Interview mit Dr. Carola Dürr, Institutsleiterin
„Ich bin neugierig auf dieses Land“

Carola Dürr
© Cedric Dorin/Goethe-Institut Israel

Mit Dr. Carola Dürr hat das Goethe-Institut Israel eine neue Leiterin bekommen. Im Interview verrät sie, woher ihre Begeisterung für Israel kommt, was sie am Theater besonders fasziniert, und welches Hobby sie zu ihrer Freude jetzt auch in Tel Aviv weiter verfolgen kann.

Sechs Jahre lang haben Sie das Goethe-Institut in Peru geleitet. Warum haben Sie sich als nächste Station für Israel entschieden?
 
Das hat gewiss auch persönliche Gründe, die bis in meine Kindheit zurückgehen. Unsere Eltern haben mir und meinen Brüdern zum Beispiel Kinderbücher vorgelesen, die in israelischen Kibbutzim spielten. Die Welt dort erschien mir wundersam fremd, aber auch sehr schön. Sie haben uns dann auch schon 1979 mit auf eine erste Reise hierher genommen. Und die Berichterstattung anlässlich des 70. Jahrestages der Staatsgründung von Israel im vergangenen Jahr bestätigte mich dann noch einmal in meinem Entschluss, eine Zeit lang hier leben und arbeiten zu wollen. Sie hat Israel als ein so spannendes, modernes, dynamisches Land gezeigt, dass man gar nicht anders konnte, als neugierig zu werden.
 
Welche Schwerpunkte in der Programm-Arbeit waren Ihnen während Ihrer Zeit in Peru wichtig, und welche sollen es in Israel sein?
 
Wir haben Projekte zu Migration, zu Erinnerungskultur und Umweltfragen gemacht. Das sind alles Themen, die hier natürlich auch schon vielfach behandelt wurden, die mit Sicherheit aber auch weiter spannend sein können. Was wir konkret im kommenden Jahr machen wollen, und welche Schwerpunkte wir langfristig verfolgen, das entwickeln wir derzeit in unserem Team. Wichtig ist und bleibt für uns natürlich, dass wir viel in Zusammenarbeit mit Partnern hier vor Ort verwirklichen – mit Institutionen, mit Künstlerinnen und Künstlern, mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen. Darauf freue ich mich jetzt.
 
Peru war Ihre erste Station für das Goethe-Institut, zuvor waren Sie freie Kulturmanagerin und Dramaturgin in Berlin. Neben dem Studium der Theaterwissenschaft, Beiträgen über osteuropäisches Theater in diversen Fach-Zeitschriften haben Sie auch selbst Texte für die Bühne verfasst. Woher kommt diese Begeisterung fürs Theater?
 
Ich vermute, es ist das Interesse für Menschen und ihre jeweils ganz persönliche Geschichte. Im Theater ist diese Begegnung von Menschen ganz real, sowohl in den Proben, als auch danach Abend für Abend auf der Bühne. Theater funktioniert nicht ohne die Interaktion zwischen Saal und Bühne, zwischen dem Publikum und den Akteuren. Es ist die Bereitschaft, sich jedes Mal aufs Neue wieder zu begegnen und aufeinander einzulassen.  
 
2002 haben Sie in Berlin die „Europäische Ost-West-Akademie für Kultur und Medien” gegründet. Warum fanden Sie es wichtig, diesen Verein zu gründen? 
 
Das war eine Idee, die ich gemeinsam mit Freunden hatte. Wir wollten die Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Künstlerinnen mit Menschen aus dem Kulturbereich in Ost- und Westeuropa initiieren und begleiten und haben dafür diesen kleinen Verein mit großem Namen gegründet. Besonders habe ich die Begegnung von angehenden Grafikdesignern und -designerinnen aus Berlin und dem ukrainischen Charkow im Gedächtnis. Gemeinsam arbeiteten sie 2006 an Plakaten für die internationale Plakatausstellung „4. Block“, die alle vier Jahre aus Anlass des Reaktorunfalls in Tschernobyl in Charkow stattfindet. Wir haben damals nicht nur die Begegnung zwischen jungen Menschen sehr unterschiedlicher Kulturkreise initiiert – was an sich schon immer ein sehr erfüllendes Erlebnis ist - , sondern uns auch sehr intensiv mit Atomenergie und den sichtbaren katastrophalen Folgen ihres Einsatzes beschäftigt, die ganze Landstriche auf Jahrhunderte unbewohnbar machen können. Wir haben mit Menschen zu tun gehabt, die dort waren, und so beeindruckende Persönlichkeiten wie die weißrussische Autorin Swetlana Alexijewitsch kennengelernt, die persönliche Berichte aus Tschernobyl in einem bewegenden Buch festhielt und später den Literaturnobelpreis erhielt. Das war für mich der Beginn meiner intensiven Zusammenarbeit mit dem deutschen Umweltministerium. Die Ausstellung in Berlin hat dann auch der damalige Minister Sigmar Gabriel mit uns eröffnet.
 
Seit einigen Wochen sind Sie nun schon im Land. Was ist Ihnen bisher aufgefallen?
 
Ich bin beeindruckt von der Lebendigkeit von Tel Aviv und der unglaublichen Vielfalt der Menschen hier in Israel. Wo immer ich mich bewege, ob auf der Straße, im kleinen Laden nebenan oder bei Veranstaltungen: Man kommt sehr leicht ins Gespräch und die Menschen erzählen einem ihre Geschichten oder was sie gerade bewegt. Und jede davon fasziniert mich. Außerdem habe ich mit großer Freude entdeckt, dass es auch hier eine sehr aktive Surf-Szene gibt.
 
Sie surfen?
 
Ja. Diesen Sport habe ich während meiner Zeit in Peru für mich entdeckt. Bis der Container mit meinen Möbeln ankommen wird, dauert es wohl noch einige Tage, meine Neopren-Anzüge habe ich daher schon im Koffer mitgebracht. Jetzt freue ich mich über jede Empfehlung, wo es die besten Surfspots gibt. Aber natürlich bin ich vor allem dankbar für Hinweise, welche Bücher, welche Filme über Israel sich lohnen, denn ich will dieses Land schnell noch besser und tiefer kennenlernen.
 
 

Zur Person
 
Geboren in Stuttgart. Studium der Slawistik und der Theaterwissenschaft in Berlin und Leningrad, anschließende Promotion mit einer Arbeit zum Theatergenre des russischen Vaudeville zwischen 1828 und 1855. Mitwirkung an verschiedenen Festivals, darunter den „Berliner Festwochen” und „Theaterformen”. Artikel in osteuropäischen, französischen und deutschen Theaterzeitschriften (u. a. „Theater heute”, „Die Deutsche Bühne”, „Theater der Zeit”). Ab 2000 Vorträge, Workshops und Beratung für Goethe-Institute u. a. in Vilnius, Riga, Moskau und Mexiko zu neuer deutscher Dramatik. 2002 Textfassung für “Die Geschichte des Kaspar Hauser” (Regie: Alvis Hermanis, Uraufführung in Riga; 2012 deutschsprachige Fassung am Schauspielhaus Zürich, Einladung zum Theatertreffen in Berlin 2013). 2002 Gründung der „Europäischen Ost-West-Akademie für Kultur und Medien”. Von 2001 bis 2006 u. a. Co-Kuratorin und Dramaturgin am „Haus der Kulturen der Welt” in Berlin. Kuratorin von Projekten des Bundesumweltministeriums von 2005 bis 2009 (u.a. „Woher der Wind weht. Szenarien des Klimawandels” am Berliner Theater „Hebbel am Ufer”). 2011 Projektdramaturgie bei „Eugen Onegin“ (Regie: Alvis Hermanis) an der Schaubühne Berlin, 2013-2019 Leiterin des Goethe-Instituts Peru. Zahlreiche Veröffentlichungen, u. a. als Mitherausgeberin, darunter „Illusion der Nähe? Ausblicke auf die europäische Nachbarschaft von morgen“ für das Goethe-Institut.