Eine Utopie auf Erden entwerfen: Digital Art von Amanj Ameen

Amanj Ameen zu sehen mit einem Tattoo auf dem Nacken
Amanj Ameen zu sehen mit einem Tattoo auf dem Nacken | Mohammed Shwany© Goethe-Institut Irak

Amanj Ameen, ein Künstler aus Kirkuk, drückt mit seiner Kunst eine Philosophie aus, die eine radikal pazifistische Haltung widerspiegelt. Dafür spürt er einen hohen gesellschaftlichen Druck. Ameens Porträts, in seiner eigenen Biografie verankert, löst Grenzen zwischen Mensch, Tier und Umwelt auf. Ausstellungen in Irakisch Kurdistan veranstaltet er daher nur in beschränktem Maße, obwohl er ansonsten häufig in den arabischen Golfstaaten und Europa ausstellt. Ameens Kunstaustellung in Erbil, im Rahmen von „Helan“, einem Projekt des Goethe-Institut Iraks in Kooperation mit der Sêv Gallery und der Framing Photojournalism School, ist daher ein umso bedeutenderes Ereignis.

Von Schluwa Sama

Von rechts: Safin Hamid/ Framing Photojournalism School, Anais Boelicke/Leitung Goethe-Institut Irak, Mutter des Künstlers Amanj Ameen, Amanj Ameen, Klemens Semtner/Generalkonsul der BRD in Erbil, Znara Ahmed/Sêv Gallery
Von rechts: Safin Hamid/ Framing Photojournalism School, Anais Boelicke/Leitung Goethe-Institut Irak, Mutter des Künstlers Amanj Ameen, Amanj Ameen, Klemens Semtner/Generalkonsul der BRD in Erbil, Znara Ahmed/Sêv Gallery | Mohammed Shwany© Goethe-Institut Irak


Die Helan Ausstellung von Amanj Ameen beginnt mit gedämmtem Licht und der Stimme von Ameen, die aus dem Off kommt.  Auf Kurdisch leitet er ein in die Philosophie seiner Kunst. Die Räume sind voll während Ameen in Begleitung seiner Mutter, sowie Anaϊs Boelicke, der Institutsleiterin des Goethe-Instituts Irak, Znara Ahmed von der Sêv Gallery und Safin Hamid von der Framing Photojournalism School, die Gäste willkommen heißen. Nachdem die Stimme Ameens aufhört, wird das Licht aufgehellt; Hintergrundmusik erklingt und die Gäste sind eingeladen die Ausstellung zu besuchen.

Musikalische Performance auf der Helan Ausstellung von Amanj Ameen
Musikalische Performance auf der Helan Ausstellung von Amanj Ameen | Mohammed Shwany© Goethe-Institut Irak

Die ausgestellten Porträts von Ameen sind eine Zusammenstellung und Rekonstruktion von Wesen, in denen Menschen und Tiere in einander übergehen. Ameen deutet an, dass die Seele eines Menschen und eines Tieres nicht mehr wert sind als die eines Baumes. Ein Hauptelement seiner Weltanschauung ist hierbei die Seelenwanderung: „Wir sind als Menschen alle eins. Diese Grenzen und sogenannten unüberbrückbaren Unterschiede, die aufgemacht werden, sind Grenzen, die politisch gemacht worden sind. Das ist zum Beispiel auch im Iran-Irak Krieg geschehen. Iraker und Iraner wurden zu Feinden gemacht. Da wir alle eins sind, müssen wir uns gegenseitig respektieren. Vor allem muss der Mensch die Natur respektieren. Meine Kunst stellt sich daher gegen jegliche Form von Gewalt.“

Betrachtung eines Gemäldes von Amanj Ameen
Betrachtung eines Gemäldes von Amanj Ameen | Mohammed Shwany© Goethe-Institut Irak
Die kreativen Anfänge von Amanj Ameen

Seine Weltanschauung drückt Ameen über Digital Art aus. Angefangen hat er allerdings mit Gemälden: „Mein Onkel hat Ölgemälde gemalt und diese Kunst hat mich als Kind umgeben und inspiriert. Als mein Onkel in die USA auswanderte, begann ich diese künstlerische Lücke innerhalb der Familie zu füllen. Allerdings hat mich das Malen nicht gereizt. Ich suchte etwas um meine Ideen schneller und effizienter ausdrücken zu können“.

1999 hat Ameen an einer Ausstellung des Künstlerunion in Kirkuk teilgenommen, indem er die Kleidung seines Vaters eingerahmt hat und anschließend ausgestellt hat. Heute würde dies als Installationskunst verstanden. Dieses Verständnis gab es damals nicht. Nach einem acht Jahre währenden Krieg, haben die zehn Jahre der UN-Sanktionen gegen den Irak die Folgen des Krieges weiter verschärft. In diesen Umständen einer militarisierten, verarmten Gesellschaft gab es wenig Anerkennung geschweige denn Toleranz für Ameens Kunst. „Ich habe angefangen Fotos zu machen in einem Kontext, wo dies verboten war, und Kunst verleugnet war.“

Die Philosophie von Ameens Kunst

Die Philosophie in Ameens Kunst ist eine, die in seiner eigenen Biografie verortet ist. Geboren in die Zeit des acht Jahre anhaltenden Irak-Iran Krieges, verlor er seinen Vater als neugeborenes Kind im Krieg und erzählt, dass er heute keine Erinnerung mehr an ihn hat. Eine treibende, kreative Kraft für Ameen ist die Suche nach der Seele seines Vaters. Dabei ist sein künstlerisches Ziel nicht nur die Ablehnung von Krieg und allen Formen von Gewalt sondern auch die Schaffung einer Utopie. In dieser Utopie sind wir eng verbunden mit Bäumen, Pflanzen, jeglichen Tieren, die alle eine Seele haben aber auf unterschiedliche Art und Weise auf der Welt erscheinen. In der Natur fand er auch die Seele seines Vaters.
Dieses Verständnis der Seelenwanderung hat sich nicht nur aus der Lebensgeschichte von Ameen ergeben, sondern ist auch eine Anschauung, die er intellektuell greift.  Gleichzeitig, so Ameen, ist die Idee der Seelenwanderung auch religiös verankert, zum Beispiel im Yaresan Glauben, deren Anhänger sich in der Region um Halabja und auch im iranischen Kurdistan aufhalten.

Heute stellt Ameen seine Kunst am ehesten in Europa oder den Golfstaaten aus. In Kurdistan ist er weiterhin vorsichtig. Der gesellschaftliche Druck geht teilweise auch in Bedrohungen über. Besonders seine Mutter ist besorgt darüber, dass Ameen ähnlich wie sein Vater ein Opfer gesellschaftlicher Gewalt werden könnte. Dabei ist es genau diese Gewalt gegen die sich Ameens Kunst stellt.

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