Lesung 13. Lesung: Hans-Georg Gadamer (11 February 1900 - 13 March 2002)

Hans-George Gadamer © Goethe-Institut | Quelle: pinterest

Sa, 09.12.2017

14:00 Uhr

Bibliothek MMB

mit Dr. Apaar Kumar und Dr. Paneerselvam

Hans-Georg Gadamer ist die entscheidende Figur in der Entwicklung der Hermeneutik des 20. Jahrhunderts - dabei stellt er mit seinem  Einfluss und Ansehen andere führende Persönlichkeiten, darunter Paul Ricoeur und Gianni Vattimo (Vattimo selbst war einer von Gadamers Schülern), nahezu in den Schatten.

Ausgebildet in neokantianischer Gelehrsamkeit, sowie in der klassischen Philologie und zutiefst von der Philosophie von Martin Heidegger beeinflusst, entwickelte Gadamer einen unverwechselbaren und fast ausschließlich dialogischen Ansatz, der sowohl im platonisch-aristotelischen als auch im heideggerschen Denken begründet ist, Subjektivismus und Relativismus ablehnt, jeder vereinfachten Deutungsmethode abschwört und das Verständnis im sprachlich vermittelten Geschehen der Tradition begründet. Mit einem orthodoxeren und bescheideneren, aber auch zugänglicheren Stil als Heidegger selbst kann Gadamers Arbeit in vier Hauptbereiche eigeteilt werden: Der erste und eindeutig einflussreichste ist die Entwicklung und Ausarbeitung einer philosophischen Hermeneutik; der zweite ist der Dialog innerhalb der Philosophie und in der Geschichte der Philosophie, besonders im Hinblick auf Platon und Aristoteles, aber auch auf Hegel und Heidegger; der dritte ist die Auseinandersetzung mit der Literatur, besonders der Poesie, und mit der Kunst; und der vierte ist das, was Gadamer selbst als "praktische Philosophie" bezeichnet (vgl. Gadamer 2001, 78-85), die sich mit zeitgenössischen politisch und ethischen Fragen befasst.

Der 'dialogische' Charakter von Gadamers Ansatz ist nicht nur offensichtlich in der zentralen theoretischen Rolle, die er dem Konzept des Dialogs in seinem Denken gibt, sondern auch im diskursiven und dialogischen, sogar 'dialogorientierten' Charakter seines Schreibens und in seinem persönlichen Engagement gegenüber des intellektuellen Engagements und Austausches. In der Tat ist er einer der wenigen Philosophen, für die das "Interview" zu einer bedeutenden Kategorie der philosophischen Arbeit geworden ist (vgl. Hahn 1997, 588-599; auch Gadamer 2001, 2003).

Obwohl er Verbindungen zwischen seiner eigenen Arbeit und dem englischsprachigen "analytischen" Denken identifizierte (hauptsächlich über den späteren Wittgenstein, aber auch Donald Davidson), und seine Ideen manchmal von Denkern  wie Alasdair McIntyre (siehe MacIntyre 2002), Ronald Dworkin (siehe Dworkin 1986), Robert Brandom (siehe Brandom 2002), John McDowell (siehe McDowell 1996, 2002) und vor allem Richard Rorty (Rorty 1979) übernommen wurden, ist Gadamer vielleicht weniger bekannt, und sicherlich weniger geschätzt in philosophischen Kreisen außerhalb Europas als einige seiner nahen Zeitgenossen. Er ist zweifellos einer der bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts, der eine Reihe von Bereichen von der Ästhetik bis zur Jurisprudenz geprägt hat und in Deutschland und anderswo in Europa Respekt und Ansehen erlangt hat auch jenseits der üblichen akademischen Grenzen. (Quelle: https://plato.stanford.edu/entries/gadamer/)


Dozenten:
  • Dr. Apaar Kumar, Manipal Centre for Philosophy and Humanities
Berufsqualifikation
Promotion in Philosophie, 2009, Emory University

Forschungsinteressen
Kant, Ethische und Politische Philosophie, Deutsche Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts

Regelmäßig unterrichtete Kurse
Einführungskurse in Philosophie, Logik und Ethik; und fortgecshrittene Kurse  in der Geschichte der modernen Philosophie und des kontinentalen Denkens des 19. und 20. Jahrhunderts. Bei MCPH hat er Kurse in Ethik, Ästhetik, Sprachphilosophie, sozialer Ontologie und Metaphysik des Selbst gelehrt.

Dr. Paneerselvam, Former Head, Dept of Philosophy, University of Madras

Fachgebiet
Nicht-westliche Philosophie, sowohl traditionell als auch zeitgenössisch
Zeitgenössische kontinentale Philosophie unter besonderer Berücksichtigung der Postmoderne Sprachphilosophie (indisch und westlich)
Interkulturelle Hermeneutik
 

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