Stiftung Futurzwei
Blaupausen für das gute Leben

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Futurzwei-Logo | © Futurzwei

Keine Frage, die Idee hat Charme: Geschichten sammeln, die zeigen, wie es geht. Wie es anders geht. Genau dies tut die Stiftung Futurzwei. Statt über Klimawandel, Wachstumswahn und Konsumterror nur zu lamentieren oder mit erhobenem Zeigefinger zu argumentieren, will sie bereits heute gelebte Alternativen für morgen erzählen und damit Mut auf Veränderung machen. Storytelling als ökomoralisches Motivationstraining.

Ökologie und Nachhaltigkeit haben ein Problem: Alle sind dafür, selbstredend auch die Politiker, allein, es geschieht nichts, jedenfalls nicht genug, damit sich die Dinge wirklich zum Besseren wenden. Der Klimawandel setzt sich fort, jedes Jahr werden mehr Ressourcen verbraucht als im Jahr davor, wird mehr produziert, mehr konsumiert und mehr weggeschmissen. Dass dies auf Dauer nicht gut gehen kann, liegt auf der Hand.

Mit Argumenten allein lässt sich der eingeschlagene Wachstumspfad freilich nicht aufhalten oder gar umkehren. „Wir wissen genug“, erklärt der Sozialpsychologie und Kulturwissenschaftler Harald Welzer in einem Interview, das er im Februar 2012 dem Deutschlandfunk gegeben hat. Vor allem wissen wir, dass wir so wie bisher nicht weitermachen können. Worauf es ankäme? Dass wir endlich anfangen, aus dem Wissen Konsequenzen zu ziehen, die Theorie in Praxis verwandeln. Etwas Ähnliches hat Welzer getan: Er hat mit seiner eigenen Pfadabhängigkeit gebrochen, eine Auszeit von der Wissenschaft genommen und gemeinsam mit der Soziologin Dana Giesecke im Jahr 2011 „Futurzwei. Stiftung Zukunftsfähigkeit“ gegründet. Seit dem 1. Februar 2012 ist die Webseite der gemeinnützigen Stiftung freigeschaltet. Nun kann, wer möchte, sich von anderen erzählen lassen, wie es geht, wie man im Rahmen des Bestehenden das Künftige realisiert, wie man heute schon das Morgen lebt.

„Wir fangen schon mal an“

Ein solches Projekt versteht sich nicht von selbst. Für den Sozialphilosophen Theodor W. Adorno konnte es bekanntlich im falschen kein richtiges Leben geben. Und für alle Antikapitalisten, die das Gute erst auf die Revolution folgen lassen, selbstverständlich auch nicht – ihnen gelten solche individuellen Lösungen, wie sie die Online-Plattform von Futurzwei präsentiert, als kosmetische Korrekturen, die den Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit nicht beseitigen, sondern verschleiern. Soll man deshalb darauf verzichten, das Richtige zu tun? Adorno wollte seinen vielleicht bekanntesten Satz gewiss nicht als Ausrede verstanden wissen, die Hände in den Schoß zu legen und alles beim Alten zu lassen. Es ist, mag auch die Möglichkeit richtigen Lebens im Ganzen verstellt sein, eben keineswegs gleichgültig, wie man sein Leben gestaltet. Und auch wer das Ganze verändern möchte, der muss damit im Kleinen anfangen, ja der muss überhaupt erst einmal einen Anfang setzen.

Das Online-Projekt Futurzwei jedenfalls will nicht auf die Revolution warten, nicht auf die Politiker oder den Staat, der es irgendwann schon richten wird, nicht auf Konferenzen und ihre Beschlüsse, sondern Geschichten erzählen, und zwar Gegengeschichten zur existierenden Wirklichkeit, „Geschichten des Gelingens“, die deutlich machen, dass es auch anders geht: ökologischer, nachhaltiger, besser. Und zwar schon hier und heute. Und es will Mut machen, andere „anstecken“: Die Leser sollen sich ein Beispiel nehmen, sich inspirieren lassen, es selber versuchen – und selber ihre eigene Geschichte erzählen. Vielleicht vernetzen sich irgendwann diese ganzen Geschichten zu einer einzigen, irgendwann in ferner Zukunft, wenn die Menschen auf ihr Handeln zurückblicken und sich Rechenschaft ablegen werden über die Folgen, die es für das Leben auf der Erde gehabt haben wird – Futur II.

„Zukunftsarchiv“: Geschichten, die es in sich haben

Die Geschichten haben es in der Tat in sich: Da wäre zum Beispiel die von Heini Staudinger, der im strukturschwachen niederösterreichischen Waldviertel ökologische Schuhe produziert, zwischenzeitlich über 100 Arbeitsplätze geschaffen hat, nach Möglichkeit nur Materialien aus der Region verwendet und sich selbst weniger als seinen Angestellten bezahlt. Oder die von Lisa Prantner, deren Berliner Veränderungsatelier Altkleider veredelt und dadurch vor jenem Schicksal bewahrt, das in Wegwerfgesellschaften letztlich allen Produkten droht, deren Verfallsdatum überschritten ist. Mittlerweile betreibt Lisa Prantner zwei Geschäfte in der Mitte Berlins und beweist damit, dass man ökonomisch erfolgreich sein kann, obwohl man sich dem grassierenden Wachstums- und Verschwendungswahn verweigert.

Geschichten wie diese gibt es viele auf der originellen Online-Plattform von Futurzwei. Ausgewählt, recherchiert und verfasst werden sie von einem professionell arbeitenden Redaktionsteam, zu dem neben den beiden Stiftungsgründern auch die bekannte Publizistin Ute Scheub gehört; abgelegt sind sie im sogenannten „Zukunftsarchiv“. Helden dieser Geschichten sind freilich nicht nur verantwortungsbewusste Kleinunternehmer. Zu ihnen zählen auch Stadtverwaltungen, Schulleitungen, Bürgerinitiativen, studentische Start-ups und ein genossenschaftlich organisierter Bochumer Finanzdienstleister, der ausschließlich „sinnvolle Projekte kreditiert, vollkommen transparent arbeitet und angeblich in der Finanzkrise 2008 keinen einzigen Cent verloren hat. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern, ohne deren Ideen und deren Engagement die Projekte gar nicht möglich wären.

Eine andere Welt ist möglich

Alle Geschichten sind einzigartig und doch verkünden alle letztlich das Gleiche: Ein anderes Leben, eine andere, sozial gerechtere, ökologisch nachhaltigere Welt ist möglich – wenn wir nur wollen und wenn wir endlich damit anfangen. Futurzwei beweist es: Es ist schlicht nicht wahr, dass „man“ nichts machen kann. Gewiss, die Verhältnisse, sie sind nicht so, wie sie sein sollten und sein könnten, aber sie bieten Spielräume, die es zu nutzen gilt – dies zeigen die Beispiele zu Genüge. Für den Sozialpsychologen Harald Welzer steht im Übrigen fest, dass ein räumenutzendes, sozio- und ökokreatives Handeln auch die Persönlichkeit des Handelnden positiv verändert, weiterentwickelt. Solche Veränderungen sind der Stoff, aus dem die Zukunft gewebt ist, zumindest der Stoff ihrer Träume. Es stellt vielleicht das größte Verdienst der neuen Stiftung dar, dass sie für diese Träume von einer anderen Welt einen Ort geschaffen hat. Aber es sind ja gar keine Träume … es funktioniert.