Photographie-Ausstellung
Hybrid Modernism. Movie Theatres in South India.
HAUBITZ + ZOCHE

noch auf Besucher wartet.
Die Serie Hybrid Modernism. Movie Theaters in South India untersucht die Rezeption und Neuinterpretation westlicher architektonischer Einflüsse in Südindien und enthüllt in der gewohnt feinfühligen Annäherung und dem scharfen Blick von Haubitz + Zoche die ästhetische Qualität dieser außergewöhnlichen Gebäude.

Die Rezeption modernistischer Architektur wurde maßgeblich durch Le Corbusiers Bauprojekte in Indien in den fünfziger Jahren inspiriert und spiegelt sich auch in den Gebäuden einheimischer Architekten wider. Bei den südindischen Kinogebäuden ist dieser Einfluss deutlich erkennbar, wird aber von Elementen durchbrochen, die aus westlicher Sicht eher als „anti-modernistisch“ bewertet werden. Sie gehen auf die traditionelle indische Architektur ebenso zurück wie auch auf das einflussreiche Art Déco.
Starke Farbigkeit, auffälliger bauplastischer Schmuck und das in der Moderne vehement abgelehnte Ornament der Arabeske bleibt hier vor allem in den Interieurs eine häufige Dekorationsform. Kurzum: Bei den indischen Kinogebäuden handelt es sich um eine kulturell geprägte Neuinterpretation des modernen Baustils, die nicht nur von der beschriebenen Hybridität gekennzeichnet ist, sondern auch von einer stark kulissenhaften Wirkung der Architektur. Oft erscheinen die Fassaden wie Attrappen, die dem Baukörper vorgesetzt wurden.
Somit wird die den Kinofilm bestimmende Funktion der Kulisse und der damit einhergehende, für die filmische Präsentation so relevante Prozess der Immersion aufgegriffen – sie kommen bereits außerhalb des Kinosaals zum Tragen. Diese interessante Zuspitzung der Gebäudefunktion wird im Inneren der Kinos fortgeführt. Auch hier trifft man mancherorts auf extravagante, skulpturale Formen und Verzierungen, die den Besucher in eine bühnengleiche Atmosphäre versetzen und ihn dadurch auf das bevorstehende Kinoerlebnis einstimmen.

In einem Land wie Indien, das jährlich etwa 1200 Filme in 24 Sprachen produziert und damit in dieser Hinsicht die führende Nation der Filmindustrie darstellt, hinterlässt die Welt des Kinos überall ihre Spuren. Neben den Fotografien der Kinogebäude, die eine gewisse Zeitlosigkeit ausstrahlen, in der Ausstellung auch großformatige Momentaufnahmen von Filmplakaten im urbanen Kontext zu sehen, in denen die Durchdringung von filmischer und alltäglicher Realität eindrücklich widergespiegelt wird.
Homi Bhabha hat den Begriff der Hybridität geprägt, der für die postkolonialen Theorien der letzten Jahrzehnte von zentraler Bedeutung ist. "Für mich steht die Wichtigkeit der Hybridität für den dritten Raum, der es ermöglicht andere Positionen herauszustellen. (…) Der Prozess der kulturellen Hybridität führt zu etwas Anderem, etwas Neuem, bislang nicht Erkennbarem, einem neuen Verhandlungsraum von Sinn und Repräsentation“ (Homi Bhabha, 1990 in einem Interwiew)
In seinem Hauptwerk “The location of culture” (1984) beschreibt Bhabha die Entstehung des third space aus der bewussten und unbewussten Aneignung von Zeichen und Symbolen der kolonisierenden Kultur und die Integration in das eigene Zeichensystem. Zwischen den Kulturen entstehe ein hybrider dritter
Raum, der eine kritische Distanzierung ermögliche.

Die in dieser Ausstellung gezeigten Fotografien sind in den Jahren 2010 - 2013 entstanden. Eine Publikation zur Werkserie ist in Vorbereitung.
Seit 1998 arbeiteten die Künstlerinnen Sabine Haubitz und Stefanie Zoche zusammen und positionierten sich unter dem Namen Haubitz + Zoche mit ihrem fotografischen und installativen Werken im internationalen Kunstgeschehen.
Im März 2014 ist Sabine Haubitz tödlich verunglückt. Stefanie Zoche wird das Werk, das die Handschrift beider Künstlerinnen trägt, in beider Namen fortsetzen.
Die aktuelle Ausstellung reiste von München nach Goa und wird von Bangalore aus weiter nach Chennai reisen. Die Photographien wurden erstmals 2013 in Trivandrum während des International Film Festival of Kerala ausgestellt.