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Interview mit Valentina Acca
Künstler aller Länder, vereinigt euch!

Valentina Acca Interview
© Valentina Acca

Die Theater- und Filmschauspielerin beklagt die mangelnde gesellschaftliche Anerkennung der Künstler*innen und ruft ihre Kolleg*innen dazu auf, in der Krise zusammenzustehen und gemeinsam für ihre Rechte zu kämpfen.

Von Maria Carmen Morese & Johanna Wand


Welchen Raum nimmt Ihre Arbeit in der Isolation ein?

Als Italien unter Quarantäne gestellt wurde, war ich gerade mit Dreharbeiten fürs Fernsehen beschäftigt und stand kurz vor den Proben für ein neues Theaterstück. Mit dem Shutdown ist meine Arbeit, wie die vieler anderer Schauspielerinnen und Schauspieler sowie überhaupt die Arbeit im Theater- und Filmbereich, ganz zum Erliegen gekommen. Nach dem ersten Schock musste ich wieder zu mir selbst finden und meinen bisherigen künstlerischen Weg nachvollziehen, um erneut Mut zu fassen. Während der Isolation habe ich damit gerungen, das kritische Denken nicht auszuschalten, aber ich brauchte auch die Stille. Meine Kreativität suchte sich andere, neue Ausdrucksformen: das Fotografieren, Zeichnen und Malen. Schließlich hat sich ein Raum des Nachdenkens über die realen Bedingungen der immateriellen Arbeit geöffnet, dank der vielen Künstlergruppen, die sich in Italien organisieren und vernetzen. Tatsächlich war die Situation bereits vor der Krise nicht einfach: fehlende institutionelle Anerkennung ihrer Arbeit, keine soziale Absicherung für die prekären und unsicheren Beschäftigungsverhältnisse, große Gesetzeslücken, mangelndes Bewusstsein der kreativen Szene selbst für ihren gesellschaftlichen Wert und ihre Stärke sowie die immer noch weit verbreitete Wahrnehmung in der Gesellschaft, dass Kunst keine Arbeit ist.

Wie alle schwierigen Momente eröffnet auch die gegenwärtige Krise neue Möglichkeiten. Was können wir aus dieser Situation lernen?

Die Krise lehrt uns nicht zwangsläufig etwas, aber ich bin zuversichtlich.
Zuweilen schien es mir, als blickte ich in einen Abgrund, auf den wir uns immer weiter zubewegen. Gleichzeitig wurde z.B. in meiner Nachbarschaft ein großes Solidaritätsnetzwerk zur Unterstützung der Schwächsten und Bedürftigsten aktiviert. Ich habe meine noch unerfüllten Lebensprojekte eins nach dem anderen angeschaut. Plötzlich hatte ich den Eindruck, dass mir die Zeit davonlief.
Ich denke, wir alle haben die Fähigkeit, uns eine Welt auszumalen und zu beanspruchen, in deren Zentrum die Würde aller Lebensformen, die Würde der Arbeit und eine Ökonomie stehen, die die Menschlichkeit zu ihrem höchsten Prinzip erhebt. Wir sind die sozialste Spezies und voneinander abhängig. Unsere Fortentwicklung ist aufs Engste mit der uns umgebenden Lebenswelt verbunden. Wenn wir jetzt nicht alle erdenklichen Anstrengungen unternehmen, um die Richtung zu ändern, wird die Ungleichheit weiter zunehmen und die Entfaltung des Potenzials jedes Einzelnen verhindert werden. Wir müssen jetzt mutig sein. Es gibt viel zu tun, angefangen bei uns selbst. Jede Entscheidung, die wir treffen, kann für andere Ausgangspunkt zu eigenständigem Handeln sein.

Die neuen Umstände erschüttern und beunruhigen uns, aber sie ermutigen uns auch zu visionärem Denken. Von welchem Danach träumen Sie?

Aus der Perspektive des globalen Wohlergehens spielen Kunst, Kultur und Sozialität eine grundlegende Rolle für das Wachstum vitaler Gemeinschaften.
Nicht, damit alle Künstler werden, sondern damit niemand Sklave sei, sagte der Kinderbuchautor Gianni Rodari. Ich wünsche mir, dass sich die Arbeiterinnen und Arbeiter in den darstellenden Künsten zusammentun, um ihre Rechte zu erlangen und die Arbeitsbedingungen für alle zu verbessern. Ich glaube fest an kollektives Handeln. Wenn sich unser Bewusstsein entscheidend wandelt, wir die Konfrontation nicht scheuen, wenn wir gemeinsam unsere Kreativität nutzen, können wir Ergebnisse erzielen, die wir alleine nicht erreichen könnten. Wir können eine vorteilhaftere und gerechtere Ordnung schaffen, und die Institutionen werden einen Schritt nach vorn machen. Ein großer Kampf um die Kultur steht uns bevor.
 

Biographie

Valentina Acca (*1980) erhielt ihre Ausbildung zur Schauspielerin in Italien und im Ausland. Sie ist sowohl in Kino-, Theater- als auch Fernsehproduktionen zu sehen.
2010 wurde sie mit dem renommierten Premio UBU als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Sie ist Darstellerin in der HBO-Fernsehserie „L‘Amica Geniale“ (Meine geniale Freundin), nach dem gleichnamigen Roman von Elena Ferrante, unter der Regie von Saverio Costanzo.

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