Deutscher Buchhandel
Eine Branche im Wandel

Zwischen Kontinuität und Umbruch: der deutsche Buchhandel.
Zwischen Kontinuität und Umbruch: der deutsche Buchhandel. | Foto (Ausschnitt): © Hugendubel

Der digitale Wandel birgt viele Chancen – doch viel Licht bringt bekanntlich auch viel Schatten mit sich: Der deutsche Buchhandel befindet sich in einem ständigen Auf und Ab.

Laut Marktanalyse des Instituts für Demoskopie Allensbach lesen die Deutschen immer noch gerne. Im Jahr 2013 kauften 67 Prozent der befragten Frauen und 53 Prozent der befragten Männer Bücher. Beachtlich, aber noch überschaubar, ist der Trend zum E-Book: 2014 lasen 5,3 Prozent der Deutschen ihre Bücher elektronisch, 2013 waren es noch 3,3 Prozent, 2012 nur 2,6 Prozent.

Der vielversprechenden Statistik zum Trotz gab es zu Beginn des Jahres 2014 schlechte Nachrichten für die Augsburger Verlagsgruppe Weltbild: Sie musste Insolvenz anmelden. Viele in der Branche empfanden den Kollaps dieses Riesen, dessen Umsatz 2012 bei 1,59 Milliarden Euro lag, als Bedrohung. Sie befürchteten einen Domino-Effekt, da viele kleine Verlage und Lieferanten in direkter Abhängigkeit von Weltbild standen. Insbesondere war auch die durch ein Joint-Venture mit Weltbild verbundene Hugendubel-Gruppe in Gefahr. Doch dank eines geschickt agierenden Insolvenzverwalters und der Kompromissbereitschaft aller Beteiligten kam es nicht zum Äußersten. Im Spätsommer 2014 übernahm die Düsseldorfer Investmentgesellschaft Droege Group Weltbild als Mehrheitsgesellschafter. Das Joint-Venture mit Hugendubel wurde aufgelöst, die Ladengeschäfte geschlossen. Mit der Komplettübernahme von Buecher.de investiert das Unternehmen nun gezielt ins Online-Geschäft. Buecher.de hatte 2012 einen Jahresumsatz von 51 Millionen Euro.

Endlich eine schwarze Null

2013 kam der Buchmarkt nach zwei Jahren im Minus wieder auf eine schwarze Null, Buchhandlungen und Verlage hatten insgesamt 9,536 Milliarden Euro mit Büchern und Fachzeitschriften umgesetzt. 2012 waren es 9,520 Milliarden Euro. Doch aus dem ermutigenden Jahr 2013 wurde kein stabiler Trend, im ersten Halbjahr 2014 war der Umsatz im deutschen Buchhandel außergewöhnlichen Schwankungen ausgesetzt. Saisonale Effekte, also etwa das kalendarisch späte Osterfest, waren ein Grund von vielen. Für Unsicherheit sorgten auch Standortschließungen: Gab es im Jahr 2000 noch 4.874 Mitgliedsbuchhandlungen im Börsenverein des deutschen Buchhandels, waren es 2013 lediglich 3.378. Bei genauer Betrachtung sind diese Zahlen freilich kein Alarmsignal, da die Ketten nicht mit jeder Filiale gezählt werden. Zwar ist in diesem Zeitraum der Umsatz im Sortimentsbuchhandel um 8 Prozent auf knapp 4,7 Milliarden Euro gesunken, dagegen ist aber der Umsatz im Internetbuchhandel um 208 Prozent auf 1,56 Milliarden Euro gestiegen.

Permanente Umbruchsituation

2013 setzten die stationären Buchhandlungen 4,639 Milliarden Euro um, 0,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei blieb die umsatzstärkste Warengruppe die Belletristik mit 23 Prozent aller Einnahmen. Es folgten mit je elf Prozent das Kinder- und Jugendbuch, Schul- und Lehrbücher sowie andere Verkaufsartikel wie CDs und Spiele. Die Gesamtzahl der in Deutschland erschienenen Bücher zieht wieder an. 2013 sind 96.600 Titel herausgekommen, ein Plus von 2,7 Prozent im Vergleich zu 2012.

Die Zahlen können sich durchaus sehen lassen, obwohl die Umstände denkbar schwierig sind. Die Marktsituation hat sich durch Beschleunigung, veränderten Medienkonsum und neue „Player“ komplett gewandelt. Der Buchhandel ist in einer permanenten Umbruchsituation, in der alle nach neuen Wegen suchen. Die marktführende Kette Thalia verkleinerte beispielsweise die Verkaufsgrößen ihrer Läden von rund 1.000 Quadratmetern auf die neue Idealgröße von 400 bis 700 Quadratmeter. Dieser Strategie-Wandel ist auch bei den anderen großen Marktteilnehmern zu beobachten.

Auch in Sachen E-Books hat die Branche den Wandel bislang gut gemeistert. Die digitalen Bücher sind im Geschäftsalltag angekommen: 77 Prozent aller Buchhandlungen führen sie im Sortiment, 65 Prozent der Verlage bieten sie in ihren Programmen an. Der E-Book-Umsatzanteil ist gewachsen, wenn auch nicht so rasant wie in den Vorjahren. Noch ist der Markt für elektronische Bücher überschaubar. Quer durch alle Gattungen und Buchtypen werden derzeit nur vier Prozent aller Bücher ausschließlich digital verkauft. Ein Grund hierfür sind möglicherweise die Preise, die nur knapp unter jenen der Print-Produkte liegen. Die Preisbindung in Deutschland verhindert, dass ähnliche Zustände wie in den USA oder Großbritannien herrschen, wo der Siegeszug der E-Books auch durch einen Preiskampf entschieden wurde. Bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union könnte dieses Privileg fallen – mit nicht absehbaren Folgen. Noch hoffen die meisten Marktteilnehmer, dass sich starke Kräfte in Frankreich und Deutschland gegen die rein marktwirtschaftliche Sichtweise erfolgreich zur Wehr setzen und dem Kulturgut Buch einen Sonderstatus sichern.

Hegemonie-Streben von Amazon

Der digitale Wandel bietet viele Chancen, stellt aber den Buchhandel noch vor einige Herausforderungen. Das gilt vor allem für das Online-Geschäft. Der amerikanische Handelsgigant Amazon, der nur einen kleinen Teil seiner Umsätze mit Büchern erwirtschaftet, steht als Synonym für den Internetbuchhandel. Sein Anteil am gesamten Online-Buchhandel liegt laut dem Verband der Versandbuchhändler bei etwas mehr als 70 Prozent.

Diese Zahl gibt eine Vorstellung von der wachsenden Macht Amazons. Entsprechend groß ist der Druck bei den Verhandlungen zwischen Verlagen und Amazon: Die Mengenrabatte sind angesichts der in Deutschland geltenden Buchpreisbindung der Faktor, der letztlich über den Gewinn entscheidet. Dass hier gerade die Großen, die in entsprechenden Mengen ordern, besser dastehen, ist selbstverständlich. Publik geworden ist der Streit der Bonnier-Gruppe (Piper, Carlsen, Ullstein) mit dem Handelsgiganten. Verkaufte Amazon ein E-Book von Bonnier, erhielt es dafür um die 30 Prozent des Verkaufspreises. Amazon aber forderte 50 Prozent. Um den Druck auf Bonnier zu erhöhen, hatte Amazon immer wieder die Auslieferung von Büchern (etwa Harry Potter) der Verlagsgruppe verzögert.

Der öffentliche Protest von mehr als hundert deutschsprachigen Autoren, unter ihnen Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, bedeutete einen Dämpfer für Amazon, zumal dadurch der Versuch des Online-Händlers, wichtige Autoren an sich zu binden, erschwert wurde. Kurz vor der Frankfurter Buchmesse 2014 wurde bekannt, dass es zu einer Verständigung zwischen Amazon und Bonnier gekommen ist, ohne dass Amazon seine Maximalforderungen durchsetzen konnte. An den langfristigen Zielen Amazons ändert sich damit nichts. Die Entscheidung darüber, ob sich die Machtverhältnisse in der Buchbranche zugunsten des Fast-Monopolisten Amazon wenden, ist nur vertagt.