Bauhaus 19 Judith Raum: Ravelled Fabrics: an artistic perspective on Otti Berger's work

Frauen in Bauhaus ©privater Archiv Monika Stadler

Mo, 08.04.2019

18:00 Uhr

Zagreb

Gemeinsames Portrait, von rechts: Gertrud Preiswerk, Bella Broner, Otti Berger, Ruth Damb

Vortrag

Performance Lecture von Judith Raum (DE), Künstlerin und Kultur-
theoretikerin, die die Lebens- und Kunstgeschichte der bedeutenden kroatischen Bauhaus-Schülerin, Webereileiterin und Auschwitzopfer Otti Berger durch ihre eigene Stimme erzählt.

Einführung: Frauen im Bauhaus von Vesna Meštrić, MSU (Museum für zeitgenössische Kunst)

 
Die Textilgestalterin Otti Berger war neben Gunta Stölzl und Anni Albers eine der zentralen Figuren der Textilwerkstatt des Bauhauses Dessau. Bauhaus-Gründer Walter Gropius ging so weit, ihre Stoffentwürfe für die Industrie als die vollkommenste Umsetzung der Bauhausidee zu bezeichnen. 1898 in Zmajevac, Baranja, heute Kroatien, geboren, kam sie nach Studien an der Kunstakademie Zagreb 1927 ans Bauhaus, absolvierte den Vorkurs unter Moholy-Nagy, in dem sich bereits ihr ausgeprägter Sinn für taktile Materialqualitäten zeigte, und trat anschließend in die Textilwerkstatt ein. Ihre Entwürfe für Gebrauchsstoffe wie Polstermöbel-, Vorhang- und Wandspannstoffe waren bewusst an industriellen Produktionsbedingungen orientiert und setzten innerhalb der Textilwerkstatt des Bauhauses neue Maßstäbe hinsichtlich der Verbindung von experimentellen Prozessen am Handwebstuhl und industriellen Arbeitsabläufen. In mehreren theoretischen Texten verhandelte sie die spezifischen Eigenheiten unterschiedlicher Gebrauchsstoffe und schrieb über die Beziehung zwischen Stoffen und Architektur. Nach ihrem Diplom 1930 arbeitete Berger einige Zeit in der Textilindustrie und unterrichtete parallel unter Lilly Reich in der Textilwerkstatt des Bauhauses, bis sie schließlich im Herbst 1932 ein eigenes Atelier für Textilien – von ihr selbst als ‚Laboratorium’ bezeichnet – in Berlin eröffnete. Eine Phase enger Zusammenarbeit mit innovativen Textil - und Inneneinrichtungsfirmen wie De Ploeg in Holland oder Wohnbedarf AG in der Schweiz folgten. Otti Berger setzte die Nennung ihres Namens beim Vertrieb ihrer Stoffe durch und meldete für mehrere ihrer Gewebe eigene Patente an. Internationale Fachzeitschriften publizierten über ihre Stoffentwürfe, die sich jeweils durch ungewöhnliche Materialkombinationen und funktionell durchdachte, den Stoff optisch strukturierende Bindungen auszeichneten. Die Reichskulturkammer entzog Otti Berger 1936 aufgrund ihrer jüdischen Abstammung jedoch die Arbeitserlaubnis im deutschen Reich. Es gelang Berger in der Folge nicht, in England beruflich Fuß zu fassen oder nach Amerika zu emigrieren. Nach der Rückkehr zu ihrer Familie in ihre Heimat Kroatien 1938 sollte es ihr nicht mehr gelingen, das Land zu verlassen. Sie wurde 1944 in Auschwitz ermordet. 
  
(Text von Judith Raum als Ankündigung ihres Vortrags am 8.4.2019 im MSU.)
 
Judith Raum lebt und arbeitet in Berlin. Nach ihrem Kunststudium in Frankfurt am Main und New York schloss sie 2006 ihren Magister der Philosophie, Kunstgeschichte und Psychoanalyse an der Universität Frankfurt mit Auszeichnung ab. Ihre Arbeit sucht die Symbiose aus künstlerischen und wissenschaftlichen Formaten, umfasst Performance Lectures, künstlerische Arbeiten, die auf detaillierter Recherche basieren, und ästhetische Auseinandersetzungen mit philosophischen Fragestellungen. Ihre Publikation eser ist 2015 bei Archive Books erschienen.
 

Das Projekt Bauhaus 19 zum 100. Bauhaus-Jubiläum, wird in Zusammenarbeit mit der Arhitektonischen Fakultät in Zagreb und dem Museum für zeitgenössische Kunst Zagreb realisiert.

 
 

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