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Berlinale-Blogger 2020
Born in Hildesheim

Faraz Shariat liefert mit „Futur Drei“ ein recht fröhliches Bild einer neuen Generation.
Faraz Shariats Held Parvis (Benjamin Radjaipour) ist jung, schwul und erfrischend hedonistisch. | Foto (Detail): © Edition Salzgeber, Jünglinge Film

Zwischen Rassismus und absurden Erwartungen: Mehrere Filme der Sektion „Panorama“  erörtern postmigrantische Sichtweisen auf Deutschland.

Von Philipp Bühler

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Nichts anderes besagt der kompliziert klingende Begriff der „Postmigration“, der eben nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund meint, sondern die Einwanderung als gesamtgesellschaftliche Tatsache voraussetzt. In Film, Theater und Literatur wird diese Selbstverständlichkeit noch genauso selten reflektiert wie in der Politik. Deshalb liegt 2020 auf „postmigrantischen Sichtweisen“ ein besonderes Augenmerk der gesamten Berlinale, aber besonders der Sektion Panorama. Wie fühlt es sich an, in Deutschland geboren zu sein, aber immer noch nicht richtig dazuzugehören? Oder sich so zu fühlen, obwohl man eigentlich längst weiter ist?

Alles Paranoia?

Eben dieses unbestimmte Gefühl inszeniert Visar Morina in Exil. Xhafer, verkörpert vom bekannten deutschen Schauspieler Mišel Matičević, wurde wie der Regisseur im Kosovo geboren, ist aber längst angekommen: Job, Familie, Reihenhaus. Doch noch immer fühlt er sich von den Kollegen gemieden. Alle scheinen ihn zugleich anzustarren und zu übersehen. Aus wichtigen E-Mail-Verteilern wurde er offenbar entfernt. Ist es Rassismus? Seine deutsche Frau Nora, gespielt von Sandra Hüller, hält das für ein Hirngespinst. Vielleicht sei er einfach nicht so sympathisch. Die brillante Konzeption des Films besteht darin, dass sie recht haben könnte. Xhafer ist kein Heiliger. Doch selbst in seiner Paranoia erkennt man den tiefen Kern eines gesellschaftlichen Problems. In den besten Momenten wirkt Moinas bedrückend klaustrophobisch inszenierter Thriller wie eine deutsche Version von Michael Hanekes Film Caché.

Jung, schwul und hedonistisch

Das entschieden fröhlichere Bild einer neuen Generation liefert Faraz Shariat mit Futur Drei. Sein Held Parvis (Benjamin Radjaipour) ist jung, schwul und erfrischend hedonistisch. Doch überall, ob auf Partys oder Grindr-Dates, wird er immer wieder mit seiner iranischen Herkunft konfrontiert. Geboren in Hildesheim, aber who cares! Mit seiner ersten Liebe Amon und dessen Schwester Banafshe erörtert er mal zweifelnd, mal belustigt Fragen von Herkunft, Sprache und Identität, aber auch die absurden Erwartungen der Einheimischen. In den flott montierten Film eingebaut sind alte Videoaufnahmen der Eltern des Regisseurs, die für sich eine Geschichte iranischer Einwanderung in Deutschland erzählen. Gespielt werden sie von niemand anderem als Shariats eigenen Eltern – eine wundervolle Idee und das denkbar beste Statement zum Thema Integration.

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