Der letzte Satz

Robert Seethaler: Der letzte Satz. © Hanser Berlin Verlag Robert Seethaler: Der letzte Satz. Roman
Berlin: Hanser Berlin Verlag, 2020, 128 Seiten.


Gustav Mahler, allein an Deck eines Schiffes, das ihn von Amerika nach Europa bringt, tagelang in eine Wolldecke gewickelt, eine Tasse Tee in der Hand, auf das Vergangene zurückblickend, in einem Versuch, ein Leben zu rekonstruieren – während der Tod lauert. Das ist der fiktive Rahmen des kurzen, siebten Romans von Robert Seethaler (geb. 1966) – auf Griechisch wurden schon Ein ganzes Leben (Utopia-Verlag, 2017) und Der Trafikant (Potamos-Verlag, 2018) veröffentlicht. Im vorliegenden Roman entwirft der österreichische Autor ein existenzielles, berührendes Porträt des berühmten Komponisten. Die Gedächtnis-Ausgrabungen mit Blick aufs Meer bringen eine Vielfalt von Szenen ans Licht, die die früheren Jahre geprägt hatten und nun im Kopf des Protagonisten (und der Leser*innen) wie ein Film vorbei ziehen. Generell hat das Buch eine filmische Beschaffenheit – zu der auch die Erzählung in der dritten Person beiträgt; der Autor scheint gut die Flashback-Technik zu beherrschen. Die Handlung in der Gegenwart ist zwar rudimentär, da sie sich auf die kurzen Gespräche zwischen Mahler und einem Schiffsjungen beschränkt, funktioniert aber in ihrer rührenden Schlichtheit kontrapunktisch zum Hauptstrang der Erzählung. Mit seinen kurzgefassten Sätzen und dem kompakten Rhythmus seiner Prosa erweist sich Seethaler noch einmal als Meister der knappen Formulierung und der Verdichtung. 

Marina Agathangelidou © Marina Agathangelidou Von Marina Agathangelidou
Marina Agathangelidou, geboren 1984 in Athen, lebt in Berlin. Sie studierte Theaterwissenschaft und literarisches Übersetzen in Athen und promovierte anschließend am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin. Seit 2006 ist sie als freie Übersetzerin tätig.


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Hanser Berlin Verlag