Ausstellung bauhaus imaginista: Moving Away

M. P. Ranjan | Bamboo Cube Stools, n.d. | Bamboo | 43 x 43 x 43 cm; 52 x 36 x 52 cm © National Institute of Design, Knowledge Management Center, Archive collection © National Institute of Design, Knowledge Management Center, Archive collection

Dienstag, 4. - Dienstag, 18. Dezember 2018

Kiran Nadar Museum of Art

Im Kiran Nadar Museum of Art (KNMA) in New-Delhi präsentiert bauhaus imaginista die Ausstellung Moving Away. Sie will anhand von Beispielen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, aus Indien, Nordkorea und China zeigen, wie die gestalterischen und architektonischen Leitlinien des Bauhauses in unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Kontexten abgeändert, erweitert oder infrage gestellt wurden. Wie schon der Titel der Ausstellung verdeutlich, schlug die Migration der Bauhaus-Ideen keinen einfachen Verbreitungsweg ein; vielmehr entwickelten sich die Ideen in enger Abhängigkeit mit lokalen Gegebenheiten vor Ort und vor dem Hintergrund geopolitischen Wandels im 20. Jahrhundert zu dynamischer Akzeptanz und Ablehnung weiter.
 
Marcel Breuers „Filmstrip“-Collage ein bauhaus-film. fünf jahre lang (1926) ist Ausgangspunkt der Ausstellung. Denn sie veranschaulicht die Entwicklung des Stuhls vom handwerklich erzeugten Gegenstand zum industriellen Prototypen und weist in eine Zukunft, in der sich, so Breuer, die Gestaltung von Dingen ganz erübrigen würde. Breuer war der Meinung, dass sich Design an sein Umfeld anpassen müsse, was als Argument gegen einen universellen Satz von Formen und Methoden verstanden werden kann. Breuers Collage erschien in der ersten Nummer der Zeitschrift bauhaus, in der auch die Grundsätze der Bauhausgestaltung dargelegt und eine Überwindung des Denkens in Einzelobjekten zugunsten einer ganzheitlichen Betrachtung des Wohnhauses gefordert wurden. Daraus ergab sich die Notwendigkeit neu gestalteter Tassen, Sitzmöbel, Stoffe, Wandfarben und Bodenbeläge, aber eben auch ganzer Universitäten, Häuser und Siedlungen. Die Ausstellung zeigt, wie diese einzelnen Bereiche zusammengeführt und auf die Maximen der Funktionalität und Gesellschaftsreform bezogen wurden.
 
Als Hannes Meyer, Gropius' Nachfolger als Direktor am Bauhaus, 1930 aus politischen Gründen entlassen wurde, ging er gemeinsam mit sieben seiner Studenten auf Einladung der Sowjetunion nach Moskau. Dort planten sie unter anderem Bildungseinrichtungen, Innenausstattungen und ganze Siedlungen. Sie führte Feldforschungen im urbanen Raum durch und übernahm die Gesamtplanung neuer Ballungsgebiete wie Orsk im südlichen Ural. Im Zuge der stalinistischen Säuberungen wurde die Avantgarde in der Sowjetunion zum Ziel ideologischer Angriffe. Etliche Bauhaus-Architekten kamen ins Gefängnis oder wurden hingerichtet. Viele von ihnen verließen die Sowjetunion und gingen nach Europa, Asien oder Südamerika. Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts konnte man daher an so unterschiedlichen Orten wie Ungarn, Chile, der DDR und Nord-Korea am Bauhaus ausgebildete Architekten als Stadtplaner und Hochschullehrer wiederfinden.
 
Zwanzig Jahre nach der Schließung des Bauhauses führte die 1953 gegründete Hochschule für Gestaltung in Ulm (HfG Ulm) dessen Grundgedanken in kritischer Auseinandersetzung weiter. Sie stellte unter anderem ehemalige Bauhaus-Meister und –Studenten für die Lehre ein, um eine aktualisierte Version des Vorkurses zu unterrichten, die auf visueller und taktiler Ausbildung in Farbe und Form basierte. Als die HfG Ulm Verbindungen zum National Institute of Design (NID) in Ahmedabad (gegründet 1961) und zum Industrial Design Centre (IDC) in Mumbai (gegründet 1969) aufbaute, wurden neben der werkstattorientierten Ausbildung auch Aspekte des Bauhaus-Vorkurses in die Lehrpläne dieser Schule aufgenommen. Aus Sicht des Nachkriegsdeutschlands wurde Design zum Katalysator für den wirtschaftlichen Wiederaufbau verstanden; im unabhängigen Indien galt Design als eine Möglichkeit, die Entwicklung des Landes unter Nutzung seiner jahrhundertealten Handwerkstraditionen und -fertigkeiten voranzubringen.
 
Bauhaus-Ideen fanden ihren Weg durch Architekten wie Richard Paulick, einem ehemaligen Mitarbeiter von Walter Gropius, und Wang Dahong (ein Schüler von Gropius) auch ihren Weg nach China. Beide waren als Dozenten am Fachbereich Architektur der 1942 gegründeten St. John’s University angestellt, dessen Lehre sich direkt am Beispiel des Bauhauses orientierte. Sie spielten nach 1945 auch eine bedeutende Rolle bei der Rahmenplanung des Ballungsraums Shanghai nach den rationalistischen Prinzipien des modernen Städtebaus. Zur selben Zeit führte der renommierte chinesische Architekt Liang Sicheng eine Reform der Architekturlehre an der Pekinger Tsinghua-Universität durch und folgte darin dem Beispiel Gropius’. Während der Kulturrevolution wurden Bauhaus-Ideen als bürgerlich verschmäht, in den folgenden Jahrzehnten aber rehabilitiert.
 
Die Ausstellung Moving Away am Kiran Nadar Museum, die in Teilen aus der gleichnamigen Ausstellung von Hangzhou (China) nach New Delhi weiterwandert, verbindet diese verschiedenen Stränge der Bauhaus-Geschichte erstmals zu einer Gesamtschau. Anhand mehrerer Fallstudien wird es möglich, den von der jeweiligen kulturellen Übersetzung und den Bedingungen vor Ort geprägten Umgang mit dem Bauhauserbe vergleichend zu betrachten.

bauhaus imaginista_Moving Away wird realisiert in Zusammenarbeit mit dem China Design Museum / China Academy of Art (Hangzhou).
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bauhaus imaginista
Das Symposium und die Ausstellung in New Delhi sind Teil einer Veranstaltungsreihe von bauhaus imaginista im Jahr 2018 zur Vorbereitung auf den hundertsten Jahrestag der Gründung des Bauhauses. Sie ist den weltweiten Beziehungen des Bauhauses und deren Nachwirkung in den großen geopolitischen Veränderungen des 20. Jahrhunderts gewidmet. Das Bauhaus hielt in der Zeit seines Bestehens weithin Kontakt zu Einzelpersonen und Institutionen, die sich als Teil der internationalen Bewegung der Moderne verstanden. Diese Kontakte waren wechselseitig einflussreich und prägten die Wahrnehmung des Bauhauses auch nach seiner unter Druck der Nazis im Jahr 1933 erzwungenen Schließung. Im Lauf des Jahres 2018 fanden vier eigenständige Ausstellungen zum Bauhaus in China, Japan, Russland und Brasilien statt, die unter der künstlerischen Leitung von Marion von Osten und Grant Watson mit einem Team von Forschern, Künstlern und Gestaltern aus aller Welt erarbeitet wurden. Hinzu kommen Diskurse in den USA, Marokko, Nigeria und Indien, die jeweils in Zusammenarbeit mit Institutionen aus dem Bereich Kunst und Gestaltung sowie mit den Goethe-Instituten vor Ort entstanden sind. Vom 15. März bis 10. Juni 2019 ist die Ausstellung bauhaus imaginista einschließlich ihres vierten Kapitels Still Undead am Haus der Kulturen der Welt in Berlin als Gesamtschau zu sehen.
 
bauhaus imaginista ist eine Zusammenarbeit zwischen der Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar, dem Goethe-Institut und dem Haus der Kulturen der Welt, Berlin (HKW). Das Forschungsprojekt mit verschiedenen Ausstellungsstationen findet anlässlich des 100-jährigen Gründungsjubiläums des Bauhauses statt. Die Goethe-Institute erweitern es durch internationale Perspektiven, im Rahmen von 100 Jahre Gegenwart wird es in Berlin im HKW zusammengeführt. bauhaus imaginista wird ermöglicht durch Mittel der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Die Kulturstiftung des Bundes (KSB) unterstützt die Ausstellung in Berlin, das Auswärtige Amt die Auslandsstationen. Medienpartner sind 3sat und Deutschlandfunk Kultur. Partner im Ausland sind die Goethe-Institute China, New Delhi, Lagos, Moskau, New York, Rabat, São Paulo und Tokyo sowie Le Cube – independent art room (Rabat) und weitere Institutionen. bauhaus imaginista wird realisiert in Zusammenarbeit mit dem China Design Museum / China Academy of Art (Hangzhou), der Independent Administrative Institution of National Museum of Art / The National Museum of Modern Art Kyoto, dem Garage Museum of Contemporary Art (Moskau) sowie dem SESC São Paulo.

Weitere Informationen unter
www.bauhaus-imaginista.org
#bauhausimaginista

www.bauhaus100.de
 #bauhaus10

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