Schnelleinstieg:

Direkt zum Inhalt springen (Alt 1) Direkt zur Hauptnavigation springen (Alt 2)

Reportage über die „Omas gegen Rechts”
Samstagseinsatz für die Demokratie

Die „Omas gegen Rechts” beteiligen sich an einer Demonstration gegen rechts auf dem Münchner Odeonsplatz.
Die „Omas gegen Rechts” beteiligen sich an einer Demonstration gegen rechts auf dem Münchner Odeonsplatz. | Foto (Detail): © picture alliance/dpa | Uwe Lein

Jeden Samstag verteidigen Münchens „Omas gegen Rechts” die Demokratie. Mit Worten, Schirmen, Bannern – und der festen Überzeugung, dass die Demokratie sichtbar bleiben muss. Was alles passiert, wenn 15 ältere Damen auf das Fußgängerzonen-Publikum treffen.
 

Von Daniel Hinz

Die Omas schwärmen aus. Unübersehbar, sehr präsent. Schnellen Schrittes schieben sie sich am Samstagmittag durch die Münchner Fußgängerzone. „Sind Sie auch für die Demokratie?“, rufen sie, strecken Arme, strecken Flyer. Viele winken ab. Nein, nein. Die Demokratie muss warten, es geht erst mal zu Pimkie oder H&M.

Auf ihrem zweimal ein Meter fünfzig großen Banner steht die Mission der „Omas gegen Rechts“: „Gemeinsame Verantwortung für unsere Demokratie“. Kein Ausrufezeichen, kein Brüllen. Nur etwa zwanzig nicht mehr junge Frauen, deren Aktivistinnengruppe seit Wochen Zulauf bekommt. Warum?

Marketingmaßnahme

Susanne Schrüfer, 62, springt im Münchner Stadtteil Moosach in die U3, rechte Hand am weißen Regenschirm, später wird sie ihn vor das Banner legen. „Ich komme aus dem Marketing“, sagt Schrüfer, wache Augen, beige Strickjacke, darauf ein Button: Herz statt Hetze. Immer dieselbe Botschaft, sagt sie. Wiederholung ist wichtig, immer und immer wieder, bis die Leute wissen: Schokolade gleich Milka. Marketing für die Demokratie, mitten im stärker werdenden Kulturkampf – auf der anderen Seite die Schwurbler, Rechtspopulisten, Rechtsextremen.
Susanne Schrüfer – eine „Oma gegen Rechts”

Susanne Schrüfer – eine „Oma gegen Rechts” | Foto (Detail): © Daniel Hinz

Darum: gleicher Platz, gleiche Zeit, jede Woche. Mahnwache, Samstag, 11 bis 12 Uhr. Heute räumlich etwas versetzt, nicht am Knotenpunkt Sendlinger Tor, sondern circa 300 Meter weiter in Richtung Marienplatz – eine andere Demo war schneller. Geht schon gut los. Aber die Durchhalte-Omas lassen sich von sowas nicht aufhalten.

10:55 Uhr. Mit vereinten Kräften wird jetzt das Demokratie-Banner wie in der Südkurve eines Fußballstadions ausgebreitet.

Auf der Suche nach Haltung

Das 11-Uhr-Kirchenglockenläuten ist wie ein Zeichen. Die Pirsch geht los. Fast 20 Omas, zehn Meter Radius. Mission: Demokratie. Und tatsächlich wirkt es auch ein bisschen missionarisch. Orang-Utan-Retterinnen auf Spendenfang. Fundraising-Vibes. Nur: Die Omas wollen kein Geld. Die wollen Haltung.

Eine junge Frau im FC-Bayern-Trikot winkt ab, sie sei Schweizerin, sagt sie. Die Oma murmelt: „Ihr könntet’s da drüben aber auch brauchen.“

Ein Typ mit Schiebermütze und Rollkragen zeigt den Daumen hoch, wird acht Meter weiter von der nächsten Oma abgefangen. Schrüfer bemerkt, da müsse man sich besser organisieren – ansprechen, wenn jemand interessiert schaut, aber belästigen auf keinen Fall. Und schon gar nicht, wenn die Person sowieso schon als verbündet zu erkennen ist. 80 Prozent der Begegnungen laufen nach dem Prinzip Daumen-Hoch.

Oma werden

Doch wie wird man eigentlich Oma? Kann man nicht einfach so. Man müsse überhaupt keine biologische Oma sein. Man muss sich bewerben, sagt Schrüfer. Homepage lesen, Werte verstehen, Kontakt aufnehmen. Gegen Diskriminierung sein, für das Grundgesetz, gegen den Klimawandel, für Europa. Gegen Rechts sowieso, aber nicht gegen die CDU und CSU, um das gleich klarzustellen. „Wir sind überparteilich“, betont Schrüfer.
Mut – Vielfalt – Klimaschutz: Dafür stehen die „Omas gegen Rechts”

Mut – Vielfalt – Klimaschutz: Dafür stehen die „Omas gegen Rechts” | Foto (Detail): © Daniel Hinz

11:10 Uhr. Erste Regenschirme fliegen weg. Die Omas jagen hinterher. Alles nochmal gut gegangen.

Wer neu dazu will, kommt in München nicht an Sibylle Dietzel, 63 Jahre, vorbei. Sie arbeitet in einem Buchverlag, in ihrer Freizeit ist sie eine der Ausbilderinnen für angehende Omas. „Massenandrang“, sagt sie. Seit der kleinen Anfrage der CDU/CSU zur Finanzierung vermeintlich linker Bewegungen läuft es bei den Omas wie bei TikTok-Influencern nach dem ersten Viral-Clip. Seit den 551 Fragen im Februar 2025 an die Ampel-Bundesregierung aus SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, wie denn NGOs – darunter auch die „Omas gegen Rechts” – finanziert würden, sind sie berühmt-berüchtigt. Susanne Schrüfer erzählt, dass sie seitdem öfter angesprochen wird während ihrer Mahnwache. Und oft seien es ältere Männer. Die sagen dann, sie seien „Opas gegen Links“. Schrüfer sagt, in 90 Prozent der Fälle wollen die nicht mit einem reden. Nur ihren Frust loswerden.

Volle Wartelisten

11:16 Uhr. Zwei Polizisten kommen, zeigen sich freundlich. Bitte Leitstreifen am Boden freimachen. „Da haben wir ein Auge drauf“, sagt eine Oma. Eine Begegnung später rauscht ein unfreundlicher Typ vorbei, schreit was von „Finanzierung“ und „wollte damit nichts zu tun haben“. Schrüfer schüttelt den Kopf. Genau davon redet sie. Diskutieren? Bei so jemandem längst aufgegeben. Auch ein paar alte Freunde hat Susanne Schrüfer an Schwurbler verloren.

Die Münchner Omas sind dezentral organisiert, haben etwa nichts mit den Berlinerinnen zu tun außer Namen und Haltung. Einen Verein gibt es auch, aber keiner muss dort Mitglied werden. Spenden ja, aber ohne Quittung. Seit Januar haben sie eine explodierende Warteliste. Früher ein Kennnenlern-Spaziergang pro Monat. Jetzt: Findet der jede Woche statt. Mit bis zu 15 angehenden Omas. Bis Juni sind ihre Listen voll. „Wir haben eine Warteschleife mit 200 Bewerberinnen.“
Jeden Samstag: Mahnwache für die Demokratie in der Münchner Fußgängerzone

Jeden Samstag: Mahnwache für die Demokratie in der Münchner Fußgängerzone | Foto (Detail): © Daniel Hinz

11:31 Uhr. Aufstellung. Reihe neben dem Banner. Eine Oma dirigiert. Dann singen sie:
Wir sind die Omas Omas Omas gegen Rechts / Und die da laufen, brauner Haufen, durch die Lande, mit ihren Stiefeln rechts / Wir aber lieben bunte Röcke, brauchen keinen braunen Höcke / kommt zu uns und kämpfet gegen Rechts.

Danach wieder Ausschwirren.

Ein junger Mann im T-Shirt „Eat a Priest, Save a Child” schreit ein lautes „NEIN“ zur Demokratiefrage. Ein älterer Herr täuscht einen Herzinfarkt vor, greift sich theatralisch an die Brust, läuft dann normal weiter. Ein normales Samstagshighlight für die Omas.

12 Uhr. Das Glockenläuten von der Marienkirche. Die Omas packen ihre Banner und Schirme zusammen. Nächste Woche kommen sie wieder. Dann geht es weiter.
 

  • Ein Systemfehler ist aufgetreten. Versuchen Sie es später noch mal.
    Die Kommentarfunktion wurde geschlossen.
  • Kommentieren

Top