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Ausgesprochen ... integriert
Die deutsche Polizei

Bürger protestieren gegen Rassismus und für Gleichberechtigung Aller bei einem Protestzug im Gedenken an George Floyd und allen anderen Opfern rassistischer Gewalt an der Siegessäule in Berlin, Deutschland, am 27. Juni 2020.
Bürger protestieren gegen Rassismus bei einem Protestzug im Gedenken an George Floyd und Opfern rassistischer Gewalt in Berlin, Deutschland, am 27. Juni 2020. | © picture alliance / NurPhoto | Emmanuele Contini

Seit dem Tod von George Floyd durch US-Polizeibeamte war auch die deutsche Polizei  Gesprächsthema in Deutschland. Die Statistiken zu Polizeigewalt können die These nicht stützen, dass die deutsche Polizei so schlimm ist wie ihre US-Kolleg*innen. Will heißen, sie sind sauberer, aber nicht sauber. Eine Meinung.  

Von Dominic Owour Otiang'a

Die Debatten in Deutschland wenden sich von Covid-19 ab und anderen aufkommenden Themen zu. Und seit dem Tod von George Floyd durch US-Polizeibeamte war auch die deutsche Polizei online wie offline Gesprächsthema. Nun, ich muss einräumen, dass die Statistiken zu Polizeigewalt die These nicht stützen können, dass die deutsche Polizei so schlimm ist wie ihre US-Kolleg*innen. Will heißen, sie sind sauberer, aber nicht sauber. Das letzte Mal, als ich mit einem deutschen Polizeibeamten zu tun hatte, fragte ich ihn nach seiner Meinung zum Verhalten der Polizeibeamten, die George Floyd ermordeten. 

Unerwünschte Aufmerksamkeit

Meine vorherige Interaktion mit der Polizei war anderer Art. Ich befand mich mitten in einem Gespräch über das Fairtrade-Konzept, während wir am Konstanzer Hauptbahnhof darauf warteten, einen hochrangigen Funktionär der Fairtrade Foundation in Empfang zu nehmen. Zu meiner Linken standen zwei Schauspieler, die zufällig schwarze Männer waren. Sie sollten am Abend zusammen mit dem Fairtrade-Funktionär auf der Bühne stehen. Ich saß auf einer Bank. Zu meiner Rechten saß ein weißes Paar, ein Mann und eine Frau. Eine Polizistin näherte sich. Unsere Blicke trafen sich und ich merkte, dass sie das weiße Paar zu meiner Rechten anstarrte, bevor sie sich zu ihren männlichen Kollegen umdrehte und ihnen etwas zuflüsterte. Sie unterhielten sich, während sie ab und an zu dem weißen Paar hinüberblickten. Um etwas Kontext zu liefern, zwei oder mehr schwarze Männer, die zusammen unterwegs sind, ziehen oft negative Aufmerksamkeit auf sich. Interessanterweise ist das anders, wenn sie sich in Begleitung eines/r weißen Freund*in befinden. Mit anderen Worten, die weiße Person fungiert als „Desinfektionsmittel“ oder „polizeiliches Führungszeugnis“ für die Schwarzen.  

Racial profiling

Schließlich kamen die Beamt*innen, angeführt von einem männlichen Kollegen Ende fünfzig, auf uns zu und fragten nach unseren Ausweisen. Sie brauchten nicht mehr als zwei Minuten, um festzustellen, dass alles in Ordnung war. Dann sagten sie: „Danke!“ So einfach sollte es sein. Oder? So schnell und einfach, dass selbst der weiße Mann auf der Bank neben mir fragte: „Wir auch?“ „Nein!“, antwortete der älteste Polizist und wehrte den Weißen mit der Handbewegung von jemandem ab, der zufrieden ist und dem Kellner bedeutet, dass er das Wechselgeld behalten kann. 

„Darf ich fragen, warum Sie sich entschieden haben, gegen die beiden hier zu diskriminieren, um das mal so umgedreht zu formulieren? Warum nicht sie, warum nur wir und nicht mein weißer Freund hier?“ fragte ich. 

„Nicht Ihr Freund!“

„Das ist nicht Ihr Freund!“ antwortete der Polizist in herrischem Ton, ein klarer Hinweis darauf, dass sie uns so genau beobachtet hatten, um herauszufinden, ob wir uns in Gesellschaft der beiden Weißen befanden. Ich wandte mich dem Weißen neben mir zu: „Tja, das nennt man Racial Profiling. Sie könnten Südafrikaner oder Simbabwer sein, aber Sie haben dieselbe Hautfarbe wie die Mehrheit hier.“ 
Die weiße Beamtin blieb zurück und bat uns inständig, uns nicht gekränkt zu fühlen, während sich ihre männlichen Kollegen daran machten, weitere Nichtweiße mit der Forderung nach Ausweisen beiseite zu nehmen. 

Eine Frage der Wahrnehmung

In den meisten Ländern genießt das Militär bei den Bürger*innen einen höheren Stellenwert als die Polizei. Ein*e Berufsoffizier*in oder Veteran*in zu sein, verleiht einem in vielen Ländern einen höheren Status. Dennoch ist einer der wichtigsten Unterschiede zwischen dem Militär und der Polizei, dass die Polizei ein Teil einer Eigengruppe ist, der dazu da ist, sich mit Eigengruppen zu befassen, während das Militär ein Teil einer Eigengruppe ist, der dazu da ist, sich mit Fremdgruppen zu befassen. Kann die Eigengruppe, nämlich die Staatsbürger*innen, dann in ihrer Bewertung des Verhaltens der Polizei objektiv sein, wenn eine Polizeiaktion sich gegen Menschen richtet, die von den Staatsbürger*innen als Fremdgruppe in ihrer Mitte wahrgenommen werden? 

Wir sind Deutsche. Vielen Dank!

Ich mag es, dass die meisten Deutschen ihre Privatsphäre wertschätzen. Man sieht die reichsten Deutschen sehr selten öffentlich in Yachten oder Privatflugzeugen herumdüsen. Selbst in den sozialen Medien pflegen die Deutschen ihre privaten Fotos nicht einfach so zu verbreiten. Das einzige, was man vielleicht zu sehen bekommt, sind Fotos von Gegenständen und Landschaften. Und ab und zu ein paar Worte: Privatsphäre! Kein Lärm! Keine Störung! Wir sind Deutsche. Vielen Dank!

Wenn ...

Wenn meine Kapuzenjacke also unerwünschte Aufmerksamkeit auf mich lenkt, würde ich sie loswerden.
Wenn es meine Yacht wäre, würde ich sie verkaufen.
Wenn es meine Hautfarbe ist, die die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich zieht, würde ich ... was tun? 
Wenn Racial Profiling kein Problem ist, dann liegt das Problem im Gesellschaftsvertrag. 
 

„Ausgesprochen …“

In unserer Kolumnenreihe „Ausgesprochen …“ schreiben im wöchentlichen Wechsel Dominic Otiang’a, Liwen Qin, Maximilian Buddenbohm und Gerasimos Bekas. Dominic Otiang’a schreibt über sein Leben in Deutschland: Was fällt ihm auf, was ist fremd, wo ergaben sich interessante Einsichten?

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