Musik Awards
Preisfrage

Große Show für den Pop: James Bay und Sarah Connor bei der Echo Pop 2016 Gala
Große Show für den Pop: James Bay und Sarah Connor bei der Echo Pop 2016 Gala | Foto © BVMI, Sinissey

In der klassischen Musik wird mit harten Bandagen gekämpft. Wer keinen gewonnenen Wettbewerb vorweisen kann, findet kaum Publikum. Im Pop funktioniert das anders. Hier greifen Musikindustrie, Journalisten, Gremien als Steuermechanismen ein und generieren Preise. Ein Überblick.

Musikpreise sind fast so alt wie die Musikindustrie, auch wenn sie wenig über die Kunst selbst aussagen. Chartplatzierungen und Verkaufsstatistiken als Indikatoren des Marktwertes sind zumindest kurzfristig die Börsenkurse für Musik. Auf lange Sicht sagen sie allerdings nur sehr wenig über den Wert eines Songs aus. Alle Jahre wieder werden verborgene Schätze ausgegraben, kein Labor der Welt konnte bis jetzt die Erfolgs-DNA eines Popsongs entschlüsseln. Und das macht es bei allem Kalkül doch wieder spannend, warum und wofür Preise vergeben werden.

Die Mutter der Awards

Die Mutter aller Musikpreise ist die Goldene Schallplatte. Die erste inoffizielle Golden Disc ging bereits 1931 für 500.000 Verkäufe der Single That Silver Haired Daddy Of Mine an Gene Autry. Es sollte noch einmal elf Jahre dauern, bis Glenn Miller für den Chattanooga Choo Choo dasselbe Privileg zuteil wurde. Offiziell und regulär wird die Goldene Schallplatte in den USA seit 1958 verliehen, in Deutschland wurde die Praxis schnell übernommen. Die Kriterien wurden aufgrund kontinuierlich sinkender Verkaufszahlen und einer galoppierenden Unübersichtlichkeit des Marktes stetig aufgeweicht. Heute interessiert sich für das altmodische Ritual kaum noch jemand. Andere Musikpreise haben mit mehr oder weniger Brimborium den Platz der Goldenen Schallplatte eingenommen.

So wird beispielsweise seit 1992 von der Deutschen Phono-Akademie der Echo verliehen und gilt als am heißesten begehrte Auszeichnung auf dem deutschen Pop-Pflaster. Die Preisträger ergeben sich dabei aus den addierten Wochenergebnissen der Media Control Charts, das heißt, es geht bei der Beurteilung eher um schnelle Umsetzung als um langfristigen Absatz. So wundert es nicht, dass Helene Fischer mit 16 Trophäen die mit Abstand meisten Echos erhielt, gefolgt von den Kastelruther Spatzen (13), Herbert Grönemeyer (11) sowie Die Toten Hosen und Rammstein (jeweils 10). Kreativität oder künstlerische Werte sind irrelevant, es zählt ausschließlich das kommerzielle Standing. Daher geriet der Preis auch 2013 unter Beschuss, als die der rechten Szene zugerechnete Band Frei.Wild aus Südtirol für einen Echo nominiert wurde. Zahlreiche Künstler – unter ihnen Die Ärzte und Kraftklub – blieben aus Protest der Echo-Verleihung fern. Ein kleines Zeichen wenigstens, dass Inhalte doch noch wahrgenommen werden.

Kommerz vs. Kritik

Das an Qualität orientierte Gegenstück zum Echo ist der Preis der deutschen Schallplattenkritik, der vom Verein des gleichen Namens auf Grundlage eines Kritiker-Votums vergeben wird. Kommerzielle Aspekte finden hier nur insofern Berücksichtigung, als Labels, die am Markt gut aufgestellt sind, selbstredend über geeignete Mittel verfügen, bei der Kritik auf ihre Produkte aufmerksam zu machen. Um unterschiedliche Gewichtungen herauszustellen, werden vierteljährliche Bestenlisten aufgestellt und Jahrespreise verliehen. Mit einer großen Gala wird außerdem in Berlin seit 2009 der Musikautorenpreis der GEMA gefeiert. Wie beim Preis der deutschen Schallplattenkritik ist eine Fachjury ausschlaggebend.  

Noch ein Award versucht, ein unabhängiges Gegengewicht zum Echo zu bilden. Im September 2016 wurde zum ersten Mal der Preis für Popkultur überreicht, erdacht von einem Verein für Popkultur und ausgewählt von einer gemischten Jury aus Industrie, Journalismus und Veranstalter, die sich aus den Reihen der Vereinsmitglieder rekrutiert. Es sei „ein kleines, aber nettes Schaufenster für Popmusik“ resümierte Spiegel Online im Anschluss an die Verleihung in Berlin, immerhin wurden mit Rappern wie K.I.Z. und Bands wie Moderat oder Deichkind deutlich andere Künstler als preiswürdig erachtet als bei der an Verkaufszahlen orientierten Business-Konkurrenz Echo. Ein Signal aus der Szene mit Entwicklungspotential.
Lieblingsband beim Preis für Popkultur 2016: Moderat, Quelle: YouTube

Die Reihe der Musikpreise für Pop-Musik wie für andere Sparten, die auf der Website des Deutschen Musikrats veröffentlicht wird, ist ebenso lang wie unvollständig und teilweise obskur. Die Stifter setzen sich aus öffentlichen und privaten Medien, Vereinen und Interessenverbänden, Ausbildungseinrichtungen und Künstlergremien, der Politik und Stiftungen zusammen. Entsprechend breit gefächert ist die Zielrichtung der Preise. Je kleiner und regionaler die Preisverleiher aufgestellt sind, desto weniger dienen diese Auszeichnungen der Ehrung für vollbrachte Leistungen oder der Würdigung von Verkäufen. Förderpreise erstrecken sich von der Spielstättenförderung über Stipendien, zum Beispiel für Auslandsreisen, bis hin zu Studiopreisen zwecks Einspielung einer CD.

Stichwort Wettbewerb

Ein beliebtes Mittel der Förderung sind Wettbewerbe, deren Gewinn einem Preis gleichkommt. Sie stehen Newcomern offen und ermöglichen vor allem auf regionaler Ebene gezielten Support und den Sprung von Amateuren auf die Profi-Ebene. Publikumspreise werden hauptsächlich in Form von Leser- oder Hörerbefragungen ermittelt. Zu den renommiertesten Publikumspreisen in Deutschland gehört wohl die 1Live-Krone des WDR. Im weitesten Sinne zählen auch Casting Shows wie Deutschland sucht den Superstar (DSDS) zu den Fördermöglichkeiten, wobei es bei diesen am allerwenigsten um tatsächliche Qualität oder Marktpotential geht.

Musikpreise dienen ganz unterschiedlichen Zwecken. In vielen Fällen sind sie ein geeignetes Werbemittel der Stifter, um auf sich selbst aufmerksam zu machen. Der Wirkungsgrad für die Künstler ist indes nicht messbar. Es ist kaum wahrscheinlich, dass bekannte Popmusiker noch erfolgreicher werden, weil sie eine weitere Trophäe nach Hause tragen, und für die Aufzählung ihrer Echos auf Websites und bei Wikipedia interessieren sich letztlich nur Statistiker. Förderpreise mögen als Sprungbrett oder finanzieller Support hilfreich sein, weitgehende Auswirkungen auf die Karriere von Musikern sind nicht nachweisbar. Vielleicht ist es symptomatisch, dass seit ABBA 1974 und in kleinerem Rahmen Nicole 1982 beispielsweise kein Sieger des Eurovision Song Contests mehr eine weiterreichende Karriere auf dem Gewinn des begehrten Preises aufbauen konnte. Trotzdem liegen Musikpreise im Trend. Sie sind Aufmerksamkeitsanker in einer zunehmend unübersichtlicher werdenden Kulturwelt, die ein Publikum, wenn auch oft nur kurzzeitig, auf ein Thema fokussieren können. Damit sind sie ein wichtiges Marketing-Werkzeug und werden als solches womöglich noch an Relevanz gewinnen, auch wenn ihre Wirkung im Einzelnen nicht messbar ist.