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Arthouse Cinema - Margarethe von Trotta
Margarethe von Trotta: Die Frau im Film

Margarethe von Trotta: Die Frau im Film
© Goethe-Institut Indonesien

“Feminismus ist keine Erfindung des Westens”. So lautete eine der Feststellungen der inzwischen verstorbenen Nawal El Saadawi während eines Interviews mit Channel 4 News. El Saadawi fügte hinzu, dass der Kampf der Frauen unterschiedlichster Herkunft, Tradition und Religion auf der ganzen Welt stattfinde.

Von Umi Lestari

Mit dieser Vorlage von Nawal El Saadawi im Hinterkopf musste ich den Film Die Bleierne Zeit (1981) von Margarethe von Trotta zwangsläufig als Repräsentation einer Frauenbewegung mit regionaler Reichweite und nicht frei von einer orientalistischen Perspektive betrachten. Zum Beispiel die Szene, in der Mariannes Ehemann sagt, er wolle nach Bali gehen, um seinen Schwierigkeiten in Deutschland zu entfliehen. Diese Entscheidung hängt eng mit dem Blick des Westens auf den Osten zusammen. Marianne entscheidet sich darauf, nach Beirut zu gehen. Meiner Meinung nach wird in dem Film deutlich das Bestreben gezeigt, Menschen in der Dritten Welt zu retten. Fraglich ist, worin die damit verbundene Empathie wurzelt. Möchte man als Retter vor Nichtdeutschen dastehen oder ist es etwas ganz anderes?

Das Frauenbild nach dem Zweiten Weltkrieg

Für dieses filmische Werk wurde von Trotta bei den Filmfestspielen in Venedig im Jahr 1981 mit dem Goldenen Löwen und dem Fipresci-Preis ausgezeichnet. Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Beziehung zweier Schwestern, die nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Zusammenbruch des Faschismus in Deutschland auf ein neues Frauenbild in der Gesellschaft setzen. Juliane engagiert sich als feministische Journalistin und setzt sich für die Legalisierung von Abtreibungen ein. Marianne lässt unterdessen ihr bourgeoises Leben hinter sich und schließt sich einer linken Terrorgruppe an. Anstatt ein perfektes Leben nach dem Idealbild einer Familie mit Ehemann und Kindern zu leben, entscheidet sich Marianne für den politischen Kampf und geht nach Beirut, womit sie ihre Solidarität mit der Dritten Welt, die während des Kalten Krieges zwischen die Fronten gerät, zum Ausdruck bringt.

Margarethe von Trotta betrat die Welt des Films als Schauspielerin. Sie übernahm Rollen in einer Reihe von Filmen von Regisseuren des Neuen Deutschen Films, unter anderem in Götter der Pest (1970), Der amerikanische Soldat (1970) und Warnung vor einer heiligen Nutte (1971) von Reiner Werner Fassbinder. Ihre Kariere als Regisseurin begann mit einer Zusammenarbeit mit Volker Schlöndorff. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit war von Trotta maßgeblich als Autorin des Drehbuchs beteiligt sowie an Regieanweisungen für die Schauspieler. Ihr Debüt als alleinverantwortliche Regisseurin gab sie mit dem Film Das zweite Erwachen der Christa Klages (1978).

Laut der feministischen Denkerin Ruby Rich gehört dieser Film von von Trotta in die Filmkategorie des corrective realism. Dazu zählen im Allgemeinen als repräsentativ geltende feministische Spielfilme; die Filmfiguren werden von etablierten Schauspielerinnen gespielt, die Handlung ist für die Mehrheit der Zuschauer nachvollziehbar und es werden allseits bekannte kinematografische Konventionen verwendet. Für Rich gelang es von Trotta, die Tradition des realistischen Films für feministische Zwecke zu adaptieren. Von Trotta machte im Folgenden weitere Filme, die sich vornehmlich mit Frauenthemen beschäftigen, wie Verhütung und Abtreibung sowie Solidarität unter Frauen.

Zu von Trottas Filmen gehören auch solche, die sich den Gedanken und Vorstellungen weiblicher Denker widmen, wie Rosa Luxemburg (1986) und Hannah Arendt (2013). Bei den Filmen führt von Trotta nicht nur Regie, sondern wirkt auch am Drehbuch mit und arbeitet eng mit einem Team zusammen, das ihre Vision teilt.

Laura Mulvey sagte einmal, dass der Kampf der Frauen für das Recht auf ihren Körper nicht von der Frage des Image zu trennen ist. Wie werden Frauen in den Medien dargestellt? Warum wird eine Frau in einem Film als unterwürfig dargestellt? Gib es eine weibliche Stimme im Film? Fragen wie diese lösten in den 1970er Jahren eine Welle der Frauenbewegung in Europa aus. Die Frage nach dem Frauenbild veranlasste etwa auch einige feministische Aktivistinnen dazu, bei der Miss World Veranstaltung 1970 Mehlbomben zu werfen, da ihrer Ansicht nach eine solche Veranstaltung nur dazu diene, Frauen zum Objekt zu machen. Durch die Dringlichkeit veranlasst, nach einer Genealogie weiblicher Stimmen im Film zu suchen, veranstaltete das Edinburgh Film Festival eine gesonderte Vorführung für Filme von Regisseurinnen. 1973 schrieb Laura Mulvey den 1975 veröffentlichten Essay Visual Pleasure and Narrative Cinema. Vor diesem regional europäischen Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich von Trotta als Regisseurin entschloss, in ihren Filmen über die Probleme von Frauen weißer Hautfarbe zu erzählen und den Fokus auf persönliche Aspekte der Figuren im Film sowie auf die unterschiedlichen Kämpfe der Frauen zu legen. Die aktive Rolle von Frauen beim Filmemachen beeinflusst die Art und Weise, wie Frauen in den Medien, auch in Texten von Massenmedien dargestellt werden. Es ist ein Anstoß, um ein neues Narrativ über Frauen zu schaffen.

Die Medienarbeit als ideologisches Mittel enttarnen

In dem Dokumentarfilm Nacht und Nebel (1955) stellt der Regisseur Alain Resnais Situationen in den Konzentrationslagern der Nazis im Jahr 1955 mit Filmmaterialien, die während des Entstehens der Lager bis zur Ankunft der Soldaten, die die Gefangenen der Nazis befreien, aufgenommen wurden, gegenüber. Der Erzähler im Film Nacht und Nebel erklärt, wie die Lager entstanden, welche Arten von Experimenten und auf welche Art und Weise Hinrichtungen durchgeführt wurden, bis am Ende des Filmes schließlich Massengräber und geschundene Leiber gezeigt werden. Der Film beschäftigt sich mit dem außerordentlichen Trauma des Holocaust und fordert den Zuschauer auf, aus der Geschichte zu lernen. Bei von Trotta hingegen dient Bildmaterial als Reflexion in Phasen der Identitätsbildung. Sie, selbst eine deutsche Frau, beleuchtet die ideologischen Entscheidungen einer jeder Frau in ihrem Film. Das Bildmaterial im Film hat eine Kardinal- oder Kernfunktion, die in der Analyse des Narrativen einen kausalen Zusammenhang, mit Abfolge und Folge, aufzeigt. Wenn zum Beispiel Juliane über ihre Gedanken zur Abtreibung schreibt, fokussiert die Kamera zunächst auf Fotos, die Hitler zusammen mit Kindern zeigen, und dann auf Julianes Tun. Diese beiden Einstellungen folgen einem aufeinander aufbauenden Muster, das dem Zuschauer vermittelt, dass Juliane Hitlers Ideologie, die Rolle des Kindes und heteronormative Beziehungen dekonstruieren will. In Mariannes Geschichte hingegen spiegelt das Bildmaterial den Beweggrund für ihr politisches Handeln wider. Das Filmmaterial von Nacht und Nebel veranlasst sie zu einer anti-nazistischen Haltung. Als sie dokumentarisches Filmmaterial von hungernden Kindern in der Dritten Welt sieht, entschließt sie sich, sich deutschen Linksextremisten anzuschließen, als eine weiße Frau, die unterdrückte Menschen “befreit”.

Von Trottas Bemühung, die Medienarbeit als ideologisches Mittel zu enttarnen, zeigt sich anhand der Geschichte von Juliane und Marianne angesichts des audiovisuellen Mediums. Durch die Geschichte Julianes als rastlose, alles hinterfragende Frau zeigt von Trotta, dass es einen speziellen von Frauen für Frauen geschaffenen Raum gibt. Wir werfen einen Blick auf die Szene, in der Marianne im Verlag arbeitet. Die Szene beginnt damit, dass sich eine Gruppe von Frauen über persönliche Erfahrungen austauscht. Sie stimmen darin überein, dass Texte über persönliche Geschichten den Lesern das Gefühl der Verbundenheit vermitteln. Indem sie mittels Massenmedien erzählen, können Frauen sich über die Bedingungen, die Frauen erlebt haben, austauschen.

Aus diesen beiden Ausführungen über Juliane und Marianne erfahre ich, dass sich die Situation nach dem Holocaust nicht so eindeutig darstellen lässt wie es auch durch den Film Nacht und Nebel in Frage gestellt wird. Von Trotta beschreibt die Auswirkungen des Holocaust in Deutschland und macht ideologische Fragmentierungen sichtbar. Marianne zum Beispiel war in ihrer Jugend Anhängerin der Nazis, sie gründete eine Familie, die dem damals vorherrschenden Idealbild entsprach, bis sie sich schließlich dazu entschließt, sich einer linken Terrorgruppe anzuschließen. Hingegen erfahre ich über die Figur der Juliane, dass Fragen zum Frauenbild, wie sie Laura Mulvey anspricht, jemanden dazu bewegen, als feministische Aktivistin für das Recht auf den eigenen Körper zu kämpfen und sich dafür einzusetzen, dass Frauen die Möglichkeit einer (legalen) Abtreibung haben.
 

Autorin

Umi Lestari © Umi Lestari Umi Lestari ist Schriftstellerin, Forscherin und Lehrerin. Sie studierte die Geschichte, Politik und Ästhetik des indonesischen Kinos, insbesondere die Geschichte des indonesischen Kinos in den 1950er Jahren. Bevor Umi sich auf das Schreiben der Geschichte des indonesischen Kinos konzentrierte, war sie bei der Auswahl der Filme für das Arkipel - Jakarta International Documentary & Experimental Film Festival 2015 und 2016, dem Apresiasi Film Indonesia 2015 und dem Gelar Karya Film Pelajar 2018 beteiligt. Derzeit unterrichtet Umi an der Filmabteilung der Multimedia Nusantara University, Indonesien.

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