Ob frösteln mit Decke oder feiern bei frühlingshaften Temperaturen – eines haben Hamburger und Toulouser gemeinsam: Den Apéro genießen sie draußen „en terrasse“.
Bei Wind und Wetter
Weder Wind, noch Regen und noch weniger die niedrigen Temperaturen können die Hamburger davon abhalten, hinauszugehen. Regelmäßig wird man Zeuge, wie sich Freunde mitten im Februar mit einem Eis in der Hand vor einem Café zusammenfinden, eine Decke über die Beine gebreitet.
In Hamburg wartet niemand darauf, dass die Tage länger werden, um auszugehen und zu feiern. Die ganze Woche über wird je nach Laune ausgegangen, aber man sollte sich besser frühzeitig absprechen: Ich musste am eigenen Leib erfahren, dass Spontaneität sich nicht mit bereits gut gefüllten deutschen Zeitplänen verträgt. Nachdem man eine Woche vorher verabredet hat, sich spontan auf einen Kaffee zu treffen, bleibt nur noch zu entscheiden, wo.
Das Angebot ist der Nachfrage entsprechend vielseitig, und ich habe in Hamburg, in den In-Vierteln Sternschanze und Sankt Pauli, eine Art von Café entdeckt, die mir unbekannt war: das zwanglose Café mit ungleichen Stühlen und lockerem Kellner, in denen eine gemütliche, entspannte Atmosphäre herrscht – zumindest, bis man feststellt, dass es hier üblich ist, Wein mit Sprudel zu mischen, um Weinschorle daraus zu machen (in Frankreich ein Verbrechen am guten Geschmack)!
Und dann gibt es noch die Reeperbahn, die „sündige Meile“, an der man beim Feiern nicht vorbekommt. Hier sind die Beatles zum ersten Mal aufgetreten, hierher kommt man auf der Suche nach starken Gefühlen aller Art und um in einem der zahlreichen Clubs des Viertels zu tanzen. Am frühen Sonntagmorgen treffen sich dann alle auf dem Fischmarkt und die Ausgehfreudigsten tanzen einfach weiter.
Zeit für den Aperitif
Was wäre Südfrankreich ohne den Aperitif? Jetzt, wo die Tage wieder länger werden und sich die Luft schnell erwärmt, sind die Terrassen der Bars und Cafés auch abends voll besetzt. Ausgehkultur bedeutet ab dem Frühjahr „Draußenkultur“. Man bestellt ein Glas Wein, einen Monaco (Bier mit Sirup) oder ein (belgisches, naja) Bier, begleitet von ein wenig Wurst oder Oliven, das kann um fünf aber auch erst um acht Uhr sein.
Für die zahlreichen Studenten, aber nicht nur, bedeutet „apéro“ oft Chips und Wein aus dem Karton bis abends um halb zehn, so dass das Abendessen dann oft ausfällt. Denn wenn die Franzosen beschwingt sagen, man könne ja nun essen, hat sich der Deutsche, der um sieben Uhr Hunger hatte, schon an Salzstangen satt gefuttert. Bei einer Einladung – bei der man aus Höflichkeit übrigens niemals pünktlich erscheint – geht der Aperitif einem Abendessen voraus und kann den deutschen Mahlzeiten-Rhythmus ebenfalls gehörig durcheinanderbringen. Man trudelt um halb neun ein, trinkt ein Glas und knabbert, bevor man später die zwei bis fünf Gänge angeht. So nah an der spanischen Grenze ist eine Tapasbar eine gute Lösung, um Aperitif und Abendessen zu verbinden, ob es nun südfranzösische Kleinigkeiten, mit Foie Gras zum Beispiel, katalanische oder korsische gibt.
Oder man geht zu einer der neuen, ebenfalls spanisch inspirierten Abendveranstaltungen in den Markthallen, bei denen die Händler Häppchen anbieten. Was sich in Deutschland als After-Work etabliert hat, ist in Toulouse traditionell verankert. Ein gemeinsames Glas Wein nach der Arbeit ist unter der Woche in allen Altersgruppen keine Seltenheit, danach geht man nach Hause oder zieht weiter.
Der Toulouser lässt es gerne krachen, es gibt zahlreiche Bars, in denen man tanzen kann. Und daneben viele Anwohner, die klagen. Lautstark ziehen manche Discogänger um sechs Uhr morgens durch die Straßen, prügeln und küssen sich, duellieren sich mit Mülltonnen, die zur Leerung bereitstehen. Da wünscht man sich den Sommer und die vielen Musikfestivals herbei, die alle Feierwütigen ans Meer oder aufs Land ziehen.