Schnelleinstieg:

Direkt zum Inhalt springen (Alt 1) Direkt zur Hauptnavigation springen (Alt 2)

Warum haben die Menschen Angst vor Robotern?
Was steckt hinter unserer Einstellung zu Robotern?

An illustration of people scared of robots
© Goethe-Institut London. Illustration: Carlos D'Agaro.

Manche Menschen lieben sie. Andere sind an ihnen interessiert, haben aber Vorbehalte. Dritte wiederum fürchten sich davor. Warum reagieren wir so unterschiedlich auf Roboter? Die Antwort, die ebenso komplex wie spannend ist, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Einige dieser Faktoren sind dem Roboter, dem wir begegnen, zu eigen, während andere mit uns selbst zu tun haben.

Von Linda Blair

Zunächst einmal müssen wir klarstellen, was wir unter einem Roboter verstehen. Laut Anca Dragan von der University of California in Berkeley ist ein Roboter „ein physisch verkörperter, künstlich intelligenter Agent, der Handlungen ausführen kann, die sich auf die physische Welt auswirken.“ Weil das ziemlich kompliziert klingt, bat ich Alan Winfield von der University of the West of England und Kurt Gray von der University of North Carolina, beide Experten für Robotik, um ihre Definitionen. Sie beschrieben einen Roboter sehr viel einfacher: als „eine verkörperte KI“.

Mit einer KI oder Künstlichen Intelligenz haben wir es zu tun, wenn Algorithmen – feste Handlungsvorschriften, die auf bestimmte vorgegebene Auslöser reagieren – in der Lage sind, diese Handlungsanweisungen zu modifizieren, weil sie Informationen aus Eingaben und Daten wiedererkennen und sortieren können. Wenn KI eine physische Form annimmt, bezeichnen wir diese als Roboter.

Doch Tatsuya Nomura von der Ryukoku University in Japan, der die kulturübergreifenden Unterschiede in unserer Beziehung zu Robotern untersucht, vertritt einen breiter gefassten Standpunkt. Er definiert einen Roboter als eine autonome Maschine, die sich nach ihren eigenen Regeln verhält – soweit stimmt er mit anderen Fachleuten überein. Nomura zufolge ist dabei eine Verkörperung jedoch nicht notwendig: So bezieht er zum Beispiel Computergrafiken in seine Definition eines Roboters ein. Diese erweiterte Definition ist typisch für die gesamtheitlichere Sichtweise, die die japanische Weltanschauung ganz allgemein kennzeichnet. Darauf werden wir später noch eingehen, und es wird uns helfen, die Unterschiede zwischen dem Umgang mit Robotern in Ost und West zu verstehen.

Wenden wir uns nun den verschiedenen Formen zu, die Roboter annehmen können. Neben der von Nomura einbezogenen, nicht verkörperten KI, können Roboter Maschinen, Tieren oder Menschen gleichen – Letztere werden auch Androiden oder bisweilen humanoide Roboter genannt. Ihr Aussehen spielt eine wichtige Rolle dabei, wie wir auf sie reagieren. Roboter, die Menschen in gewisser Weise ähneln, faszinieren und interessieren uns womöglich – wenn sie aber zu sehr nach einem Menschen geraten, irritieren sie uns. Masahiro Mori vom Tokyo Institute of Technology beschrieb diese Veränderung unserer Reaktionen in einem Essay aus dem Jahr 1970, in dem er den Ausdruck „unheimliches Tal“ prägte: Begegnen wir einem Roboter, der „zu menschlich“ aussieht, haben wir Angst davor und unsere Akzeptanz bricht ein.

Was ist an diesem menschenähnlichen Anblick so beunruhigend? Kurt Gray denkt, das Unbehagen werde dann ausgelöst, wenn wir glauben, der Roboter könne fühlen und empfinden, wir ihm also, wie es die Psychologie ausdrückt, mentale Zustände zuschreiben. Grays Arbeit mit Daniel M. Wegner von der Harvard University bestätigt diese Annahme. Forschende konfrontierten Proband*innen mit einer Maschine namens Kaspar. Auf einige Proband*innen, denen eine Filmaufnahme von Kaspars Rückansicht mit sichtbaren Drähten und elektronischen Bauteilen gezeigt wurde, wirkte er maschinenartig. Für die, die ihn in einem Video von vorn sahen, hatte er ein menschenähnliches Gesicht. Dem menschenähnlichen Kaspar gestanden die Proband*innen eher Gefühle zu und fühlten sich durch den Androiden stärker verunsichert als von dem, der einer Maschine ähnelte. Darüber hinaus stellten Gray und Wegner im Umkehrschluss fest, dass die Proband*innen gleichermaßen abgeschreckt waren, wenn sie einem Menschen gegenüberstanden, der als unfähig dargestellt wurde „Schmerz, Freude oder Angst zu fühlen oder anderweitig das zu empfinden, was ein normaler Mensch empfindet“ – was gut erkläre, warum „Menschen“ ohne jegliche Emotionen oft Gegenstand von Horrorfilmen sind.
 

Offenbar entscheidet also das Ausmaß, inwieweit ein Roboter menschlich wirkt, darüber, wie wir auf ihn reagieren. Je menschlicher er uns erscheint – und insbesondere, wenn wir ihn für emotionsfähig halten –, desto größer ist unsere Beklemmung.


Bei Robotern mit einer tierartigen Gestalt, vor allem wenn diese einem Haustier, einem Tierkind oder einem anderen niedlichen Wesen entspricht, trifft das jedoch seltener zu. Solche Objekte werden weithin geschätzt. Eines der erfolgreichsten Beispiele – zumindest in Bezug auf die Unterstützung und den Trost, die er vielen Menschen zu Teil werden lässt – ist Paro, ein therapeutischer Roboter, der einem Sattelrobbenjungen nachempfunden ist. Er wurde von Takanori Shibata am National Institute of Advanced Industrial Science and Technology in Japan entwickelt und kann nachweislich Stress abbauen, Entspannung herbeiführen und die Interaktion zwischen verschiedenen Gruppen von Patient*innen und ihrem Pflegepersonal fördern. Eine kulturübergreifende Untersuchung der Akzeptanz Paros ergab, dass er sich in Großbritannien und Europa einer ebenso großen Beliebtheit wie in Japan erfreut. Vielleicht kommt diese breite Zustimmung nicht überraschend: Haustiere sind für viele Menschen im Westen wichtig und Dr.Nomura erzählte mir, dass Haustiere in Japan sogar als Familienmitglieder betrachtet werden.

Wenn wir also mit einem Roboter konfrontiert werden, wird unsere Reaktion auf ihn von seiner Form beeinflusst. Roboter, die uns als reine Maschinen erscheinen und eine bestimmte Funktion erfüllen, wie zu putzen oder bei Herstellungsprozessen zu helfen, werden im Großen und Ganzen akzeptiert und rufen nur selten eine emotionale Reaktion hervor – solange sie keine Ähnlichkeit mit Menschen haben. Roboter, die wie Kuscheltiere aussehen, sind allgemein willkommen und finden Gefallen. Doch Roboter, die eine menschliche oder menschenähnliche Gestalt annehmen, neigen eher dazu, uns zu verunsichern, wenn auch nicht alle Menschen gleichermaßen.

Und was ist mit uns Menschen? Welche Faktoren erklären, warum wir unterschiedlich auf ein und denselben Roboter reagieren? Der erste Faktor kann eine vorherige Erfahrung sein. Dr. Nomura führt hier ein schönes Beispiel an: Heutzutage hat niemand mehr Angst vor Telefonen, aber noch vor 50 Jahren wurde ein Telefon argwöhnisch beäugt. Auch Computern traten viele Menschen zunächst mit Misstrauen gegenüber, doch mit zunehmender Verbreitung haben wir sie als nützliche Werkzeuge schätzen gelernt.
Nomuras Beobachtung deckt sich mit meiner eigenen Erfahrung als klinischer Psychologin. Wir wissen, dass das völlig Unerwartete bei Kindern am ehesten eine Angstreaktion oder sogar eine Phobie auslöst. Der beste Weg, um ihnen (wie auch Erwachsenen) zu helfen, eine irrationale Angst zu überwinden, ist daher die Desensibilisierung - die schrittweise Gewöhnung an das neue Objekt, die neue Person oder die neue Situation.

Der zweite Faktor, der unsere Reaktion auf Roboter, insbesondere Androiden, determiniert, ist die Art, wie unsere Gesellschaft die von Menschen geschaffenen und natürlichen Entitäten in ihrem Umfeld betrachtet. Frédéric Kaplan vom Sony Computer Science Laboratory in Paris erläutert dies anschaulich in seinem Essay „Who Is Afraid of the Humanoid?“. Kaplan vergleicht die westliche Haltung mit der japanischen. Dabei ist er gut beraten, denn die Einstellungen in der östlichen Welt sind so vielfältig, dass ein effektiver „Ost-West“-Vergleich nicht machbar wäre. 

Die einzigartige japanische Sichtweise ist von der Verbreitung des Shintoismus und Buddhismus geprägt. In beiden Religionen sind die Grenzen zwischen dem Wirken der Natur und dem Schaffen des Menschen fließend. Dr. Nomura hat es treffend formuliert: „Während es im westlichen Denken eine klare Unterscheidung zwischen Natur und Artefakt gibt, ist das in Japan nicht der Fall.“

Im Westen werden Maschinen hergestellt, damit sie uns sowohl unterstützen, als auch dazu beitragen, uns selbst besser zu verstehen. Im Gegensatz zu Japan ist jedoch für uns der Mensch allen anderen Lebewesen überlegen, was wiederum bedeutet, dass wir dazu tendieren, uns vor jeder Maschine zu fürchten, die „besser“ oder kompetenter als wir werden könnte. Die Menschen in Japan, denen dieses Gefühl der Überlegenheit gegenüber Maschinen oder der Natur fehlt, empfinden diese Angst nicht und haben daher keine Vorbehalte gegen modernere, leistungsfähigere Roboter.

Kaplan fasst den Unterschied zusammen: „In der westlichen Welt tragen Maschinen wesentlich zum Verständnis dessen bei, was wir sind. Wir begreifen uns selbst in Analogie zur Funktionsweise von Maschinen. Aber gleichzeitig hinterfragt der technische Fortschritt unsere Sonderstellung. Deshalb können wir gleichzeitig beeindruckt und beunruhigt sein, wenn wir mit neuen Maschinen konfrontiert werden. In Japan hingegen scheinen die Maschinen der Besonderheit des Menschen nichts anhaben zu können. Der Unterschied zwischen dem Natürlichen und dem Künstlichen ist nicht so entscheidend, und Maschinen zu bauen, ist etwas Positives bei der Suche nach den Naturgesetzen, die die Welt regieren.“ [1]
      
Die Robotertechnologie schreitet in einem noch nie dagewesenen Tempo voran. Sie hat das Potenzial, die Menschheit in zahlreichen Bereichen zu entlasten – in der Industrie, im Gesundheitswesen, im Bildungswesen und im Dienstleistungssektor. Wir im Westen können Angstgefühlen aus dem Weg gehen, wenn wir schlichtweg keine Roboter in menschlicher Gestalt konstruieren – doch dadurch schränken wir ihr Potenzial ein.

Oder wir entscheiden uns dafür, unser (unbegründetes) Gefühl der menschlichen Überlegenheit abzulegen und mit Robotern in gleichberechtigter Partnerschaft zusammenarbeiten, in der Form, die für die jeweilige Aufgabe am besten geeignet ist. 

[1] Kaplan, Frédéric, „Who is Afraid of the Humanoid? Investigating Cultural Differences in the Acceptance of Robots“. International Journal of Humanoid Robotics, Band 1, Nr. 3. World Scientific Publishing Company, 2004, S. 14f.
 

Top