24.02.2020 | Jonas Lüscher
Ein Jahr Zeitgeister - was hat sich geändert?


Liebe Freundinnen und Freunde,
 
vor nun gut einem Jahr haben wir unseren Dialog über die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Populismus begonnen und längst sollte ich nun mit einem neuen Beitrag unseren Diskurs in die zweite Runde bringen. Seit Monaten allerdings fällt mir das Schreiben, das literarische und das essayistische, ja, auch das Sprechen schwer. Und wer das Schreiben und das Sprechen verliert, das werdet ihr, liebe Freundinnen und Freunde, sicherlich nur zu gut verstehen, droht auch das Denken zu verlieren. Denn dieser ständig um sich selbst kreisende innere Monolog, der dann bleibt und der weder Ausdruck in nach außen gerichteten Sprechakten noch eine klare Formulierung in verschriftlichter Sprache findet, hat mit Denken sehr bald nichts mehr zu tun und dafür umso mehr mit Prozessen des Verfaulens, Verrottens und Verfallens, die wir aus geschlossenen, organischen Systemen kennen.
 
Meine Verfassung hat natürlich mit der politischen und ökologischen Lage aber nicht zuletzt auch mit unserem Dialog zu tun. Ich will hier den Versuch unternehmen, dieser Krise zu begegnen, die anscheinend nicht nur eine persönliche ist, da viele, die sich in einer mit mir vergleichbaren Lage sehen – welche das genau ist, darüber wird noch zu sprechen sein – , kämpfen mit ähnlichen Gedanken. Ich möchte dieser Krise also begegnen, indem ich zu formulieren versuche, was mich an den Rand des Verstummens bringt.
 
Noch nie ist jemand, der mich persönlich kennt oder meine Bücher und Essays gelesen hat, auf die Idee gekommen, mir übersteigerten Optimismus zu unterstellen. In der Tat begleitet mich zeitlebens ein gewisser Pessimismus, doch mir gelang es noch immer, einen Restoptimismus zu bewahren, ohne den ich wohl kaum Bücher geschrieben oder mich an politischen Diskursen beteiligt hätte. Wozu sollte ich das tun, wenn ich nicht irgendwo, manchmal tief vergraben aber stets vorhanden, die Überzeugung habe, dass sich die Dinge, wenn auch unerträglich langsam, zum Besseren verändern und ich mit meiner Stimme einen Beitrag, möge er noch so klein sein, dazu leisten kann?
 

Das letzte Jahr war allerorten vom Aufbegehren gegen alte, repressive und populistische Kräfte geprägt. Viel ist davon nicht mehr zu hören.

Zusehends fällt es mir aber schwer, diesen Restoptimismus zusammenzukratzen. Das hat in unterschiedlicher Weise mit unserem Thema und unserem Dialog zu tun. Am offensichtlichsten kann ich da ansetzten, wo Maria mit Ihrem Beitrag aus dem Juli des letzten Jahres aufgehört hat, nämlich mit Ihrem ganz vorsichtig geäußertem Optimismus, es tue sich in ihrem Land gerade etwas. Sie hatte von den Demonstrationen in Moskau erzählt, die sich von denen im Jahr 2012 unterschieden, da diesmal eine breitere Bevölkerungsschicht demonstrierte und vor allem weil, so schrieb Maria, viele junge Menschen auf die Straße gingen, ausgestattet mit einem Mut, der Ihr neu erschien. Ich habe aus der Ferne Grund anzunehmen, dass Marias leise Hoffnung enttäuscht wurde.

Von Demonstrationen in Russland höre ich nichts mehr, der von Putin inszenierte Prozess einer Verfassungsreform, geht bislang, zumindest stellt es sich aus Deutschland so dar, mehr oder weniger Widerspruchslos über die Bühne. Deine Hoffnung, Maria, das Land wolle nicht mehr in einer fiktiven Vergangenheit leben, sondern in einer Gegenwart, in der junge, progressive, gesellschaftsliberale Kräfte etwas zu sagen haben, musstest Du einmal mehr in eine fiktive Zukunft verschieben (Widerspruch von Deiner Seite würde ich in diesem Fall dankbar annehmen).

Überhaupt war das letzte Jahr allerorten vom Aufbegehren gegen alte, repressive und populistische Kräfte geprägt. Viel ist davon nicht mehr zu hören. Selbst die Proteste im Iran, die den Beginn des neuen Jahres markierten, sind zumindest in der westlichen Presse kein großes Thema mehr. In den USA wurde der Präsident, der ganz offensichtlich gegen die Verfassung verstoßen hatte, beinahe unisono von den Senatoren seiner Partei freigesprochen, die offenbar ihrerseits kein Interesse daran hatten, als unvoreingenommene, überparteiliche Juroren das ihnen von der Verfassung vorgegebene Amt zu erfüllen. Man hätte annehmen sollen, dass diesem unbeschreiblichen – wenn auch absolut vorhersehbaren – Skandal, Massenproteste demokratischer Bürger folgen werden. Aber auch diese Hoffnung wurde enttäuscht.
 
Es wäre nun ein Einfaches, Seite um Seite mit solch deprimierenden Nachrichten zu füllen. Ich habe ja noch kein Wort über die dramatische Lage im kriegszerrüteten Syrien, im Jemen oder in Libyen verloren, ja, noch nicht einmal über die Krise, die in den letzten Tagen die doch so stabile Bundesrepublik erreicht hat, nachdem in Thüringen – einem der neuen Bundesländer – ein neuer Regierungschef zum ersten Mal mit den Stimmen der rechtsextremen Alternative für Deutschland gewählt wurde. (Dazu muss man wissen, dass die thüringische AfD den absolut rechten Flügel der sowieso schon sehr am rechten Rand agierenden Partei darstellt. Der Landesvorsitzende Björn Höcke, ein antisemitischer und antimuslimischer Geschichtsrevisionist, darf nach einer verlorenen Unterlassungsklage mit richterlichem Segen als Faschist bezeichnet werden). Die thüringischen, konservativen Christdemokraten (CDU) und die Wirtschaftsliberalen (FDP) fanden es offenbar das kleinere Übel, auf die Unterstützung der AfD zurückzugreifen, als einen linken Ministerpräsidenten zu akzeptieren. Zumindest wurde dieser Vorgang in der breiten Bevölkerung und auf Ebene der Bundespolitik als Tabubruch erkannt – denn eigentlich existierte ein parteiübergreifender Konsens, dass niemand mit der AfD gemeinsame Sache machen darf. Dies ist ein Konsens, der aus einem Geschichtsbewusstsein erwuchs, denn es gilt heute als unbestritten, dass genau solches Paktieren der konservativen Kräfte in den späten Zwanziger- und frühen Dreißigerjahren die Machtübernahme der Nationalsozialisten ermöglicht hat.

Zwar ist der frisch gewählte Thüringer Regierungschef unter dem Druck der eigenen Bundespartei bereits wieder von seinem Amt zurückgetreten, dieser Vorgang wird dennoch als eine Art Dammbruch bewertet und hat die deutsche Politik, vor allem die Partei der Kanzlerin (CDU), in eine tiefe Krise gestürzt, die das Land vermutlich für lange Zeit beschäftigen wird und bereits jetzt auf eine turbulente und höchst fragile Nach-Merkel-Ära hinweist.
 

Insgeheim waren wir überzeugt, dass die Dinge besser werden. (...) Freiheit und Solidarität weiteten sich in kleinen Schritten aus, die Demütigungen und Grausamkeiten wurden weniger.


Ihr seht, mein Pessimismus speist sich aus Beispielen der großen Geopolitik bis zu den Details der deutschen Landespolitik. Ich will aber versuchen, die Ursache für meine Verunsicherung etwas allgemeiner zu fassen. Es scheint mir, dass mehrere Generationen im Westen, angefangen bei der Nachkriegsgeneration meiner Eltern, in einer Art links-liberalen Selbstgewissheit gelebt haben. Insgeheim waren wir überzeugt, dass die Dinge besser werden, dass wir uns zwar in einem ständigen Ringen gegen reaktionäre Kräfte befinden, wir uns aber in diesem oft mühsamen Kampf im Grunde genommen auf der Seite der Sieger befinden. Die Ungerechtigkeit in unseren Gesellschaften war langsam aber stetig am Abnehmen, die Gleichberechtigung der Geschlechter auf dem Vormarsch, die Rechte von Homosexuellen wurden selbstverständlicher, die Gesellschaften egalitärer, offener, säkularer und diverser, das Heroische mehr und mehr lächerlich und unverständlich, der Sozialstaat ausgebaut, die Sexualmoral weniger rigide, die Nationen einander – zumindest in Europa – freundlicher und friedlicher gesinnt… Kurz: Freiheit und Solidarität weiteten sich in kleinen Schritten aus, die Demütigungen und Grausamkeiten wurden weniger.
 
Better, better, what now?
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Nicht dass wir das Gefühl hatten, alles sei in bester Ordnung. Nein, es gab noch viel zu tun; vor allem im globalen Maßstab. Natürlich hatten wir gelegentliche kleinere Rückschläge einzustecken. Der Kampf musste ständig geführt werden, aber es ging vorwärts. Die Dinge veränderten sich im Großen und Ganzen zu dem, was wir für besser hielten. Die Gewissheit war so groß – ich gestehe es, auch auf das Risiko, dass man mich naiv nennen wird –, dass zumindest ich behauptet hatte, dass es während meiner Lebzeit ziemlich sicher zu keinem Krieg in Europa mehr kommen würde. Dieses liberale Selbstverständnis ist zutiefst erschüttert. Ich glaube, zumindest für mich ausmachen zu können, in welchem Moment diese Gewissheit, die natürlich bereits seit Längerem wenn auch kaum bemerkbar bröckelte, so dass sie sich ohne größere Verrenkungen verdrängen ließ, einen nicht mehr zu ignorierenden Schlag versetzt bekam. Mein liberales Selbstverständnis brach zusammen, als im Frühjahr 2014 Russland die Krim annektierte. Für andere mag es ein anderer Moment gewesen sein, vielleicht der Brexit, vielleicht die Wahl Trumps, vielleicht ein Ereignis, das in meinem deutschen Blickwinkel gar nicht auftaucht. Für mich war es die Annexion der Krim. Plötzlich war die Möglichkeit eines großen Krieges auf dem europäischen Kontinent nicht mehr einfach so von der Hand zu weisen. Noch viel wichtiger scheint mir aber, dass sich in diesem Moment das alte Muster einer rücksichtslosen Geopolitik der Stärke zurückmeldete, das wir gerade, und das klingt aus heutiger Sicht vielleicht wirklich naiv, aber so fühlte sich das damals an, mit der Präsidentschaft Obamas, überwunden hofften. Es zeigte sich deutlich, dass der liberale Westen dieser unverfrorenen Gewalttätigkeit nichts entgegenzusetzen hatte. Da war er wieder: der alte stiernackige, grauenhafte Maskulinismus. Die breitbrüstige Grobheit. Die feixende, antiintellektuelle Männlichkeit. Der dümmliche Heroismus.
 
Sicher, ganz verschwunden war dieser grobe Maskulinismus nie. Aber für eine Weile hatte er ein etwas weniger bedrohliches Gesicht; zum Beispiel das Berlusconis, eine geschminkte und gepuderte Visage mit einem bleckenden Kaimanlächeln, das falsche, weißstrahlende Zähne freilegte. Berlusconi mit seinem gemalten Haaransatz und seinen Bunga Bunga Partys - das hatte auch etwas Lächerliches, weil ihm so offensichtlich etwas Dinosaurierhaftes anhing. Wir hatten es mit einer aussterbenden Spezies zu tun, die sich mit letzter Kraft auf das gefärbte Brusthaar trommelte.

Die offensichtliche Wiederkehr des stiernackigen, groben Maskulinismus, wie ihn Putin verkörpert und in seinem Gefolge Erdogan und Bolsonaro, und auf seine eigene, fernsehshowhafte Art Trump, verunsichert und frustriert mich zutiefst.
 
Das hängt auch mit dem zweiten Grund zusammen, der mich über das Verstummen nachdenken lässt. (Für einen, der vom Verstummen spricht, so könnte man jetzt denken, ist er aber ganz schön beredt. Und in der Tat, was ich hier tue, ist eine ordentliche Hofmannsthalsche Verrenkung, der seinen Lord Chandos in einem Brief aufs eloquenteste über seine Sprachkrise schreiben ließ. Ich habe aber die Hoffnung, dass ich am Ende meines Briefes an Euch diesen Widerspruch etwas auflösen kann.)
 
Der zweite Grund also hat auch mit Yvonnes Brief vom letzten Mai zu tun. Sie begann ihren Brief mit einem Geständnis. Sie schreibe aus einer Position, die sie als schadenfreud‘sch beschrieb. Und dann erklärte sie:
 

„Der Ort, der Raum und die Zeit, die das Thema hervorbrachten; die Tatsache, dass man ein Geschöpf aus einer jener nachaufklärerischen, von der Welt erdachten Alteritäten ist, der Orte, deren tatsächliche Existenz- und Bedeutungsnarrative überschrieben und dann anderswo beharrlich neugestaltet worden sind, mit einer auferlegten Sprache, die nicht von ihnen stammt, deren Lebenserfahrungen als „exotisch“ oder „absurd“ behandelt werden, deren Erleben des sogenannten „Populismus“ als menschliche Anomalien abgetan wurden und nicht als Anzeichen dafür, was sich in jeder menschlichen Gesellschaft und zu jeder Zeit entfalten kann; deren Bevölkerung zu lange endlose Predigten von mehrheitlich europäischen oder amerikanischen weltlichen Missionaren erduldet hat, die ihnen die Vorzüge einer säkularen Dreifaltigkeit aus „Demokratie“, „Menschenrecht“ und „Rechtsstaatlichkeit“ darlegten, und die in vergeblicher, zorniger Hilflosigkeit zusehen musste, wie jene unheilige Dreifaltigkeit Ländern wie Irak, Libyen oder Afghanistan von ähnlich gesinnten Predigern gewaltsam auferlegt worden ist und das ohne jedes Verständnis für die Ironie, dass Millionen Menschen dabei den Tod fanden und finden … nun, da ich von so einem Ort stamme … bin ich zutiefst erstaunt über die Vielfalt des menschlichen Widerstands, der sich gegen das, was einst als Zustand einer „progressiven“, „normalen“ Weltordnung verstanden wurde, regt.“

Diese Bemerkung Yvonnes hat mich in den letzten Monaten nicht mehr losgelassen. In Variationen ist sie mir immer wieder begegnet, in Texten anderer Autorinnen und Autoren und in privaten Gesprächen. Sie hat massiv zu meiner Verunsicherung beigetragen. Ist nicht vielleicht, so musste ich mich fragen, meine Perspektive – die eines weißen, mitteleuropäischen Mannes, materiell sorgenlos, in einen Akademikerhaushalt hineingeboren, selbst geisteswissenschaftlich gebildet, das heißt, in seinem Denken zutiefst in der europäischen, humanistischen Tradition verwurzelt, unüberwindbar geprägt durch die Denker der Antike, der Aufklärung, des Liberalismus, der Sozialdemokratie –mehr Teil des Problems als der Lösung? Ist meine Stimme einfach gerade gar nicht gefragt? Und das meine ich, das muss ich betonen, keinesfalls beleidigt oder narzisstisch gekränkt. Es wuchs in mir der Verdacht, ich sei, gefangen in meiner intellektuellen Prägung, meinem Denkstil und meiner Denkgemeinschaft verpflichtet, vielleicht gar nicht mehr in der Lage, die Probleme, über die wir hier sprechen, sinnvoll zu analysieren, und schon gar nicht, Auswege aus der Misere zu erkennen, die bereits vorgedachte Pfade verlassen.
 
Too certain?
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Wer sich diese Frage stellt, muss sich konsequenterweise auch die Frage stellen, ob er nicht einfach besser verstummen sollte, um nicht – wenn auch unbeabsichtigt und mit guten Intentionen – den Diskurs zu füttern, den man eigentlich bekämpfen möchte oder um wenigstens für jene Stimmen Platz zu machen, die aus einer anderen Perspektive berichten und die zu wenig gehört werden?
 
Wie ihr sehen könnt, habe ich mich nach langem Ringen doch anders entschieden und diesen Brief in Angriff genommen. Einen großen Anteil an dieser Entscheidung hatten ein paar Sätze aus dem Roman Die kalte Schulter des Schweizer Schriftstellers Markus Werner, den ich nach vielen Jahren wiedergelesen habe. In diesem Roman aus den Achtziger Jahren fährt der Protagonist, der Maler Moritz Wank, der sich in einer Schaffens- und Lebenskrise befindet, über Land und kommt in die Nähe seines Heimatdorfes. Auf einer Wiese sieht er einen Baum, an dem sich vor vielen Jahren sein Studienfreund erhängt hatte – der Suizid ist, gerade als literarischer Topos, die konsequenteste Form des Verstummens. Wank nimmt einen imaginären Dialog mit seinem verstorbenen Freund auf. Er stellt sich vor, dieser frage ihn, was er denn in all den Jahren verpasst habe. Wank antwortet: „Viel Heiteres sei seit seinem Suizid nicht geschehen, rasch hätten sich die Stiernackigen vermehrt und für Zuwachs an Unheil gesorgt“. Und dann sagt Wank: „Alles, was dich bedrängte, ist noch da, und doch hättest du bleiben müssen, ja, du hast vieles verpasst, du fehlst uns, und jeder Freitod stärkt das Lager der Büffel“.
 

Wer verstummt, stärkt das Lager der Grobschlächtigen und Grausamen. Wir müssen unsere Stimmen einsetzen, um eine bestimmte Art des Sprechens am Leben zu erhalten.

 
Dieser letzte Satz – ich lese ihn als: Jedes Verstummen stärkt das Lager der Büffel –, erschien mir in meiner Lage wie ein Auftrag. (Ich schiebe hier einen kleinen Exkurs ein, um interkulturellen Missverständnissen vorzubeugen: In der deutschen Sprache steht der Büffel oder der Stier – und auch das schöne Wort Stiernackigkeit – für das Dumpfe, Grobe, Brutale, Maskulinistische, also für die Bolsonaros, Trumps, Erdogans, Orbans, Höckes und Putins dieser Welt.) Wer verstummt, stärkt das Lager der Grobschlächtigen und Grausamen. Wir müssen unsere Stimmen einsetzen, um eine bestimmte Art des Sprechens am Leben zu erhalten. Um darauf zu bestehen, dass das faktengestützte Argument einen Wert besitzt, dass die Sprache nicht missbraucht werden darf, um zu demütigen und Brutalität zu rechtfertigen.
 
Ich kann nicht behaupten, durch diese wiedergewonnene Überzeugung habe sich meine geschilderte Verunsicherung in Luft aufgelöst und die vielen Fragen, die sich mir stellen, seien damit beantwortet. Nein, ich denke schon, dass ich über viele erschütterte liberale Selbstgewissheiten neu nachdenken muss. Die Frage nach der Perspektive, der Repräsentanz, des Feststeckens in einer Diskursgemeinschaft ist damit natürlich auch nicht gelöst. Was das angeht, wird auch Nachdenken nicht reichen, sondern dort wird es eher aufs Zuhören ankommen.
 
In meiner gegenwärtigen Lage kann ich nur eine Sache mit Sicherheit aussprechen: Grausamkeit muss verhindert werden. Und am Ende dieser Zeilen habe ich doch wenigsten wieder so viel Restoptimismus zusammengekratzt, dass ich glaube, dass wir mit unseren Stimmen einen kleinen Beitrag dazu leisten können und sei es nur, dass wir damit nicht den Platz den Büffeln räumen.

Es bestärkt mich, dass auch Carol in ihrem letzten Brief zu einem ähnlichen Schluss kommt. Und ich erlaube mir zu glauben, auch Ágnes wäre mit mir einverstanden gewesen.
 
Es grüßt Euch herzlich und leise restoptimistisch,
Jonas
 
 

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