Freiheit

An einem Morgen in der Konditorei stehen viele Menschen in der Schlange, alle hungrig nach frischem Kuchen. Doch niemand spricht miteinander. Jeder ist still, aber nicht ruhig. Man kann etwas Schreckliches in der Luft spüren, die Leiden und die Angst der Käufer sind greifbar. Niemand lächelt. Früher kamen Familien und glückliche Paare hierher. Jetzt stehen die Menschen alleine und verlassen da. Graue Stille herrscht an diesem Morgen in der Konditorei.

Seit Jahren bin ich deins.
Dein elfter Geburtstag, mein elfter.
Ich begleite dich durchs Leben,
Ich bin immer da.
Du schätzt mich, ich mache dich lebendig.
Ich helfe dich durch schwere Zeiten,
Ich erfahre über alle deine Taten.
Du vertraust mir, ich stehe bei dir.
Ich erinnere dich an schöne Zeiten,
Aber auch an alle Albträume die dich Zerreißen.
Du vertraust mir, ich werde dich nie verraten.
Ich trage deine Schulden, Träume und Gedanken,
Das ist mein Beruf.
Ich bin dein Tagebuch.

Erinnerst du dich noch?
An den einen Tag?
Der war schon lange her.
Dein allerlängster Eintrag in mir.
Du hattest Angst, du hattest Schmerzen.
Ich werde dies nie vergessen.
Meine Blätter fangen alle deine Tränen.
Du warst verzweifelt, ich gab dir Trost.
Die Wörter verwischt, nur ein Paar waren lesbar,
Mauer, Trauer, zerrissenes Berlin.
Nicht nur die Vergangenheit,
Aber auch dein Herz.
Dein Körper und Seele.

63 Jahre später, du hältst mich in deinen Händen.
Deine Haare sind grau, meine Blätter verfärbt.
Du blätterst und blätterst,
Deine Tränen fallen.
Nicht nur ich, aber auch du hast es nie vergessen.
Ich bin deine Vergangenheit,
Ich bin dein Tagebuch.
 

Bumm! Und auf einmal platzierten sie mich mit
anderen Steinen aufeinander. Zusammen bildeten
wir eine Mauer. Wir alle haben nicht verstanden.
Wieso bauen sie hier eine Mauer? Das ist doch kein
Haus, keine Burg, was passiert denn hier?
Dann sagte ein anderer Stein neben mir: "Wir sind nur zur
Trennung hier.“
Trennung? Was soll denn hier getrennt werden?
Ein Land. Familien. Eine Kultur. Freundschaften. Beziehungen.
Ich wollte aus der Mauer springen und fragte: Wieso?
Es müssen zwei verschiedene Republiken entstehen, für zwei
verschiedene Ideologien. Ich konnte es nicht verstehen.
Jetzt war ich plötzlich Teil dieser Trennung obwohl ich nichts dafür getan hatte. Dann dachte ich an die Menschen, die genauso wie ich plötzlich Teil einer neuen Republik waren und ebenfalls nichts dagegen tun konnten.
Nach langer Zeit stürzten Sie die Mauer.
Jetzt war ich wirklich verwirrt.
Was wollten die Menschen mit der Mauer?
Denn davon was wir gesehen haben, hatten sie nur das Leiden zahlreicher Menschen verursacht.
Ich dachte mir nur, wie komisch und sinnlos diese Menschen, die ohne Grund Trennungen schufen und einander so viel Schmerz antaten.

Die Stimme

Keine Trennung, keine Grenze. Doch auf einmal starrt mich der eiserne Vorhang an.
Uns wurde doch versprochen, dass es keine Grenze geben wird. Mir wurde es versprochen, meiner Familie, meinen Freunden … Aber was ist das vor meinen Augen? Warte mal, mein Onkel lebt im anderen Teil der Stadt. Was wird jetzt mit ihm passieren? Muss er dort bleiben? Gehört er ab jetzt nicht mehr zu uns?

Wer ist eigentlich "Wir" und wer sind "Sie"? Gibt es jetzt Deutsche und Nicht-Deutsche? Seit wann gibt es "Sie"?

Schreie, Schüsse, Weinen. Stop!

Ich stehe in der Stube. Keine Trennung, keine Grenze! Das muss nur ein schrecklicher Traum sein, es kann nicht die Wirklichkeit sein!

Ich höre eine bekannte Stimme – unsere Nachbarin.
Ich schaue mich um, aber sehe sie nicht. Es wird mir klar: Sie ist auf der anderen Seite geblieben.
Es muss eine Tür geben, durch die sie herüberkommen kann!
Dann könnte ich auch meinen Onkel wiedersehen! Aber wo ist diese Tür, die Verbindung zwischen den zwei Seiten?

Ich möchte schreien, die Menschen fragen, wo die Tür oder ein Durchgang  ist, aber meine Stimme ist zu schwach.
Ehrlich gesagt, ich bin zu schwach …
Doch eine Stimme in meinem Kopf lässt mich nicht los: Keine Trennung, keine Grenze.
 

Tobias und seine Konditorei

 
An einem Morgen in einer Konditorei
Finden wir Tobias in seiner Bäckerei.
Er ist auf einer Reise, vom Leben zur Kultur,
Denn er wird den ersten Kuchen in Deutschland backen.
Er benutzt Mehl und Zucker, aber er weiß nicht warum,
Trotzdem wird sein Kuchen lecker,
Und viele Menschen benutzen noch heute sein Rezept.