Kino
Die Mauer

Berliner Mauer in der Bernauer Straße
© Carsten Medom Madsen

Regisseur: Jürgen Böttcher, 96 Min., Farbe und S/W, 1990, Original mit französischen Untertiteln

„Die Mauer“ ist ein bleibendes Demontage-Protokoll der deutsch-deutschen Grenze in Berlin und gleichzeitig ein Requiem auf jenes Land, mit dem der Filmemacher und Maler Jürgen Böttcher 40 Jahre lang in inniger Hass-Liebe verbunden war.
Japanische Touristen knipsen sie, türkischstämmige Kinder brechen Brocken aus ihr heraus und verkaufen diese, unzählige Kamerateams aus aller Welt nutzen sie als pittoreske Kulisse: „Die Mauer“, die im offiziellen Sprachgebrauch der DDR gern als „antifaschistischer Schutzwall“ verklärt wurde.
Böttcher und sein Kameramann Thomas Plenert zeichnen die vielfältigen Aktivitäten am ehemaligen Todesstreifen in phänomenologischer Manier auf, wissend, dass jede Wertung in diesem Moment die Stärke und Einmaligkeit der Bilder zerstören würde.
Grandios sind die Sequenzen aus den unterirdischen Geisterbahnhöfen, in denen Soldaten der Grenztruppen gerade noch (aber bereits ohne Bewaffnung) ihren Dienst verrichten. Oder die Szenen zum Jahreswechsel 1989/90: Ein Betrunkener verfällt in „Gorbi! Gorbi!“-Rufe und schwenkt dazu eine gleichnamige Wodkaflasche.
„Die Mauer“ ist übervoll von solchen metaphorischen, aber nie gesucht wirkenden Momenten. Der einzige zeitgeschichtliche Kommentar (zugleich künstlerische Performance par excellence) besteht in einer Projektion von Archivmaterial auf ein Mauersegment: Die tausendfach gesehenen Bilder aus dem zeitlichen Umfeld des 13. August 1961 werden dadurch nicht nur erträglich, sie bekommen durch die verblüffende Konstellation auch eine ganz neue Dimension. Das monströse Bauwerk inmitten von Berlin – mehr als 25 Jahre lang Sinnbild des Kalten Kriegs – wird durch den Kunstgriff des Regisseurs zur Leinwand seiner eigenen Geschichte.

Claus Löser

Details

Sprache: Auf Französisch und Deutsch
Preis: Freier Eintritt