Während Sina im Süden von einer Abkühlung träumt, genießt Mathilde die Festival-Saison im hanseatischen Norden. Wie fühlt sich der Sommer in beiden Städten an?
Gebote des Sommers
Ich werde im Schatten gehen. Ich werde keinen Sonnenbrand bekommen. Ich werde die Fensterläden tagsüber schließen und im Dunkeln leben. Ich werde meine Bettdecke im Schrank verstauen. Ich werde immer Eiswürfel und Zitronen im Kühlschrank haben. Ich werde diesen Backofen aus rotem Ziegel bei jeder Gelegenheit verlassen.
Wie ein Fisch an Land schnappe ich auf dem Rücken liegend nach Luft und wiederhole die Gebote des Sommers. Die Tage dehnen sich, die Gedanken werden träge und der Mittagsschlaf häufiger. Tanzende Staubkörner, der Gedanke an eine Klimaanlage. Die Ventilatoren sind ausverkauft. Wenn die Hitzewelle kommt, die canicule, sollte man gewappnet sein und alles erledigt haben. Denn nach und nach versinkt Toulouse im Sommerschlaf, Scharen von Studenten mit Reisetaschen ziehen vorbei wie verwirrte Zugvögel, der zuständige Beamte für den dringenden Papierkram ist schon im Urlaub und die Freunde, die man endlich einmal wieder einladen wollte, verschieben alles auf September. Wer kann, flieht aus der Stadt, aufs Land, ans Meer. Am Wochenende ist Toulouse schon jetzt wesentlich leerer.
Es ist auch schön zu bleiben, um abends am Fluss zu sitzen, draußen zu essen oder ins Freilichtkino im Innenhof der Cinemathèque zu gehen. Feste unter freiem Himmel, wie die alljährliche Fête de la musique am 21. Juni und der Nationalfeiertag am 14. Juli füllen die Stadt mit lauter Musik, Lichtern, Feuerwerk und Menschen. Die Toulouser verstehen ihr Klima – sie drehen auf, wenn der Zeitpunkt stimmt und verziehen sich sonst in den Schatten.
Früher zog es mich immer in den Süden, jetzt fällt mein Blick im Halbdunkel auf meinen offenen Koffer. Russische Kälte, das wird super. Und dann komm ich zurück nach Hause.
Hamburger sommerluft
Der Grillgeruch ist das erste unstrittige Zeichen, dass in Hamburg der Sommer ausgebrochen ist. Sobald der Duft von gegrillten Würstchen meinen Appetit weckt, mache ich Pläne für den Sommer. Die milderen Temperaturen und die stärker werdende Sonne läuten die Besuchssaison ein. Nie steige ich so oft die Stufen der Kathedrale St. Michael empor wie im Sommer, begleitet von Familie und Freunden. Von dort oben hat man einen wunderbaren Blick über die Stadt und den Hafen, und kann sogar bis zum Strand von Övelgönne schauen, wo uns ein kleines Bier für unsere Mühen entlohnen wird.
Es kommt für mich nicht in Frage, die hanseatische Hauptstadt für längere Zeit zu verlassen! Trotz der Sommerpause in den Konzertsälen ist es schwierig, kein Angebot nach seinem Geschmack zu finden. Es gibt unzählige Festivals, und die Freiluftkonzerte im großen Park im Norden der Stadt bieten eine großartige Möglichkeit, den Abend angenehm zu gestalten. Dieses Jahr werde ich auch die Tage des französischen Kinos, aber vor allem einige der Straßenfeste ausprobieren. Diese sehr deutsche Tradition lädt mich zu einem Rundgang durch die Stadt ein, bei dem man von Stand zu Stand geht. Zwischen improvisiertem Konzert und einem Glas Erdbeerbowle fällt es leicht, die Zeit zu vergessen und sich von der Wärme und der Heiterkeit des Augenblicks vereinnahmen zu lassen.
Aber zur Krönung meines Sommers in Hamburg muss ich zu den Kanälen gehen. Hier bin ich, ungeschickt in einem gemieteten Kanu paddelnd und umringt von Enten, die glücklichste Französin von ganz Hamburg!