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Erinnerung an Giwi Margwelaschwili

Giwi Margwelaschwili Goethe-Institut Georgien

Besonders eindrücklich war seine Stimme. In Giwi Margwelaschwilis Tonfall, in seinem Lachen, in seinem in die Konversation eingestreuten „Sehen Sie, mein lieber Herr“ war der Sound eines geistig weltläufigeren, eleganteren, eloquenteren Jahrhunderts gegenwärtig. Diese Stimme kam aus einem geträumten (erinnerten) Berlin, in dem der Philosoph Walter Benjamin, der Verleger Samuel Fischer, die Modefotografin Yva, der Jazzmusiker Eric Borchard und der grosse Kurt Tucholsky noch lebten. Während meiner Zeit in Georgien war ich vielleicht ein Dutzend Mal zu Gast in Margwelaschwilis Wohnung. Sie bestand aus zwei kleinen Zimmern und lag am Grund eines weitläufigen, von alten Bäumen verdunkelten Hinterhof. Es gab dort Mülltonnen, Eichhörnchen, Eisengeländer, Pfützen. Ein halb unterirdischer Zigarettenkiosk bewachte den Eingang in die Innenwelt des Häuserblocks. Die sozialistische Rhetorik des in der Stalinzeit entstandenen Boulevards war hier nachgedunkelt in eine urban entspannte und ein bißchen verschlampte Atmosphäre. Man klingelte, seine Haushälterin öffnete, und man betrat eine Zeitkapsel und Echokammer des alten Europa. Meine Gespräche mit Giwi Margwelaschwili in den beiden Zimmern voller Bücher, Zeitschriften und Papierstapel pflegten sich jedesmal derart anregend zu gestalten, dass ich mir angewöhnt hatte, nach der Bewirtung in seiner kleinen Küche (Rotwein, gegrilltes Huhn, georgische Vorspeisen) mit meinem Tagebuch sofort in das Bistro „Tartine“ im Vorderhaus einzukehren, um mir über einem Cappucino in aller Eile zu notieren, was mir von seinen Monologen und meinen assistierenden Einwürfen noch in Erinnerung war.

Margwelaschwili war ein origineller und geistvoller Vertreter der europäischen 20er-jahre-emigrazija - als Philosoph, Jazzfan, Romancier und Dissident. Er war einer der letzten Bürger einer untergangenen Welt. Geboren wurde er 1927 in Berlin. Sein Vater, der georgische Philosoph und Historiker Tite Margwelaschwili, hatte nach der Eroberung des nach der Oktoberrevolution ein paar Jahre lang sozialdemokratisch ("menschewistisch") regierten Georgien durch die Rote Armee 1921 das Land verlassen und lehrte an der Berliner Universität. Nach der Eroberung Berlins wurde Tite Margwelaschwili vom sowjetischen Geheimdienst nach Tiflis verschleppt und 1946 dort ermordet. Auch der damals achtzehnjährige Giwi musste ins kommunistische Georgien zurück und arbeitete dort zunächst als Dozent für Deutsch und Englisch an dem Spracheninstitut, aus dem die Ilia-Universität hervorgehen sollte. 1971 ergab sich eine glückliche Wendung. Der noch ziemlich junge Mann wurde Mitglied des Philosophischen Instituts der Georgischen Akademie der Wissenschaften. Das war damals paradoxerweise einer der besten Orte für einen unabhängigen Intellektuellen - nicht nur in der Sowjetunion, sondern vielleicht überhaupt auf der ganzen Welt. Unter der Leitung des Philosophen Niko Tschavtschavadze waren hier phänomenologische Forschungsrichtungen aus den frühen zwanziger Jahren lebendig geblieben, Traditionen der philosophischen Anthropologie und andere offiziell als „bürgerlich“ verpönte Denkansätze. Tschavtschavadze war mit amerikanischen Denkern im Kontakt, ließ sich den marxistisch-christlichen Dialog angelegen sein lassen und verantwortete - von den herrschenden Autoritäten offenbar ziemlich unangefochten - ein Biotop des freien Denkens und der unabhängigen philosophischen Forschung am südlichen Rand des kommunistischen Weltsystems. Von den philosophischen Akademie-Mitgliedern wurde als Gegenleistung für ihr Gehalt nur verlangt, pro Jahr einen einzigen philosophischen Aufsatz zu publizieren. Unter diesen (für einen Intellektuellen nahezu idealen) Bedingungen entstand nun seit den siebziger Jahren ein literarisches und philosophisches Werk, das in seiner Seltsamkeit, Originalität und intellektuellen Brillanz die Isoliertheit seines Entstehungsort ebenso widerspiegelt wie die materiell und sozial komfortable, politisch aber prekäre historische Situation seiner Entstehungszeit. In der geistigen Landschaft der Bundesrepublik steht es heute einsam, wenn auch unübersehbar da.

Als Denker arbeitete Margwelaschwili, inspiriert durch Heidegger, an einer Art Zwei-Reiche-Lehre über das Verhältnis von Logik und Ontologie. Die sowjetische Staatsphilosophie hatte die „Grundfrage der Philosophie“, wie Friedrich Engels in seinem Aufsatz über „Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie“ 1886 das Verhältnis von Denken und Sein charakterisierte, ex kathedra „materialistisch“ beantwortet: Logik folgt dem Sein als „Widerspiegelung“. Margwelaschwili beerbte dieses Grundverhältnis, indem er es zugleich in interessanter Weise, ideologiekritisch und literaturtheoretisch nämlich, aufweichte. Die gültige Formulierung des Zusammenhangs zwischen Logik und Ontologie behielt er seinem philosophischen Hauptwerk vor, an dem er in jenem weiten, baumbestandenen Hof in den letzten Jahrzehnten täglich gearbeitet hat. Es ist bis heute unveröffentlicht. Was ich aus meinen Gesprächen mit ihm verstanden und mitgenommen habe, läßt sich so zusammenfassen: Der Gegenstand der Ontologie, das Sein, ist für Margwelaschwili tatsächlich der vorgängige, eigentliche, lebendige und sozusagen grundlegende Bereich, dem er sich mit phänomenologischen und existenzphilosophischen Methoden annähert. Gleichzeitig aber spricht er dem Gegenstand der Logik, dem Denken, eine ontologische Dignität, eine Art Mitarbeiterstatus an den Verhältnissen und Paradoxien des Seins zu. Hier kommt die Literatur ins Spiel. Margwelaschwili hat die seltsame, auf den zweiten Blick jedoch außerordentlich fruchtbare und brauchbare Idee ausgearbeitet, daß reale Personen und Konstellationen durch logische Konstrukte - konkret gesprochen: durch Bücher - gesteuert sind. Wirkliche Personen sind „Buchpersonen“, literarische Erfindungen, deren logische Substanz gleichzeitig auf verschiedene Weise in die Wirklichkeit übertritt.

Dieser Gedanke stammt, soweit man sehen kann, aus der frühromantischen Entstehungszeit des Deutschen Idealismus zwischen Schlegel, Fichte, Hölderlin und Hegel, als eine Art Seitenzweig der komplexen intellektuellen Beschleunigungsbewegung, die mit Hegels „Phänomenologie“ ihren Abschluß fand. Die Häresie Margwelaschwilis ("die Margwelaschwili-Vermutung") bestand darin, hinter Hegel zurückzugehen in die fruchtbaren und sozusagen bis zur Narrheit radikalen intellektuellen Biotope der letzten Jahre des achtzehnten und der ersten des neunzehnten Jahrhunderts. Er kam von dort zurück mit der paradoxen Idee einer literarischen Ontologie. "Endlich fiel ihm ein Buch in die Hände", heißt es in Novalis' "Heinrich von Ofterdingen", einem fragmentarischen und erst posthum erschienenen Künstlerroman der Frühromantik aus den Jahren 1800 bis 1802, "das in einer fremden Sprache geschrieben war, die ihm einige Ähnlichkeiten mit der Lateinischen und Italienischen zu haben schien. Er hätte sehnlich gewünscht, die Sprache zu kennen, denn das Buch gefiel ihm vorzüglich, ohne daß er eine Sylbe davon verstand. Es hatte keinen Titel, doch fand er noch beym Suchen einige Bilder. Sie dünkten ihm ganz wunderbar bekannt und wie er recht zusah, entdeckte er seine eigene Gestalt ziemlich kenntlich unter den Figuren. Er erschrak und glaubte zu träumen, aber beim wiederholten Ansehen konnte er nicht mehr an der vollkommenen Ähnlichkeit zweifeln. Eine große Zahl von Figuren wußte er nicht zu nennen, und doch deuchten sie ihm bekannt. Gegen das Ende kam er sich größer und edler vor."

Auch in Margwelaschwilis Büchern treten literarische Figuren in die Wirklichkeit über und reale Personen verwandeln sich - besonders eindrucksvoll die eigene Gestalt in seiner Autobiographie „Kapitän Wakusch“ - in Figuren der Literatur. Logik wirkt literarisch an Ontologie mit und Ontologie offenbart sich logisch-ästhetisch - in Mythen, Literatur, Ideologie. Und in der Politik. Im Schatten seiner Bibliothek in allen europäischen Sprachen führte Margwelaschwili irgendwann im Jahr 2015 den Untergang der Sowjetunion - in der beiläufigen Art, in der er seine überraschendsten Gedanken zu äußern pflegte - darauf zurück, daß hierzulande damals Logik vor Ontologie gestellt worden sei und das Denken die Wirklichkeit zu überwinden versucht habe. Es war ein Gedanke, der auf Margwelaschwilis verschwiegene materialistische Orthodoxie verweist und an die Grundidee von Martin Malias Klassiker „Vollstreckter Wahn. Russland 1917 - 1991“ denken läßt (Margwelaschwili kannte das Buch nicht). Denn für Margwelaschwili war, so sehr er die aktive und selbständige Rolle des Denkens betonte, das Sein das Eigentliche. Den konstruktivistischen Grundzug des American Pragmatism lehnte er ab. „Das hat schon was“, sagte er über Richard Rorty einmal, als wir in seiner Küche eine Flasche Khwantschkara leerten und Khatschapuri aßen, „bloß was es hat, ist eben viel zu wenig.“

Mit Martin Heidegger dagegen befand er sich seit den fünfziger Jahren in einem intensiven ontologischen Geistergespräch. Unvergesslich ist mir das so gelassene wie atemberaubende Selbstbewusstsein des gebrechlichen alten Herren, der mir an einem dieser denkwürdigen Gespräche darlegte, welche von Heidegger in „Sein und Zeit“ nicht bearbeiteten Probleme er, Giwi Margwelaschwili, inzwischen abschließend geklärt habe. Er hatte in Georgien jahrzehntelang nur sehr wenige lebendige Gesprächspartner gehabt. Wie ein einsames Kind (sein Stil ist eine seltsame Mischung aus Kindlichkeit und Hyperintellektualität) erschuf er sich deshalb seine Spielkameraden selber. Sie hiessen Platon, Aristoteles, Heidegger, Husserl. Es ist deshalb nicht zum Erstaunen, dass Margwelaschwilis großes literarisches Thema die Lebendigkeit und Wirklichkeit in Literatur vorkommender Personen gewesen ist. Für ihn waren Ideen und literarische Figuren eben tatsächlich lebendige Gegenwart. Die Theorie der „Buchpersonen“ war seine Form des Naturalismus. Ich glaube, das liegt daran, dass ihm lebenslang Philosophie und Literatur auch menschlich näher waren als die konkreten sozialen Milieus, in die es ihn im Verlauf des letzten Jahrhunderts gewaltsam verschlagen hatte.   
          
Wenn ich heute an Giwi Marghwelaschwili denke, tritt mir eine Vergangenheit vor Augen, in der wie in einer russischen Matrjoschka eine noch fernere Vergangenheit verborgen ist. In den Hinterhoflandschaften und platanenbestandenen Boulevards des Tbilissi der Zehnerjahre sind mir die Berliner Zwanzigerjahre erschienen, wenn ich Giwi Margwelaschwilis Stimme hörte, seine Ideen nachzuvollziehen versuchte und in seinen Gesten las. Die Begegnung mit einer vergangenen Epoche hatte eine fast körperliche Evidenz. Aber die Stadtlandschaft des alten Tbilissi ist ja seinerzeit schon auf einer sich rasant beschleunigenden Reise in die Vergangenheit. Das Bistro "Tartine" im Vorderhaus hat schon 2017 zugemacht. Die Strasse, in der ich damals ein paar Treppen hangaufwärts gewohnt habe, ist bei meinem Besuch im letzten Jahr kaum noch wiederzuerkennen gewesen. Der Boulevard vor dem Hinterhof, wo Margwelaschwili gewohnt hat, erstickt im Stau. Das urbane Gewebe Tbilissis zerfasert unter der Wucht von Spekulation, Machtarchitektur und schlechtem Geschmack. Am letzten Freitag ist auch die kultivierte, elegante, altmodische und zutiefst liberale Stimme, der ich in meiner georgischen Zeit so gern zugehört habe, für immer verstummt. Nur wenn ich in meinen Tagebüchern nachlese, was ich über unsere damaligen Gespräche aufgeschrieben habe, höre ich sie für ein paar Momente wieder ganz deutlich.
 
Stephan Wackwitz
Berlin, am 14.03.2020
 
 
 

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