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Ausgesprochen ... integriert
Von Jahreszeiten und kulturellen Gegensätzen

Sommer in Deutschland! Ein Mädchen sitzt n.ch den Baden auf einem Steg am Trepliner See und genießt das warme Sommerwetter
Sommer in Deutschland! Ein Mädchen sitzt nach den Baden auf einem Steg am Trepliner See und genießt das warme Sommerwetter. | Foto: © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Patrick Pleul

Wie man mit dem Stress und den Herausforderungen von Covid-19 fertig wird und auf jahreszeitliche Veränderungen reagiert, bringt starke Kontraste bei menschlichen Verhaltensmustern und kulturellen Praktiken ans Licht. Eine Beobachtung des kenianischen Schriftstellers Dominic Otiang'a.

Von Dominic Otiang'a

Der Sommer ist da und mit ihm das Reisen, Badeanzüge, volle Biergärten, Grillpartys und, leider, weitere unbeantwortete Coronafragen in aller Munde.

Während manche ihren Sommer wie ein Ritual verbringen – jahrein jahraus für ähnliche Aktivitäten an denselben Ort fahren, wie etwa Mallorca, die Nordsee oder Antalya, ziehen es andere vor, jedes Jahr irgendwelche neuen Aktivitäten auszuprobieren. Hauptsache was anderes. Aber das Coronavirus und die Reisewarnungen für bestimmte Reiseziele bedeuten, dass sich bei unseren Urlaubsplänen vieles ändern muss. Ich meine (in Anlehnung an das 100 Jahre alte deutsche Volkslied „Veronika, der Lenz ist da“), selbst der deutsche Spargel wird für Veronika in Thailand und anderen ähnlichen Reisezielen nicht wachsen.

„Ich brauche Fortschritt ...“

Aber nicht alle Veränderungen lassen sich auf COVID-19 schieben: Als ein Paar mit unterschiedlichem kulturellem und wirtschaftlichem Hintergrund seinen Urlaub plante, konnte ich von einem der beiden den Vorschlag hören, irgendwo in Südtirol zu zelten, und den anderen diese Idee mit den Worten von sich weisen: „Zelten! Ich habe mein ganzes Leben lang in Zelten gewohnt. Jetzt habe ich einen echten Job und möchte in einem echten Haus schlafen. Ich kann nicht auch noch Geld dafür ausgeben, in meiner Vergangenheit zu leben. Ich brauche Fortschritt im Leben!“
 
Apropos Fortschritt, ich wette, es gibt keine typische Art, den Sommer zu genießen. Das hängt von den jeweiligen Lebenserfahrungen, der Kultur, der Persönlichkeit, dem Alter und so weiter ab.

Back to the roots

Und weiter zum Thema Fortschritt und Sommer: Je nach Herkunft kann ein Sommer-Outfit zuweilen Aufmerksamkeit erregen oder Erinnerungen wachrufen. Einer von Deutschlands jüngsten Politikern, der Juso-Bundesvorsitzende Kevin Kühnert, tauchte zu einer Veranstaltung in kurzen Hosen auf, und auf Twitter ging es ab. Manche kritisierten seinen Aufzug als zu leger. Nun, für Leute wie mich waren kurze Hosen die offizielle Grundschulkleidung. Lange Hosen anzuziehen bedeutete, dass ich erwachsen geworden war. Fortschritt? In so einer Umgebung und mit so einem Hintergrund schreckten auch 32 Grad erwachsene Männer nicht davon ab, einen Smoking zu tragen; oder Teenager davon, ihre Gideon-Herrenstiefel anzuziehen. Möglicherweise ging es einfach nur um die Freiheit von der Schuluniform.

Andere Zeiten, andere Einstellungen

Für manche Leute, die die Hitze nicht ertragen, ist Nacktheit die Lösung. Es gibt für öffentliche Nacktheit ausgewiesene Bereiche.

Für manche Besucher sind die Freikörperkultur-(FKK-)Bereiche in Deutschland ein echter Schock. Als daher kürzlich das Foto eines nackten Deutschen in den sozialen Medien die Runden machte, der in einem öffentlichen Park einem Tier nachrannte, erinnerte mich das an ein Gespräch mit einem US-amerikanischen Wissenschaftler, der annahm, dass mich eine solche öffentliche Zurschaustellung aufgrund meiner Herkunft schockieren würde. Er meinte: „Ich kann das verstehen. Vor etwa 150 Jahren wäre dies in Teilen Amerikas auch seltsam gewesen.“

Ich antwortete: „Vor etwa 150 Jahren wäre dies in Teilen Kenias total normal gewesen.“

Wochenend’ und Sonnenschein

Manche neigen dazu, ihrer Seele in der Sommerhitze Auftrieb zu geben, indem sie unter der Last eines schweren Rucksacks von Stadt zu Stadt ziehen. Wenn sie die Grenzen ihrer Freiheit austesten und tun, was immer sie unterwegs sonst so tun, drückt der Herrgott, in den Worten des berühmten deutschen Schlagerkomponisten Charles Amberg, „ein Auge zu, denn er schenkt uns ja zum Glücklichsein Wochenend‘ und Sonnenschein.“

Für andere liegt der Reiz des Sommers im Röhren ihrer protzigen Motorräder, auf tempolimitlosen Autobahnen und von Weinbergen und grünen Berglandschaften gesäumte Landstraßen entlang.

Im Park oder daheim grillen und Freund*innen oder Verwandte besuchen ist denjenigen genug, deren Kulturen so etwas wie Urlaub auf Mallorca oder an irgendwelchen Inselstränden schlicht nicht kennen.

Was immer Ihre Präferenz sein mag, ich wünsche Ihnen schöne Ferien!


 

„Ausgesprochen …“

In unserer Kolumnenreihe „Ausgesprochen …“ schreiben im wöchentlichen Wechsel Dominic Otiang’a, Aya Jaff, Maximilian Buddenbohm und Margarita Tsomou. Dominic Otiang’a schreibt über sein Leben in Deutschland: Was fällt ihm auf, was ist fremd, wo ergaben sich interessante Einsichten?

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