#Beuys100 WER HAT ANGST VOR JOSEPH BEUYS?

Vizual #Beuys100 / I Like America and America Likes Me © Lara Glavić Končar / Joseph Beuys /VG Bild 2021 Vizual #Beuys100 / I Like America and America Likes Me © Lara Glavić Končar / Joseph Beuys /VG Bild 2021

Di, 01.06.2021

19:00 Uhr

Zagreb

Online Panel

Die Teilnehmer der Online-Paneldiskussion Catherine Nichols (künstlerische Leiterin des beuys2021 Projektes) und Prof. Timo Skrandies (Institut für Kunstgeschichte der Heinrich Heine Universität Düsseldorf, Herausgeber des Joseph Beuys-Handbuchs) besprechen das „revolutionäre Potenzial“ von Beuys' Nachlass und stellen die Veranstaltungen vor, die zum Ehren seines 100. Geburtstags in Deutschland stattfinden. Kuratorin und Forscherin Ivana Meštrov übernimmt die Moderation. Das Gespräch wird in englischer Sprache geführt.

Das Gespräch findet über die Zoom-Plattform statt und wird live auf den Facebook-Seiten des Subversive Festivals und des Goethe-Instituts Kroatien übertragen.

ZOOM LINK: https://us02web.zoom.us/j/87651546613?pwd=YTladXdTdTZreStzblF3bWUvbFhaZz09 

Meeting ID: 876 5154 6613
Passcode: 100

Das Online-Panel, das vom Subversive Festival und Goethe-Institut Kroatien organisiert wird, ist die letzte Veranstaltung aus der Beuys gewidmeten Veranstaltungsreihe im Rahmen des Projektes Visuelle Konstruktion des Politischen: 100 Jahre Beuys.
 
Joseph Beuys (1921 – 1986) ist einer der einflussreichsten und umstrittensten Künstler des 20. Jahrhunderts. Sein Konzept der sozialen Skulptur machte den Weg für sozial engagierte Kunst frei, die auf dem Glauben beruht, dass Kunst ein gesellschaftswandelndes Potenzial besitzt. Beuys war einer der ersten Künstler, der Umweltprobleme systematisch thematisiert hat, der Schwerpunkt seiner Aktionen liegt häufig auf der Neuinterpretation des Demokratiebegriffes. Beuys spielte eine wesentliche Rolle bei der Erweiterung des Kunstbegriffes auf den Bereich der sozialen Beziehungen und der Ökologie. Seine Idee der sozialen Skulptur, so utopisch sie auch sein mag, ist heutzutage immer noch relevant und radikaler als je zuvor in den Werken von vielen jungen Künstlern und Gruppen zu finden.
 
Beuys' öffentliche und künstlerische Arbeit ist oft von dem Charisma und der mystischen Symbolik des Autors nicht zu trennen. In seiner Arbeit beschäftigt er sich oft mit sozialen Traumata und dem Heilungsprozess, den er als den Austausch zwischen der Gesellschaft und dem Künstler sieht, der ihr „seine Wunden zeigt“ und dadurch eine fast messianische Rolle einnimmt. Ist sein Werk ein Aufruf zur Revolution der Konzepte und zur Versöhnung mit der belastenden deutschen Vergangenheit, oder ist Beuys, wie der Kunsthistoriker Benjamin H. D. Buchloh behauptet, nur ein „Meister der Unterdrückung, der mit Hilfe von Mystik und Scharlatanismus seine nationalsozialistische Jugend verbergen will“?
 
Viele Künstlerkollegen, wie Marcel Broodthaers im berühmten Offenen Brief an Joseph Beuys, tadelten ihn, weil er sich zu stark auf die Unterstützung wohlhabender Gönner verlassen hatte und sich der Ungunst mächtiger Kulturinstitutionen nicht aussetzen wollte, z. B. im Falle von Hans Haackes Ausstellungszensur. Als Guggenheim-Direktor 1917 Haackes Ausstellung, die die Finanzierung des betreffenden Museums hinterfragt hatte, kündigte, unterließ es Beuys, die Unterdrückungspolitik des Guggenheim-Museums zu verurteilen. Andererseits widerspricht die heutige Darstellung von Beuys' Werken oft den von ihm vertretenen Ansichten und verzerrt, laut einigen Kritikern, die Art seiner Arbeit, die die Demokratisierung der Künste, direkte Kommunikation mit Menschen und Dialogförderung befürwortet.
 
Man kann sich nicht der Frage entziehen, inwieweit es Beuys durch seine künstlerische Praxis gelungen ist, die von ihm befürwortete individuelle und soziale Transformation zu erreichen. Sein komplexes Werk und seine kontroverse Rezeption erlauben keine einfache Antwort. Seine oft zitierte Aussage Jeder Mensch sei Künstler bedeutet den Glauben an die Einflussmöglichkeit eines jeden Einzelnen im Bereich des sozialen Wandels, weil die Gesellschaft nichts als die Erweiterung unserer Ideen und Gedanken ist – indem man das Bewusstsein des Einzelnen und der Gesellschaft verändert, kommt man einen Schritt näher an den wirklichen sozialen Wandel heran. Aber anstelle des erwarteten sozialen Wandels kommt es oft nur, wie die Kuratorin Iva Rada Janković scharfsinnig bemerkte, „zur Inflation der Stimmen Entrechteter, die ohne es hinauszuschaffen, gefangen, innerhalb der Mauern einer Kunstinstitution widerhallen.“
 
Der allgegenwärtige Charakter von Beuys ist ebenso faszinierend wie irritierend – ist dieser Mann mit äußerst vielfältiger Strategie das moderne Äquivalent eines Schamanen, der eine neue, revolutionäre Rolle des Künstlers ankündigt oder bloß ein Scharlatan, der von seinem eigenen Personenkult, mit dem er reaktionäre politische Ansichten und ein unreines Gewissen verschleiern will, belastet ist? Heutzutage polarisiert Beuys weiterhin die Kunstszene, er wird gleichermaßen verehrt und bestritten, was besonders aus den endlosen Versuchen, sein Wesen und Werk zu (de)konstruieren, ersichtlich ist. 100 Jahre von seiner Geburt und 30 Jahre von seinem Tod sind vergangen. Wer hat Angst vor Joseph Beuys?
 
 

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