Ein Sonntag mit den Filmen von Harun Farocki

Portrait von Harun Farocki, der seinen Kopf auf der Hand abstützt. Foto (Ausschnitt): © Janni Chavakis

So, 25.11.2018

10:30 Uhr – 20:00 Uhr

Palais des Beaux-Arts de Lille

In Zusammenarbeit mit den europäischen Philosophiewochen „Citéphilo“ im Rahmen des Dokumentarfilmmonats

Konzeption und Präsentation des Programms: Jacques Lemière, Institut für Soziologie und Anthropologie,  Labor CLERSE UMR 8019 CNRS Universität Lille, Filmkurator, Citéphilo
 
Mitwirkung : Christa Blümlinger, Professorin für Filmstudien an der Universität Paris 8.
 
Programm
10:30 Uhr
Nicht löschbares Feuer
1969. 25 min. s/w. OmU Französisch
Vorausgehend: Einführung in den Vormittag
Harun Farockis erster Film außerhalb der Filmakademie verbindet Didaktik und politische Agitation mit strenger Kargheit der filmischen Mittel. Gegen den Voyeurismus der Vietnamkriegs-Berichte setzt Farocki ein lehrstückhaftes Arrangement: Auf eine modellhafte Rekonstruktion der Napalmherstellung folgt ein spielerischer Aufruf zum Widerstand.
11:15 Uhr
Bilder der Welt und Inschrift des Krieges
1988. 75 min. Farbe. OmU Französisch.
 
Ein mit der Kamera festgehaltener Essay über die Verbindung zwischen der Wahrnehmung und der industriellen Produktion. Der Film konzentriert sich auf die Fotografie und den Einsatz der Bilder, wie auch auf die Frage der Einwirkung des Krieges auf die wiedergegebene Realität. Im April 1944 machten amerikanische Piloten Luftaufnahmen der Bunawerke, ohne zu ahnen, dass sie dabei auch das Konzentrationslager von Auschwitz fotografiert hatten. Richtig ausgewertet wurden die Aufnahmen erst 1977.
14:15 Uhr
Arbeiter verlassen die Fabrik

 
Zwischen 1995 und 2000 entstehen drei Filme von Harun Farocki über filmische Topoi.
Ausgangspunkt der ersten Filme der Lumière-Brüder.  Harun Farocki montiert Szenen aus 100 Jahren Filmgeschichte, die das Motiv „Arbeiter verlassen die Fabrik“ variieren. Er entnimmt den Bildern Reflexionen über die Ikonographie und Ökonomie der Arbeitsgesellschaft, aber auch des Kinos selbst, das den Zuschauer meist erst am Fabriktor abholt und ins Private entführt.
15 Uhr
Einschlafgeschichten
1: Brücken 3 min. Farbe. OmU Französisch
Zwei kleine Mädchen erfinden kurz vorm Einschlafen Geschichten von Brücken, Schiffen und Seilbahnen. Was ist es wert gesagt, gedacht, gezeigt zu werden? Anna und Lara, die Töchter des Regisseurs, schlafen am Ende ein, das Spiel ist zu Ende.
Drei dieser zwischen 1973 und 1979 entstandenen sensiblen Kurzfilme, zeugen von Harun Farockis  großer Kunst, den Fokus auf das Essentielle zu legen: Brücken, 15:00 Uhr – Bahnen, 15:40 Uhr und Schiffe, 16:55 Uhr.
15:05 Uhr
Der Ausdruck der Hände
1997. 30 min. Farbe. OmU Französisch
Farockis zweiter Beitrag zu filmischen Topoi. „Die Hand steht für Berührung, das Kino aber muß alle Sinneswahrnehmungen in Blicke umformen. Die ersten Großaufnahmen der Filmgeschichte richteten sich auf das menschliche Gesicht, die nächsten auf die Hände.“ (Harun Farocki)
15:40 Uhr
Einschlafgeschichten
1973-1979
2: Bahnen 3 min. Farbe. OmU Französisch.
 
15:45 Uhr
Gefängnisbilder
2000. 60 min. s/w und Farbe. OmU Französisch
 
Farockis dritter Beitrag zu filmischen Topoi. Wie ist das Gefängnis in 100 Jahren Filmgeschichte dargestellt worden? Welche Bilder produziert das Gefängnis selbst in Überwachungskameras und Schulungsvideos für das Wachpersonal? Die Vollzugsanstalt erscheint in Farockis Film als ein anthropologisches Labor, in dem durch das Kameraauge hindurch Leben und Tod einstudiert werden.
16:55 Uhr
Einschlafgeschichten
1973-1979
3: Schiffe 3 min. Farbe. OmU Französisch

 
17 Uhr
Gegen-Musik
2004. 23 min. Farbe. OV
Videoinstallation mit Doppelprojektion anlässlich der Ausstellung „La Ville qui fait signes“  Le  Fresnoy, Lille 2004 Kulturhauptstadt  Europas.
„Die Stadt Lille ist für Farocki eine Art Paradigma des Übergangs vom Zeitalter der Massenindustrie, zur postindustriellen Epoche der Daten und Dienstleistungen. In Farockis Installation ist dieser Übergang verkörpert und verdoppelt, indem Bilder von Dziga Vertovs Der Mann mit der Kamera, (1929) und Berlin, die Sinfonie der Großstadt von Walter Ruttman (1927) zu Überwachungsaufnahmen von heute führen“.
(Christa Blümlinger)
17:30 Uhr
Konversation mit  Christa Blümlinger
Konversation mit Christa Blümlinger über Harun Farockis Tätigkeit
Moderation: Jacques Lemière
 
18:30 Uhr
Videogramme einer Revolution
Harun Farocki und Andrei Ujica. 1992, 106 min. Farbe. OmU Französisch
Für „Videogramme einer Revolution“ haben Harun Farocki und sein Co-Autor Andrej Ujica Amateuraufnahmen und Sendungen des staatlichen rumänischen Fernsehens nach seiner Übernahme durch die Demonstranten im Dezember 1989 gesammelt. Bilder und Töne von der historisch ersten Revolution, in der das Fernsehen eine tragende Rolle spielte. Protagonist ist die Zeitgeschichte selbst.

Filmbeschreibungen: Jacques Lemière und Goethe-Institut

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