Europäischer Buchklub Ich sehe immer den Menschen vor mir

Von Hermann Vinke

Buchcover der hebräischen Ausgabe ©כותרים הוצאה לאור Ins Hebräische übersetzt von: Daniel Heiman
Herausgeber der hebräischen Ausgabe: Moshe Alon
Produktionsleiter: Meir Shmama

Ergänzend zur Buchvorstellung werden Ausschnitte aus Chanoch Zeevis Dokumentarfilm „Tagebuch eines Nazis“ über Wilm Hosenfeld gezeigt.

In Anwesenheit von Hermann Vinke, Moshe Alon (Kotarim Verlag) und Chanoch Zeevi.
 
Warschau im November 1944. Auf dem Dachboden eines verlassenen, von der Wehrmacht zur Kommandantur gemachten Gebäudes, entdeckt ein NS-Offizier im Rang eines Hauptmanns einen verängstigten, Hunger leidenden Juden. Wie sich später herausstellt, handelt es sich bei dem Juden um den bekannten polnischen Pianisten Wladyslaw Szpilman.  Doch statt Szpilman auszuliefern, versorgt der NS-Offizier den jüdischen Musiker wochenlang mit Essen.
Ohne Roman Polanskis preisgekrönten Film „Der Pianist“, wäre dieser ungewöhnliche Fall sicherlich in Vergessenheit geraten. Im Laufe der Jahre stellte sich dann heraus, dass jener NS-Offizier, Wilhelm Hosenfeld, nicht nur Szpilman vor dem sicheren Tod bewahrt, sondern weiteren 60 Menschen, Juden und Nichtjuden, das Leben gerettet hat.

Hosenfelds Biografie erzählt die außergewöhnliche und widersprüchliche Lebensgeschichte eines Menschen mit Zivilcourage und veranschaulicht, wie ein Mensch selbst in barbarischen Zeiten seine Menschlichkeit bewahrt. Hosenfelds eigenes Leben hatte ein grausames Ende. Die Russen glaubten seinen Geschichten nicht. Er starb an den Folgen von Misshandlungen in russischer Kriegsgefangenschaft. Erst 2008 wurde er postum von der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem zum Gerechten unter den Völkern erklärt. Der einstige Dorflehrer und Offizier hatte den gesamten Zweiten Weltkrieg in Polen verbracht, dort die Verbrechen der Nazis dokumentiert und diese Dokumente in über 800 Briefen an seine pazifistische Ehefrau übermittelt. Auf diese Weise ist seine Dokumentation des mörderischen Alltags im besetzten Warschau, des Aufstands der Juden im Ghetto 1943 und des Warschauer Aufstands 1944 der Nachwelt erhalten geblieben.
 
Nach umfassender Recherche, Dutzenden Gesprächen mit Zeitzeugen und Experten sowie dem Studium Hunderter Dokumente schildert der deutsche Rundfunk-Journalist und Sachbuchautor Hermann Vinke Wilhelm Hosenfelds moralisches Dilemma. Hosenfeld, einst begeisterter Hitler-Anhänger und stolzes NSDAP-Mitglied, wird zum Zeugen der Gräuel seiner Kameraden.  „Mit dem Massenmord der Juden haben wir den Krieg verloren. Damit sind wir für immer verflucht.  Dieses Schandmal werden wir ewig tragen. Erbarmen und Mitleid haben wir nicht verdient. Diese Schuld haben wir alle auf uns geladen.“
 
Hermann Vinke hat zahlreiche, in viele Sprachen übersetzte Bücher und Artikel verfasst, in deren Mittelpunkt Menschen stehen, die sich gegen das NS-Regime aufgelehnt haben. Neben der Biografie von Wilhelm Hosenfeld sollte noch „Das kurze Leben der Sophie Scholl“ besonders erwähnt werden. Das Buch erzählt von einem jungen Mädchen, das unter Einsatz ihres Lebens ein wichtiges Kapitel in der Geschichte des deutschen Widerstands gegen das NS-Regime geschrieben hat. Sie wird zusammen mit ihrem Bruder und weiteren Freunden mit der Guillotine enthauptet. In Deutschland steht Sophie Scholl heute für Zivilcourage und Menschlichkeit in schrecklichsten Zeiten.  

Hermann Vinke, geb. 1940 in Rhede-Ems, Journalist und Autor zahlreicher Bücher, darunter Das kurze Leben der Sophie Scholl (Dt. Jugendliteraturpreis), Carl von Ossietzky, Dokumentation  Die DDR (2008),Gegen den Strom der Unfreiheit – Zeitzeugen der DDR erinnern sich (2013), Akteneinsicht Christa Wolf  (1993, hrsg.).  Studium der Geschichte und Soziologie. Redakteur bei Tageszeitungen und beim NDR in Hamburg. ARD-Korrespondent in Japan, USA, DDR/ Ostmitteldeutschland und Ostmitteleuropa. 1992-2000 Programmdirektor Hörfunk Radio Bremen.

Ort: Beit Ariela, Rambam Library

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