Schnelleinstieg:

Direkt zum Inhalt springen (Alt 1) Direkt zur Hauptnavigation springen (Alt 2)

Im Kampf gegen Rassismus
Diversität beginnt mit Einsicht

Enissa Amani, Natasha A. Kelly, Max Czollek in der Sendung: „Die beste Instanz“
Die Künstlerin und Moderatorin Enissa Amani lud fünf Gäste ein, die über das Thema Rassismus in der Sendung gesprochen haben: die Kommunikationswissenschaftlerin Natasha A. Kelly, den Lyriker und Buchautor Max Czollek (beide im Bild), die Bildungsreferentin Nava Zarabian von der Bildungsstätte Anne Frank, den Comedian Gianni Jovanovic, der sich für die Interessen von Sinti und Roma einsetzt, sowie den Journalisten Mohamed Amjahid. | Foto (Detail): Erhan Dogan

Mit der Sendung „Die beste Instanz“ reagierte Enissa Amani auf die umstrittene Sendung „Die letzte Instanz“ des WDR und schaffte damit einen Raum für eine Diskussion über Rassismus mit den Menschen, die es täglich betrifft. Was es noch braucht, um die Medienlandschaft in Deutschland diverser zu gestalten, beantwortet sie uns in dem Interview.

Als Reaktion auf die WDR-Sendung „Die letzte Instanz“ haben Sie eine eigene Talkshow auf Youtube gestellt: „Die beste Instanz“. Was hat Sie dazu motiviert und wen wollen Sie mit der Sendung erreichen?

Die Wut und die Empörung über diese traurige Rassismus reproduzierende Sendung trug ich ja nicht allein. Tausende Menschen auf verschiedensten Plattformen waren unfassbar empört über die Tatsache, dass es noch immer zu wenig Aufklärung über strukturellen Rassismus in Deutschland gibt. Immer noch kommen zu wenig die Betroffenen und vor allen Dingen die Expert*innen zu Wort. Es ist gefühlt immer die gleiche „Stammtisch-Runde“ mit den Ewiggestrigen, die sich gegenseitig für ihre Ignoranz noch auf die Schulter klopfen.

Ich hatte gar nicht vor, diese Sendung zu machen. Ich habe zuerst ein Statement-Video gemacht, in dem ich klar und scharf zu der Sendung Stellung genommen habe. Darin habe ich den WDR dazu aufgerufen, eine „Klarstellungssendung“ zu machen mit entsprechenden Expert*innen, die die Auswirkungen solcher als harmlos verpackten Gedanken erklären können, aber sie reagierten nicht.

Nachdem ich dann mit meinem Team innerhalb von vier Tagen Die beste Instanz auf die Beine gestellt habe und online wahnsinnig viel Zuspruch erfahren habe, kamen plötzlich der WDR und andere Sender auf mich zu, die mich für entsprechende Antirassismus-Sendungen einladen wollten. Ich habe alle abgelehnt. Zu dem Zeitpunkt hatte ich die Sendung ja bereits gemacht und alles, was gesagt werden musste, war gesagt. Ich bin sehr dankbar für die viele Anerkennung und die wunderschönen Danksagungen von Tausenden Menschen, die zuvor tief verletzt worden waren. Dafür hat es sich gelohnt.

Die Sendung erlebte einen großen Anklang in den sozialen Medien, und wurde anschließend mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen der Preis für die Sendung? Haben Sie das Gefühl etwas angestoßen zu haben?

Der Grimme Online Award war natürlich eine große Freude und Ehre. Dabei war es aber vor allem eine Erkenntnis, dass auch nicht populistische Inhalte die breite Masse erreichen und etwas bewirken können. Im Gegensatz zu der Vorgehensweise mancher Mainstreammedien, die mit ihren Sendungen auch Angst, Unruhe und Vorurteile verbreiten. Auch Menschen höheren Alters lassen sich zu neuen Gedanken anstoßen. Ein gutes Beispiel dafür ist der folgende Kommentar auf Youtube unter dem Die Beste Instanz–Video: „Ich bin ein über 60 Jahre alter weißer Mann, der sich bisher für recht aufgeklärt gehalten hat. Diese Sendung war auch für mich eine aufweckende Ohrfeige. Enissa for President.“ Das finde ich süß und auch so unglaublich rührend.

Wie steht es um die Diversität in der deutschen Medienlandschaft und was ist noch zu tun?

Es ist keine vorhanden. Was wir haben sind immer und immer wieder nur Tokens, die eine Alibifunktion haben und eingesetzt werden, um den Schein von Diversität zu erwecken. Ich wurde auch oft zu einem Token gemacht. Einige wenige Sendungen werden von Black, Indigenous, People of Colour  (BIPoCs) moderiert oder gestaltet und das auch sehr gut. Dennoch ist die Umsetzung von den Produzent*innen nicht authentisch und konsequent, wenn dann in der Sendung wieder zahlreiche Rassismen reproduziert werden.

Wenn die meisten Sendungen in der deutschen Medienlandschaft nicht divers sind und gefühlt 98 Prozent der Chef*innen in den Führungsetagen der Sender weiße hetero Männer sind, wenn Minderheiten und Marginalisierte immer die gleichen Rollen bekommen, dann ist das das Gegenteil von Diversität. Die Menschen, die ein Teil des strukturellen Problems sind, sind noch lange nicht einsichtig und dafür bereit wirkliche Veränderungen vorzunehmen und echte Gleichbehandlung zu praktizieren. Sie leben, wie Tupoka Ogette in ihrem Buch exit racism es so schön formuliert, in ihrem „happy land“. Sie sind dann völlig schockiert, wenn sie mit ihren Privilegien konfrontiert werden. Und dann kommt das berühmte: „Ich? Für mich sind alle Menschen gleich, ich sehe keine Farben.“

Weder sehen diese Menschen alle gleich, noch werden grundsätzlich alle gleich behandelt. Das ist ein Fakt. Sätze wie „Ich kenne einen Araber, aber ein ganz lieber, moderner“ sind dann Ausdruck ihrer Toleranz. Das ist kein „Alle sind gleich“, das ist Herablassung. Solche Menschen können außerdem entscheiden, wann und wo sie mich und andere gleich sehen und wann nicht. Ich war Ausländerin, ich konnte nicht sagen „Aber alle sind doch gleich!“, die anderen waren „gleicher“ und ich permanent in der Pflicht mich zu beweisen, um dazuzugehören und möglichst nicht fremd zu wirken. Heute ist das anders, ich und viele andere wollen gar nicht mehr „dazu gehören“.

Wie könnte Verschiedenheit in der deutschen Medienlandschaft gefördert und gestärkt werden? Welche Strukturen und Prozesse sind dafür nötig?

Das ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, zu dem viele Faktoren und viele Bewegungen gehören. Solange die Menschen mehrheitlich Stereotypen und Rassismus reproduzierende Sendungen sehen wollen, werden diese auch weiter so produziert. Wir sind noch lange nicht soweit, dass eine kosmopolitische, plurale Gesellschaft in der Medienlandschaft abgebildet, gefördert und von dieser geschützt wird. Es braucht mehr Widerstand, mehr Gegenbewegungen, mehr Aufklärung und mehr Mut.


Dieses Interview wurde schriftlich geführt. Die Fragen stellte Marta Krus, Volontärin in der Onlineredaktion des Goethe‑Instituts in München.
 

Top