Deutschlands Oscar-Beitrag 2025
Die Saat des Bösen und der Hoffnung

Der Cannes-Gewinner „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ wurde als Deutschlands Oscar-Beitrag für den besten internationalen Film nominiert. Dafür hätte es keinen besseren Film geben können als die politische Parabel des iranischen Exil-Regisseurs Mohammad Rasoulof.
Von Jutta Brendemühl
Inmitten der politischen Unruhen in Teheran nach der Ermordung von Mahsa Amini gerät Richter Iman zunehmend unter den Druck des Regimes. Gerade erst zum Untersuchungsrichter am Revolutionsgericht befördert, bleibt er der Staatsmacht treu, während seine Töchter von den Protesten ergriffen sind und seine Frau verzweifelt versucht, die Familie zusammenzuhalten. Als seine Dienstwaffe verschwindet, verdächtigt er Frau und Töchter und beginnt im eigenen Haus eine Untersuchung, die alle Grenzen überschreitet.
Das psychologische Familiendrama Die Saat des heiligen Feigenbaums beginnt mit einem Zitat, das die politische Metapher des Titels erklärt: Die Samen des Feigenbaums „fallen durch Vogelkot auf andere Bäume. Die Samen keimen, ihre Wurzeln wachsen in den Boden. Wenn die Wurzeln den Boden erreichen, steht der heilige Feigenbaum auf eigenen Füßen und seine Äste erdrosseln den Wirtsbaum.“
Das Bild des Zuschnürens zeigt sich im Film in einem Netz aus Lügen, Misstrauen und staatlicher Kontrolle sowie im Zerfall gesellschaftlicher Bindungen und menschlicher Empathie. Dabei erinnert Rasoulofs Parabel über Repression und Widerstand unweigerlich an autoritäre Systeme – der Vergangenheit und Gegenwart.
Die Film-Idee kam ihm im Gefängnis
Die Idee für den Thriller entstand aus einer Begegnung im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran, wo Regisseur Mohammad Rasoulof festgehalten wurde. Ein Wärter „zog mich zur Seite und sagte, er wolle sich erhängen […]. Er litt unter intensiven Gewissensbissen, hatte jedoch nicht den Mut, sich von seinem Hass auf seinen Job zu befreien. Solche Geschichten überzeugen mich, dass die Frauenbewegung in Iran letztlich Erfolg haben wird […]. Repressionen können die Situation vorübergehend unter der Kontrolle des Regimes halten, aber schließlich, wie in vielen vorherigen Fällen, wird die Regierung kapitulieren.“Dass der Film global einen Nerv getroffen hat, darauf wies der Produzent des Films, Mani Tilgner, bei der Entgegennahme des Arab Critics‘ Award hin:
Diese Anerkennung gibt uns die Gewissheit, dass es uns nicht nur gelungen ist, einen guten Film unter schwierigen Bedingungen zu produzieren, sondern auch eine Geschichte zu erzählen, die Menschen auf der ganzen Welt bewegt – sei es in den USA, Europa oder den arabischen Ländern.
Ein deutscher Oscar-Beitrag wie kein anderer
Deutschland mangelt es nicht an politischen Oscar-Beiträgen: von Schlöndorffs preisgekröntem Antikriegsfilm Die Blechtrommel über das Stasi-Drama Das Leben der Anderen bis hin zum vierfachen Oscar-Erfolg von Im Westen nichts Neues. Rasoulofs Film ist allerdings der erste in dieser Riege, der vordergründig keine Berührungspunkte mit der deutschen Kultur oder Sprache hat. Dennoch reflektiert der Film Deutschlands Vergangenheit und Gegenwart mit – als ein Land, aus dem Künstlerinnen flohen, aber auch als ein Land, das für viele ein neues Zuhause bietet, so wie für Rasoulof selbst: „Ich musste zwischen Gefängnis und Exil wählen. Mit schwerem Herzen wählte ich das Exil“, kommentierte der Berlinale-Gewinner.Er selbst hat die Oscar-Nominierung seines Films als „kompliziert“ und „bitter-süß“ bezeichnet und dabei „gemischte Gefühle“ eingeräumt. „Ich freue mich, dass Deutschland die internationale Tragweite des Films erkannt und ihn mit offenen Armen aufgenommen hat. Es ist ein Zeichen für alle Filmemacher, die weltweit unter Druck stehen“, sagte Rasoulof während seiner Tournee in den USA nach der Oscar-Einreichung.
Auf die Kritik, dass ein Farsi-Film als deutscher Beitrag ins Oscar-Rennen geht, reagiert Rasoulof unverblümt:
Es ist eine neue Denkweise, und es ist verständlich, dass es Widerstand gibt. Es überrascht mich nicht, dass viele erwartet haben, der deutsche Beitrag solle ein Film auf Deutsch sein, über und für Deutschland. Aber das Ausschlaggebende ist, wo er produziert wurde – diese Anforderung haben wir erfüllt.
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