Orientierungshilfen in Budapest
Kulturkreise

Kulturkreise_Magazin
Terrasse der Bar Gödör | Foto: Milorad Krstič

Wohin geht man, wenn man in der ungarischen Hauptstadt ausgehen will? Für Ausländer ist es gar nicht so einfach, die bevorzugten Lokale der Einheimischen ausfindig zu machen. Die meisten Programmhefte sind hoffnungslos einsprachig, und die Hinweise der Reiseführer und Reisebüros sind meist für den „Durchschnittstouristen” gedacht – den es wahrscheinlich gar nicht gibt, oder wenn doch, dann nur am Balaton.

Eine Stadt mit ihrem Unterhaltungsangebot und ihrer Kulturszene erkundet man am besten über persönliche Kontakte. Kontakte zu knüpfen ist ohnehin nett. Und manchmal sogar nützlich, wie das aus einigen der folgenden Beispiele hervorgeht.

In Budapest gibt es zwei gedruckte Programmhefte, Pesti Est und Fidelio, die jeweils am Donnerstag erscheinen. Die kostenlosen Exemplare liegen in den meisten Lokalen und Kultureinrichtungen, ja selbst an einigen Tankstellen aus, leider aber nur auf Ungarisch. Sitzt man also bereits im Café, kann es nützlich sein, sich einen Einheimischen zu schnappen, der bereit ist, einem das Interessanteste aus dem aktuellen Heft auszusuchen. Denn in den beiden Heften steht tatsächlich nahezu alles drin, was in Budapest gerade passiert – oder es wird zumindest kurz erwähnt. Seit der letzten Wirtschaftskrise wurde der Umfang der beiden Hefte etwa auf die Hälfte reduziert, und damit ging auch der Anteil der ausführlicheren Inhalte (Rezensionen, Berichte, Interviews) zurück. Die Online-Ausgaben der beiden Programmhefte sind aber bei weitem nicht so beliebt wie das marktführende Portal port.hu, das neben dem aktuellen Fernseh-, Theater- und Kinoprogramm inzwischen auch über Konzerte, Festivals, Aktivitäten für Kinder, Sportereignisse und Hörfunkprogramme eingehend informiert. „Selbstverständlich” wieder nur auf Ungarisch.

Wenn es uns bereits gelang, Kontakte zu den Einheimischen zu knüpfen, können wir die neuen Freunde getrost nach einem Exemplar des Wochenmagazins Magyar Narancs („Ungarische Apfelsine”) fragen. Das Wochenblatt für Politik und Kultur erscheint ebenfalls donnerstags, und seine Sparte „Snoblesse Oblige” berichtet in außergewöhnlich großem Umfang, auf sechs bis sieben Seiten, und nach strengen Auswahlkriterien über kulturelle Events aller Art, die in Ungarn als cool gelten. Den größeren Festivals im Land widmet das Blatt regelmäßig umfangreiche Dossiers.

In Fremdsprachen

Möchte man die Programmtipps trotzdem auf Englisch bekommen, sollte man sich nach einem Exemplar des Magazins Funzine umschauen, das ausdrücklich für Ausländer gedacht ist. Das zweiwöchentliche Programmheft findet man mit etwas Glück am Flughafen, auf den Bahnhöfen, den Tourinform-Büros und auch in einigen Lokalen. Einheimische ziehen es ebenfalls gerne zu Rate, da es eine gute Auswahl aus dem umfangreichen Programmangebot bietet und diese Auswahl mit Reflexionen darüber anreichert, was die hier lebenden Ausländer interessant finden. Die Online-Version funzine.hu wird täglich aktualisiert, und bei der Suche nach den Veranstaltungsorten hilft eine Anwendung, die man sogar ohne Roaming-Gebühren aufs Handy herunterladen kann.
Eine weitere Möglichkeit, sich im Budapester Programmangebot in einer Fremdsprache zu orientieren, bieten die Webseiten der ausländischen Kulturinstitute in Budapest. Sie veranstalten regelmäßig Programme, die unter Mitwirkung ungarischer Künstler und an externen Veranstaltungsorten stattfinden. Die Kulturvermittlung läuft in beiden Richtungen, und aus den Begegnungen entstehen immer wieder spannende künstlerische Projekte. Nur - eine gute Auflistung des Programmangebots in deutscher Sprache sucht man vergebens. Den Kulturteil der Budapester Zeitung kann man zwar ruhig aufschlagen, nur sollte man dann nicht enttäuscht sein, wenn sie einem nicht wirklich weiterhilft.

Reiseführer

Es gibt zwar Dutzende Reiseführer über Budapest, doch gibt es nur wenige unter ihnen, die über die obligatorischen Sehenswürdigkeiten hinausgehen, die Stadt mit ihren besonderen Atmosphäre spannend beschreiben und gleichzeitig auch informativ sind. Der Kunsthistoriker und Kulturmanager András Török ist Verfasser eines „kritischen Reiseführers”, der mit viel Humor, umfassendem Wissen und einem feinen Sinn für Ausgewogenheit geschrieben und nicht nur für Intellektuelle gedacht ist (András Török: Budapest. Ein kritischer Reiseführer, seit 1989 zahlreiche aktualisierte Ausgaben). Der Horizont des Buches ist ungefähr der eines Stadtmenschen, der gerne in Cafés herumsitzt, gerne (gut) lebt, klare Vorstellungen über die Welt hat und dessen wichtigstes Anliegen darin besteht, einen jeden mit ein paar sicheren Tipps zum Erleben der Stadt zu versorgen.
Unter den Reiseführern vom Typ „Budapest mit den Augen eines Ausländers” sollte vor allem Viktor Iros Essayband Gebrauchsanweisung für Budapest und Ungarn genannt werden. Der Autor unterrichtete fünf Jahre lang deutsche Literatur und kreatives Schreiben am Germanistikinstitut der Uni Budapest. Neben den üblichen geschichtlichen und stadtgeschichtlichen Exkursen bietet das Buch interessante Einblicke in die ungarische Moderne und ihren europäischen Kontext. Der ungarischen Architektur, der Filmkunst und der Fotografie sind jeweils einzelne Kapitel gewidmet.

Ungarische Sprache und Geschichte

Plant man einen längeren Aufenthalt in Ungarn, können einige Kenntnisse über die Geschichte des Landes sicher nicht schaden. Das „Geschichtslehrbuch” des in Berlin lebenden ungarischen Autors György Dalos, Ungarn in der Nussschale, bietet die besten Grundlagen. Es rekapituliert nicht nur die Ereignisse, sondern auch die Diskussionen und Missverständnisse, die diese historischen Ereignisse umgeben, und zwar in einem angenehm (selbst)ironischen literarischen Stil. Von einem starken Interesse für die Geschichte zeugt Duncan JD Smith’s Reiseführer Nur in Budapest, in dem die ungarische Herkunftssage mit dem mythischen Greifvogel „Turul” ebenso in einem eigenen Kapitel behandelt wird wie die Geschichte der Familie Széchenyi und ihre bestimmenden Rolle in der bürgerlichen Reformbewegung des frühen 19. Jahrhunderts. Das Buch führt außerdem zu entlegenen Orten und Schauplätzen, die in den meisten Reiseführern nicht einmal erwähnt werden. István Barts „kleines Konversationslexikon der ungarischen Alltagskultur”, das auf Deutsch unter dem Titel Ungarn – Land und Leute erschienen ist, geht von der Sprache aus und zeichnet ein nuanciertes Bild des sozialen, politischen und kulturellen Milieus in Ungarn, indem es Bräuche, Topoi, beliebte Sprüche, Kultobjekte, reale und fiktive geographische Orte erklärt . In seinem Horizont ist das Buch mit dem kritischen Reiseführer von András Török verwandt, und wer vor seinem Budapestaufenthalt in diesen beiden Büchern herumblättert, wird seine Reise gut vorbereitet antreten.Wie sind die Ungarn? Diese schwierige Frage versucht Lysann Heller in ihrem Erfahrungsbericht Paprikantin zu beantworten. Die Autorin verbrachte als Journalistenpraktikantin ein halbes Jahr in Budapest. Sie geht von den Klischees aus, die gerne mit den Ungarn verknüpft werden, aber statt sie zu nuanciert zu betrachten, macht sie sich eher lustig über sie. Eine Lektüre zur Einstimmung.

Blogs

Im Zeitalter des World Wide Web und der sozialen Netzwerke verlieren Reisebücher zunehmend an Reiz, und man scheint den Erfahrungsberichten im Netz oder den sympathischen Einheimischen schneller Glauben schenken zu wollen. Nur findet man bis heute keinen brauchbaren, niveauvollen Blog über Budapest in deutscher Sprache – eine überraschende Lücke angesichts der großen Zahl junger Deutscher, die nach Ungarn und Budapest kommen. Als Ersatz dafür bieten sich die englischsprachigen Webseiten Spottedbylocals.com und xpatloop.com an. Letztere ist eigentlich der Online-Veranstaltungskalender der seit 2009 nur noch elektronisch publizierten englischsprachigen Zeitung „The Budapest Sun”. Unter den thematischen Blogs in englischer Sprache ist ruinpubs.hu den „Ruinenkneipen”, chew.hu der ungarischen Gastronomie und den Budapester Restaurants gewidmet.
Ist man dann endlich richtig in Budapest angekommen, und hat man bereits einige engere Kontakte geknüpft, organisiert man sich die Abendgesellschaft am besten über Facebook – das ist wohl der einfachste Weg, um „Budapest by night“ kennen zu lernen.
 

Fotogalerien über Budapest im Web:
Budapest Daily Fotoblog: 
http://www.budapestdailyphoto.com/
Panoramafotos über Budapest:
http://www.360cities.net/area/budapest-hungary