Kurzgeschichte
Hochzeit

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Zwei Monate nach der Beerdigung seiner Ehefrau machte die Nachricht die Runde, dass Akim bereits eine Freundin hätte.

Vor zwei Wochen, um 10 Uhr morgens, heiratete Akim, der Chauffeur der Chefin. Genaugenommen heiratete er erneut, nachdem vor acht Monaten seine Ehefrau gestorben war.

Nach der Geburt des zweiten Kindes hatte der Arzt Akim wiederholt ermahnt, dass seine Frau, die gerade erst 28 Jahre alt war, kein Kind mehr bekommen dürfe. Ihr Herz wäre nicht in Ordnung. Aber dann wurde sie doch wieder schwanger. Der Arzt riet zu einem Schwangerschaftsabbruch. Doch Akim wollte das nicht. Er sagte, dass Leben und Tod allein in Gottes Hand lägen. Etwas mehr als einen Monat nach der Geburt des dritten Kindes, gerade als sie ihrem Mann eine süße Kokosmilchsuppe mit Kochbananen zur Stärkung zubereitet hatte, brach die geliebte Ehefrau neben dem Herd zusammen. Ihr Herz hatte zu schlagen aufgehört. Einfach so.

Alle Kollegen trauerten mit Akim, der sich nun alleine um drei Kinder kümmern musste, darunter ein noch nicht einmal 40 Tage altes Baby und die zwei anderen Kinder im Alter von vier und zwei Jahren. Doch Akim behielt sein gewohntes Lächeln Tag für Tag bei. Seine Pausbacken waren rund wie immer, sein Haar nach wie vor eine Prinz-Eisenherz-Frisur wie die von Adi Bing Slamet als Knabe, sein Hemd weiterhin ausgebeult, die Hose schlabberig und die Schuhe dicksohlige Gummilatschen. Ein Freund fragte ihn mal: „Bist Du nicht traurig, Kim? So plötzlich durch den Tod Deiner Frau alleingelassen?” „Ja, ich bin traurig“, antwortete Akim. „Doch was soll ich noch Tränen vergießen? Das ist sinnlos und macht sie auch nicht wieder lebendig!“

Zwei Monate nach der Beerdigung seiner Ehefrau machte die Nachricht die Runde, dass Akim bereits eine Freundin hätte. Seine Freunde waren gleichermaßen überrascht und erfreut. Es war vielleicht wirklich am besten, wenn Akim direkt wieder eine Partnerin hatte. Denn wie sollte der Arme zurechtkommen, wenn sich niemand um die drei mutterlosen Kinder kümmerte, oder gar um ihn.
Die Beziehung bestand gerade einen Monat, da schnitt sich Akim die Haare ab und machte aus dem Pony eine Stirnlocke wie sie die eine Hälfte von Tim und Struppi trägt. Sein ehemals schlecht sitzendes Hemd wurde gegen ein tailliertes schwarzes T-Shirt ausgetauscht, in dem sich die Armmuskeln perfekt abzeichneten. Die Schlabberhosen verschwanden und wurden durch Jeans ersetzt. Und die dicken Gummischlappen wurden zu farbigen Turnschuhen. Die Freunde des Chauffeurs fragten, was mit Akim los war.

„Meine Freundin will das so. Sie findet, dass ich in Baumwollhemden hässlich aussehe”, sagte er mit verzerrtem Gesicht, während er mit der Hand am Kragen des schwarzen Hemdes, der seinen dicken Hals einschnürte, riss. Der Bürojunge streute die Nachricht, dass die Freundin von Akim gerade die obere Sekundarschule beendet hätte.

Zwei Wochen nachdem Akim sein Haar mit der Schmachtlocke versehen hatte und in enge Jeans geschlüpft war, machte er erneut Schlagzeilen: Er besaß ein neues Motorrad. Sein altes Moped, das altersschwach sei und oft den Geist aufgebe, war in eine Yamaha RX-King umgetauscht worden. Seine Freunde sagten, dass Akim aufpassen sollte, dass nicht er von der RX-King geritten werde. Akim blickte finster drein. Er war verärgert. Und so vergingen die Tage, im Verlaufe derer nach Ansicht aller seine Schmachtlocke immer größer wurde, die Hose immer enger und sein Bauch immer straffer.

„Meine Freundin will, dass ich Sport mache!“ sagte er. Dann kam die nächste Nachricht: Akim war heiratswillig. Seine Freunde waren bestürzt und standen ihm sofort mit Ratschlägen zur Seite.

„Kim, überlege Dir das gut. Wird sie sich um die Kleinen kümmern? Mag sie Babys?“

„Was sagen denn die Schwiegereltern? Habt Ihr schon die Erlaubnis?“

„Pass bloß auf, Kim! Nicht, dass die Kinder eine gemeine Stiefmutter bekommen.”

„Die Kinder sind am wichtigsten, Kim! Du kommst erst danach!”

Akim sagte nichts.

Drei Tage nach der Heiratsankündigung hatte Akim eine neue Nachricht. Aus der Hochzeit wurde nichts. Die Braut war keineswegs gewillt, mit den Kindern des vorherigen Akts aus erster Ehe zusammenzuleben. Eine Hochzeit wäre nur in Frage gekommen, wenn die Kinder bei den alten Verwandten gelebt hätten. „Wenn die Kinder nicht mitkommen können”, sagte Akim, „dann wird’s schwierig. Ich suche besser weiter nach einer, die alle liebt.” Die Freunde klatschten Beifall; Akim war einfach toll. Er wusste, dass Kinder vor den eigenen Bedürfnissen Vorrang haben.

Nach weiteren drei Monaten wurde die Kunde laut, dass Akim seine Schwägerin heiraten sollte. Akim kam ins Lohnbüro, also zu mir. „Entschuldigen Sie die Störung. Ich möchte Sie um einen Rat bitten“, sagte er. Mit den Händen zupfte er am Saum seines nun wieder ausgebeulten Hemdes.

„Ich weiß nicht, was ich tun soll. Meine Schwiegereltern wollen, dass ich die jüngere Schwester meiner verstorbenen Frau heirate. Besser die nächste aus der Familie nehmen als eine neue suchen. Die dann vielleicht die Kinder nicht so liebt … die andere kennt sie ja schon“, sagte er mit gesenktem Blick auf den Fußboden. Ich sagte ihm, dass dieser Vorschlag eine Überlegung wert wäre. Man kenne sich, und sie hätte bereits bewiesen, dass sie die Kinder liebt. Man bräuchte nur noch Zeit, um romantische Gefühle für einander zu entwickeln.

„Aber ich bin nicht in sie verliebt“, erwiderte Akim.

„Tja, die Hochzeit muss ja nicht jetzt stattfinden. Später erst, wenn die Liebe da ist“, schlug ich vor.

„Aber sie ist schon 25 Jahre alt, also ziemlich alt”, legte er nach.

„Du meine Güte! Mit 25 ist man doch noch jung!”

„Ja, für Sie vielleicht. Aber für mich? Das ist mir zu viel!”

„Du bist verrückt, Kim! Wie alt soll sie denn sein? Zwölf? Selbst die von neulich wollte sich nicht um die Kinder kümmern. Wie sieht’s dann wohl mit einer noch jüngeren aus? Deine Kinder können einem leidtun!” Verärgert kniff Akim die Lippen zusammen.
„Kim, Du bist Vater. Denk an Deine Kinder. Ihre Belange gehen jetzt vor. Die Prioritäten erkennen. Darum geht es, Kim.“ Akim schmollte weiter.

„Du darfst Dich ruhig über meine Worte ärgern, aber Du warst es doch, der mich darum gebeten hatte. Wenn sie Dir nicht passen, dann brauchst Du sie ja auch nicht befolgen.“ Akim zog weiterhin eine Schnute. Als er wohl der Ansicht war, dass ich genug gesagt hätte, stand er auf, murmelte ein Danke, verabschiedete sich und schloss die Tür hinter sich.

Eine Woche nach diesem Auftritt, mit dem er den Programmpunkt „Ratschlag einholen“ von der Liste streichen konnte, gab Akim bekannt, dass er wieder eine neue Freundin habe. Noch schöner, und etwas reifer als die vorherige. Eine 22-jährige Studentin einer Computer-Akademie. Seine Freunde wiesen ihn alle wieder auf das Problem mit den Kindern hin. Akim, der jetzt eine Frisur wie der Sänger von der Rockband Radja hatte, versicherte ihnen, dass alles in Ordnung und in trockenen Tüchern sei.

Letzten Monat tauchte Akim wieder auf, mit zerknautschtem Gesicht. Die RX-King, die er anfangs als Lockmittel gebraucht hatte, damit seine erste Freundin bei ihm blieb, stand nun bei seinem Freund, der sie sicherlich mit Freude fuhr. Akim hatte sie ihm als Pfand überlassen.

„Warum das, Kim?“

„Ich brauchte Geld.“

„Viel?“

„Zwei Millionen.“

„Oh, wozu?“

„Die Nengsih (der Name seiner Freundin) wollte, dass ich ihr ein Handy mit Kamera kaufe, so eins wie es ihre Freunde haben.“
„Und, was ist nun das Problem, Kim?“

„Ich möchte bei Ihnen Geld leihen, um die Geländemaschine einzulösen. Denn wenn ich nicht mit dem Motorrad ins Büro fahren kann, werde ich immer zu spät kommen. Mit dem Bus muss ich dreimal umsteigen, andauernd Stau, das ist ganz schön teuer.“
„Warum leihst Du Dir das Geld nicht direkt von Deiner Chefin?“

„Das geht nicht. Sie wird nur wieder mit mir meckern. Schrecklich!“ Also erzählte er mir, wie er die RX-King kaufen wollte. Die Chefin hatte ihm damals angeboten, eine kleine 4-Takt-Maschine zu kaufen. Gratis. Aber Akim lehnte das rundheraus ab. Er wollte eine RX-King, nichts anderes. So brüsk zurückgewiesen, war die Chefin beleidigt. Da war es ihm nun doch zu peinlich, die Chefin nochmals um Geld anzubetteln.

„Tut mir leid, Kim, ich kann Dir nichts leihen. Deine Schulden gegenüber dem Büro sind schon recht hoch. Du hast bereits mehrmals einen Vorschuss erhalten. Wenn wir Dir das weiter vom Gehalt abziehen, dann kannst Du bald nichts mehr in Deiner Lohntüte mit nach Hause nehmen.”

„Ich leihe es mir direkt von Ihnen. Bitte, nur ein bisschen. Mein Geld ist für die Abzahlung des Motorrads und die Gebühren des Darlehens draufgegangen.” Ich schüttelte den Kopf und schlug Akims Bitte aus. Er erhob sich vom Stuhl und verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Nun denn, zwei Wochen später heiratete Akim. Der Chefin wurde nur mitgeteilt, dass ihr Fahrer am Samstag Hochzeit halten würde. Er lud weder ein noch bat er uns dazu. Am Montag kam der Bürojunge, der häufig mit Akim unterwegs war, mit einer neuen Geschichte. Akim hatte für seinen großen Tag ein Dangdut-Orchester bestellt. Leider, so sagte der Bürojunge, kam niemand in den Genuss, sich zu den Klängen des Orchesters, das ausschließlich von kurvigen Sängerinnen begleitet wurde, zu wiegen. Denn sowie die Instrumente des Orchesters vom Laster abgeladen waren, rollten die örtlichen Sicherheitskräfte an. Alles musste wieder aufgeladen werden, das Orchester kam nicht zum Einsatz. Akim hatte vergessen, die amtliche Erlaubnis zur Ruhestörung im Wohnviertel seiner Frau einzuholen. Nur die Hochzeitszeremonie und das Bankett durften stattfinden. Die Musik kam vom Kassettenrekorder über die vom Nachbarn geliehenen Lautsprecher.

Am Donnerstag kam Akim nicht ins Büro, weil seine Frau sich angeblich nicht wohl fühlte und er bei ihr bleiben müsste. Auch den Tag darauf tauchte Akim nicht auf. Die Sekretärin der Chefin rief Akim auf seinem Mobiltelefon an. Wer abnahm, war die ältere Schwester der Ehefrau. Sie sagte, man müsse verstehen, dass Akim noch länger zu Hause bleiben müsse, da das Verlangen seiner geliebten Frau nach ihm groß sei. Man befände sich noch in den Flitterwochen. Die Sekretärin geriet in Wut. Als Fahrer der Geschäftsführung wisse er, dass bei einer zweiten Heirat nur drei Urlaubstage gewährt werden und er dann zum vereinbarten Zeitpunkt wieder im Dienst erscheinen müsse. Die neue Schwägerin war empört: Akim arbeitet als Fahrer? Wie kann das sein?
„Er ist ein Handelsvertreter im Im- und Exportgeschäft!“ äffte die Sekretärin die Schwägerin nach. Akim hatte sich als solcher und als kinderloser Witwer ausgegeben. Die Chefsekretärin, die in ihrem Leben wirklich noch nie ein Blatt vor den Mund genommen hatte, wenn es um das Privatleben anderer ging, erzählte der Person am anderen Ende der Leitung lang und breit, dass der gerade eingeheiratete Akim in Wirklichkeit drei Kinder habe. Dass eines davon noch ein Baby sei und dass sie nicht genau wüsste, wo sie sich gerade aufhielten. Vielleicht noch bei den Ex-Schwiegereltern. Das Telefongespräch brach abrupt ab.

Heute kam Akim mit fettig-strähnigem Haar ins Büro. Er trug wieder das ausgebeulte Hemd und die schlabberigen Hosen. Sein Gesicht zerknittert. Akim lebt nicht mehr bei seiner frisch Angetrauten. Man munkelt, dass er von seiner Frau fortgejagt worden sei und sie die sofortige Scheidung wolle. Die vormalige Schwiegerfamilie hatte ihn nicht wieder aufgenommen. Akim hatte das Sorgerecht für seine drei Kinder abgegeben, als seine Freundin die Heirat wollte. Heute Abend – und wer weiß, für wie viele Abende noch – wird Akim nun im Büro schlafen.
 

Reda Gaudiamo wurde 1962 in Surabaya geboren. Ihre Arbeit in der Unternehmenskommunikationsbranche, macht sie zu einer der führenden indonesischen Zeitschriftenredakteure und Verleger, sowie zu einer aktiven Autorin von Kurzgeschichten. Auch als Sängerin bekannt, hat sie die Gedichte von Sapardi Djoko Damono musikalisch umgesetzt: Bis heute hat sie zwei CDs veröffentlicht: Gadis Kecil (Kleines Mädchen) und Becoming Dew.
 

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