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Ausgesprochen … gesellig
Die Einsamkeit der Ladestationen

Ein Elektroauto steht an einer Ladesäule und wird geladen
An der E-Ladestation stehen wir alleine in der Gegend und gucken so herum oder gehen weg | Foto (detail): Friso Gentsch/dpa

Wie funktioniert das eigentlich mit den Ladestationen für E-Autos? – Anders jedenfalls, als an einer Tankstelle. Und: Wir treffen dort kaum noch andere Menschen. Maximilian Buddenbohm fragt sich, wie einsam unsere Zukunft wird.

Von Maximilian Buddenbohm

Ich stand mit einem Kollegen am Straßenrand und besah mir zum ersten Mal eine Ladestation für Elektroautos genauer. Der Kollege hat bald ein entsprechendes Fahrzeug, er muss jetzt also wissen, wo die Dinger rund ums Büro sind und wie das alles geht. Ich bin aus Neugier kurz mitgegangen. Ich habe kein E-Auto, ich habe leider auch noch nie eines gefahren. Ich weiß vom Laden gar nichts, also nichts von den Details, meine ich. Wie das genau geht, wie man das bezahlt, muss man sich irgendwo anmelden, geht das überall, wie lange dauert das und was macht man eigentlich so lange. Wie lange darf man da mit seinem Wagen stehen bleiben und wie lange sucht man in der Stadt nach freien Stationen – ich habe keinen Schimmer.
 
In zehn Jahren wird mir das alles selbstverständlich sein, nehme ich an. Es wird uns allen selbstverständlich sein, die Zeichen sind ja mehr als deutlich. Wir werden über das Laden von E-Autos nicht weiter nachdenken, wir werden es einfach machen, auch in Tiefgaragen und zuhause in der Einfahrt, auch beim Einkaufen vor dem Supermarkt, es wird alles ganz normal sein, Stecker rein, los geht’s. 

Getankt haben wir alle

Und nur ab und zu werden wir beim Gedanken an die alten Tankstellen vielleicht kurz nostalgisch werden. Das hat man sich bisher nie vorstellen können, denn Tankstellen sind eine rein praktische Angelegenheit, sie riechen nicht gut und man bezahlt dort immer zu viel. Sie sind nicht attraktiv designt und man ist dort stets nur aus Notwendigkeit, nicht weil es einen da jemals hinziehen würde, Tankstellen sind keine schönen Orte. Aber beim Tanken standen andere Menschen um uns herum und machten, was wir machten. Beim Bezahlen waren sie vor und hinter und neben uns. Willkürlich vom Zufall zugeteilte Menschen waren das, denn getankt haben wir alle, es war die sozial bunteste Durchmischung.
 
Viele haben nach dem Tanken noch etwas von dem gekauft, was an Tankstellen immer als Trost und Treibstoff für Menschen verkauft wurde, also Alkohol, Zucker oder Tabak, und wir haben das auch gemacht, denn es war spät, wir waren müde und so ein Schokoriegel kam gerade recht. Wir haben dem Menschen an der Kasse einen guten Abend gewünscht und er uns auch, vielleicht haben wir sogar noch einen weiteren Satz gewechselt. Das kann man alles geringschätzen, aber wir sind uns dabei begegnet. Ganz kurz nur, ganz nebenbei. An der E-Ladestation treffen wir niemanden mehr, da stehen wir alleine in der Gegend und gucken so herum oder gehen weg, solange das Ding da lädt. 

„Jetzt ein Schokoriegel“

Wir gehen schon seit einiger Zeit zum Kaufen nicht mehr in Läden, wir machen das lieber online. Wir gehen für Filme nicht mehr ins Kino, wir streamen lieber auf dem Sofa. Wir haben eine Fitness-App und kein Fitnesscenter. Wir schaffen immer mehr Begegnungen ab. Jeder Einzelfall ist nachvollziehbar zu begründen, schon klar. E-Autos sind richtig, es gibt in den Innenstädten keine Fachgeschäfte mehr und wer hat schon Zeit für Fitness-Center. Wir können immer alles erklären, wir können alles alleine und schneller und effizienter und billiger. Das kann man so denken, keine Frage. Man kann es sogar in aller Ruhe und konzentriert denken, mit immer mehr Argumenten, doch, das geht – es sind ja keine anderen Menschen mehr um uns herum, die uns beim Denken stören könnten.
 
Weil wir Menschen beim Denken aber oft das Ziel verfehlen, werden wir, während wir da an der E-Ladestation stehen, nicht denken: ‚Jetzt wäre ein anderer Mensch nett.“ Nein, das werden wir sicher nicht. Wir werden da nur stehen und denken: „Jetzt ein Schokoriegel.“

 

„Ausgesprochen …“

In unserer Kolumnenreihe „Ausgesprochen …“ schreiben im wöchentlichen Wechsel Maximilian Buddenbohm, Qin Liwen, Dominic Otiang’a und Gerasimos Bekas. Maximilian Buddenbohm berichtet in „Ausgesprochen … gesellig“ über das große Ganze, die Gesellschaft, und ihre kleinsten Einheiten: Familie, Freundschaften, Beziehungen. 

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