Klimagipfel in Paris 2015
„Ein globales Minderungsziel wäre wichtig“

Zeichen des Klimawandels;
Zeichen des Klimawandels; | © fotolia

Jochen Harnisch ist Klimabeauftragter der KfW Entwicklungsbank und gehört als Leitautor dem Weltklimarat an. Seit mehr als zwei Jahrzehnten beobachtet er die Klimaverhandlungen.

Herr Harnisch, im Vorfeld des Klimagipfels von Paris verbreiten die Teilnehmer vorsichtigen Optimismus. Teilen Sie diese Zuversicht?

Die Positionen der Staatengruppen liegen weit auseinander. Ich hoffe, dass sie dennoch ein globales Minderungsziel formulieren.

Was genau meinen Sie damit?

Spätestens seit dem Gipfel in Kopenhagen 2009 wissen wir, dass es einen Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll, ein sogenanntes Kyoto Plus, nicht geben wird. Damals hatte die Staatengemeinschaft konkrete CO2-Minderungsziele für die Industriestaaten festgelegt und zwar Land für Land. Ein solches völkerrechtlich bindendes Abkommen lässt sich so bald nicht wiederholen. Ein globales Reduktionsziel für alle aber ist zu erreichen und wäre als Orientierung für Investoren wichtig.

Was müsste demnach im Abschlussdokument stehen, damit Sie von einem Erfolg sprechen könnten?

Dass sich die Staatgemeinschaft dazu verpflichtet, den Ausstoß an Treibhausgasen bis Mitte des Jahrhunderts um 40 Prozent gegenüber 2010 zu senken. Dann hätte sie das internationale Zwei-Grad-Ziel in ein globales CO2-Minderungsziel überführt. Das wäre in meinen Augen ein Erfolg, auch wenn die Gefahren des Klimawandels dadurch noch nicht gebannt wären. Eine Reduktion um 40 Prozent ist nach Ansicht des Weltklimarates das Mindeste, was geschehen muss. 70 Prozent wären sicherer, machten aber erhebliche Umverteilungen zwischen Staaten und Sektoren nötig und sind daher unrealistisch.

„Niemand muss tun, was er eigentlich nicht will“

Angenommen, es käme zu diesem Globalziel. Wie könnte es erreicht werden, wenn doch die Einzelstaaten gleichzeitig keine konkreten Pflichten erhalten?

Teil des Vorbereitungsprozesses für Paris war es, dass die Staaten sich nationale Ziele zur CO2-Minderung setzen und bei den Vereinten Nationen anmelden. Viele Staaten haben in den vergangenen Monaten solche „Intended National Determined Contributions“ (INDCs) vorgelegt. Sie sind völkerrechtlich nicht bindend, aber aus meiner Sicht dennoch extrem sinnvoll. Die Ziele werden nicht mehr in einem multilateralen Verhandlungsprozess festgelegt, also gewissermaßen von oben. Sie kommen von den Staaten selbst, das macht ihre Einhaltung wahrscheinlicher. Niemand muss tun, was er eigentlich nicht will.

Reichen diese Selbstverpflichtungen, um den Klimawandel zu bremsen?

Nach Berechnungen von einschlägigen Thinktanks würden die bisherigen INDCs den Temperaturanstieg auf etwa 2,7 Grad begrenzen. Mit anderen Worten: Sie sind ein guter Anfang, das Schlimmste wäre vermieden. Man wird damit wohl nicht bei zwei Grad landen, aber es sind eben auch nicht mehr vier oder fünf, wie noch vor einiger Zeit befürchtet. Später kann man die Ziele nachschärfen. Die Alternativen wären ein komplettes Scheitern der Verhandlungen oder vage Formulierungen mit frommen Wünschen.

Ist ein Scheitern in Paris völlig ausgeschlossen?

Nein, aber ich halte es für unwahrscheinlich. Es wird, zusätzlich zu dem Paket mit den INDCs, einen Vertrag geben. Die Frage ist nur, wie substanziell er sein wird. Wenn wir darin die Formulierung „minus 40 Prozent bis 2050“ finden und zugleich klare Aussagen über Finanzmittel für Entwicklungsländer, wäre das ein großer Schritt voran.

„Mit einem Blick auf das Machbare“

Das Jahr 2015 wird also nicht das große Wendejahr im Klimaschutz, wie von manchen euphorisch vorhergesagt?

Nein, das glaube ich nicht. Für mich wäre viel geleistet, wenn wir den langen und mühsamen Weg der Dekarbonisierung mit einem Blick auf das Machbare weitergehen könnten und Paris nicht zu einem Rückschlag wird.

Eine große Kontroverse gibt es regelmäßig auch ums Geld. Wer zahlt für den Klimaschutz, vor allem in den ärmsten Ländern?

Schon heute stellen die Industrieländer mehr Geld für Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern bereit, als häufig angenommen. Nach Zahlen der OECD waren es allein 2014 mehr als 50 Milliarden Euro über ganz verschiedene Kanäle, darunter auch über die KfW. Zudem gibt es inzwischen den sogenannten Grünen Klimafonds, der mit seiner Arbeit gerade erst begonnen hat. Wie viele Mittel er am Ende erhalten wird, hängt sehr stark von seiner Leistungsfähigkeit ab. Derzeit sind rund zehn Milliarden Dollar zugesagt. Das alles reicht allerdings bei weitem nicht.

Angenommen, die Staatengemeinschaft verabschiedet in Paris einen halbwegs gehaltvollen Vertrag. Wie gehen die Gespräche danach weiter?

Man muss Berichtspflichten und Mechanismen zur Überprüfung formulieren. Gelder bereitzustellen bleibt ebenfalls ein wichtiges Anliegen. Vor allem aber wünsche ich mir, dass in Paris ein verlässlicher Rahmen geschaffen wird, damit nach der Aufregung des Gipfels die konkrete Umsetzung folgen kann.

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