das Frankfurter Autorenforum für Kinder- und Jugendtheater statt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand diesmal die Frage nach der Zukunft der Autorschaft.

X Experten 25 Frankfurter Autorenforen für Kinder- und Jugendtheater 1989-2013, Plakat im Foyer des Theaterhauses Frankfurt; Foto: Cristina Vilaró Wie entsteht im zeitgenössischen Theater für junges Publikum eigentlich der Text? Und wie muss so ein Text sein, damit er auch die Kinder und die Jugendlichen interessiert? Welche Rolle spielt heute der Autor im Theater für Kinder und Jugendliche? Auf die Suche nach Antworten auf diese und weitere Fragen begab sich das Frankfurter Autorenforum für Kinder- und Jugendtheater(1), das seit 1989 jedes Jahr in der Adventszeit veranstaltet wird.

Jubiläumstorte zum 25. Geburtstag; Foto: Cristina Vilaró 25 Jahre Autorenforum: Aus diesem Anlass kamen Autoren und Theaterexperten aus ganz Deutschland zum Jubiläumsforum in den Räumen des Theaterhauses Frankfurt zusammen, um sich drei Tage lang intensiv über die Fragen, die die Themenstellung der Veranstaltung aufwarf, auszutauschen. Im Blickpunkt stand die Autorschaft im Spannungsfeld von individuellem und kollektivem Stoff- und Stückentwicklungsprozess – ein komplexes Thema, das im deutschen zeitgenössischen Theater für junges Publikum (im Vergleich zum katalanischen bzw. spanischen) immer wieder kontrovers diskutiert wird.

„Gemeinsam gewinnen“

Henning Fangauf moderiert das Gespräch zwischen Oliver Bukowski und Christian Schönfelder über die Roller des Autors im Theater; Foto: Carmen Treulieb Der erste Themenkomplex des Forums beschäftigte sich mit dem Verhältnis von Autoren und Theatern in der Praxis. Dass diese Beziehung nicht immer harmonisch verläuft, konnte im Laufe des Auftakt-Gesprächs zwischen dem Dramatiker Oliver Bukowski und dem Dramaturgen Christian Schönfelder festgestellt werden. Die einen fühlen sich von der Theaterfamilie unbeachtet und ausgeschlossen, die anderen bedienen sich lieber Methoden der kollektiven Stückentwicklung und der Adaption von Kinder- und Jugendbüchern. Dies heißt jedoch keineswegs, dass die Theater die Autoren hinter sich lassen wollen. Vielmehr sind Stipendienprogramme und Projekte, die auf Gegenseitigkeit und Austausch zwischen Gegenwartsautoren und Theatern basieren, Indikatoren für die zentrale Rolle des Autors im Theater für Kinder- und Jugendliche, und für einen Annäherungswillen zwischen den beiden Seiten.

Sophie Reyer stellt ihr Stück „Anna und der Wulian“ im Gespräch mit Joerg Bitterich (Junges Theater der Badischen Landesbühne Bruchsal) vor; Foto: Carmen Treulieb Tatsächlich ist aus katalanischer bzw. spanischer Perspektive der beiderseitige Annäherungswillen stärker als man denkt. Nur so können neue Arbeitspartnerschaften innerhalb des Kinder- und Jugendtheaters gebildet und gefördert werden, wie die derzeitige Zusammenarbeit zwischen der Autorin Karen Köhler und dem Deutschen Nationaltheater Weimar. Im Auftrag des DNT entstand ihr Klassenzimmerstück Deine Helden - meine Träume, das sich kritisch mit einem aktuellen Thema auseinandersetzt: Rechtsradikalismus. Andere Begegnungen, die schlussendlich auch Schreibaufträge nach sich gezogen haben, zeugten im weiteren Verlauf des Forums von der erfolgreichen Verständigung zwischen Theatern und Autoren. So schreibt Nora Mansmann in der aktuellen Spielzeit für das Theater Junge Generation Dresden an einem neuen Kinderstück, fuchs und freund (+6), zum Themenschwerpunkt „sich fremd fühlen“. Und so entwickelt Sophie Reyer zur Zeit für die Badische Landesbühne Bruchsal ihr neues Stück Anna und der Wulian (für Kinder ab 8) zu den Themen Angst und Trennung. Beide Projekte werden im Rahmen von „Nah dran!”(2) gefördert.

Möglichkeiten kollektiver Autorschaft

Veit Sprenger stellt die performative Arbeit von der Gruppe Showcase Beat le Mot (Berlin) vor; Foto: Cristina Vilaró Der zweite Teil des Autorenforums gab Einblick in die Enstehungsweise von Texten bei partizipativen, dokumentarischen und performativen Theaterformen. In vielen partizipativen Theateransätzen entstehen Texte auf der Basis gegenseitigen Transfers von Wissen, Fähigkeiten und Möglichkeiten zwischen professionellen Akteuren und jugendlichen Laiendarstellern. So wurde z.B. Young & Furious (2012) von der Tanzkompanie Unusual Symptoms entwickelt. Ganz anders verhält es sich beim Dokumentar- oder Recherchetheater. Hier setzt man sich mit historischen Ereignissen, Schauplätzen und Biografien (etwa Aus den Akten auf die Bühne von der bremer shakespeare company)(3) oder mit aktuellen gesellschaftlichen Phänomenen auseinander, wie z.B. Schicht C (2008) vom Berliner Theaterkollektiv lunatiks produktion. Ausgangspunkt für die Texte sind stets umfangreiche Recherchen, Gespräche mit Beteiligten und Experten sowie Archivarbeit. Performancekollektive, die im Bereich des Kinder- und Jugendtheaters arbeiten, greifen aber gerne und oft auf literarische Texte zurück und adaptieren sie nach einem performativen Konzept. So werden alte Geschichten mit einer Fülle an darstellerischen Mitteln (Erzählung, Tanz, Video, Live-Songs...) neu erzählt – wie z.B. Peterchens Mondfahrt (2009) von Showcase Beat Le Mot.
 

Die Zukunft der Autorschaft

Resümee des 25. Autorenforums, von links nach rechts: Winfried Tobias (Leiter des Kinder- und Jugendtheaters am Theater der Stadt Aalen), Carmen Waack (Hildesheim), Nina Peters (Berlin), Gerd Taube (Leiter des Kinder- und Jugendtheaterzentrums) und Autor John von Düffel; Foto: Carmen Treulieb In dem abschließenden Gespräch zum Ende des Forums wurde darüber debattiert, ob zukünftig die kollektive Erarbeitung von Stoffen für die Bühne das „klassische“ Autorentheater ergänzen oder doch eher ersetzen wird. Darüber meinte die Autorin Juliane Kann: „Wenn man davon ausgeht, dass das performative Theater mehr in den Vordergrund rückt oder das Gruppen gemeinsam Stücke entwickeln, dann sehe ich meine Zukunft als Autorin nicht so rosig”. Im Rückblick auf die Gespräche vom 25. Autorenforum bleibt allerdings festzuhalten, dass die kollektive Autorschaft eine Ergänzung zum Autorentheater ist. Vor allem ermöglicht sie eine neue Sicht auf Themen der Kinder und Jugendlichen. Auffallend dabei ist, dass die Inhalte nicht mehr so stark von den jeweiligen Interessen des Ensembles abhängig scheinen. Vielmehr werden authentische Themen und Geschichten gefordert, die aus dem direkten Umfeld des jungen Publikums selbst kommen.
 

Die Situation hierzulande

Sieht man sich die Situation in Katalonien bzw. Spanien an, so ist das Phänomen der kollektiven Stückentwicklung als Arbeitsweise aus dem Kinder- und Jugendtheater nicht wegzudenken. Das nicht eben große Repertoire an Stücken hat es Theaterkompanien immer wieder dazu gereizt, sich selbst auf die Suche nach Stoffen und Themen zu begeben, zu recherchieren und den Stoff dann mit Regisseuren und Schauspielern selbst zu einem Stück zu formen. Dabei bleibt der professionelle Autor draußen. Den Ausgangspunkt der Stückentwicklung bilden allgemeine Themen. Hier reicht die Palette von neuen Fassungen alter Geschichten, d.h. Märchen und Stoffe aus mündlicher Tradition, bis hin zu aktuellen Themen aus dem persönlichen und sozialen Umfeld der Kinder und Jugendlichen.

(1)  Dieses bundesweit wichtigste Branchentreffen für die Dramatik des Kinder- und Jugendtheaters wird vom Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland (in Kooperation mit dem Theaterhaus Frankfurt) organisiert. In diesem Jahr fand es auch in Zusammenarbeit mit dem Künstlerhaus Mousonturm statt.
(2)  „Nah dran! – Autorinnen und Autoren ans Kindertheater“ ist ein Kooperationsprojekt des Kinder- und Jugendtheaterzentrums und des Deutschen Literaturfonds, das im Frühjar 2009 begann und in diesem Jahr bereits zum 6. und letzten Mal durchgeführt wird. Damit wird das Ziel verfolgt, Gegenwartsautoren eng mit den Theatern zusammenzubringen und Stückentwicklungen zu fördern.
(3)  Das Projekt wird gemeinsam mit Geschichtsstudierenden der Universität Bremen durchgeführt.


 
Jordi Auseller ist Deutschdozent an der Universitat de Vic (Barcelona), Doktorand und Forscher mit dem Schwerpunkt deutsches Kinder- und Jugendtheater. Seit 2011 ist er Mitglied der Forschungsgruppe Szenische Künste (Grup de Recerca en Arts Escèniques) an der Universitat Autònoma de Barcelona.