Deutschland in Italien
Eine interessante Mischung

Verena Kons Cuozzo
Verena Kons Cuozzo | Foto: © privat

Interview mit Verena Kons Cuozzo, die seit 1991 in Italien lebt. Heute ist sie Unternehmerin in der internationalen Speditionslogistik.

„Ich finde die Mischung unserer beiden Kulturen sehr interessant. In dieser Pandemie mussten die europäischen Staaten stärker kooperieren. Möglicherweise erhält Italien nach Covid mehr Hilfen von der EU, und vielleicht verändert sich das Bild von Europa dann noch einmal. Aber schon heute gibt es viele junge Italienerinnen und Italiener, die an Europa glauben, weil ihnen die Umweltproblematik sehr bewusst ist und sie an technologische Innovationen glauben.“

Von Maria Grazia Pecchioli

1991 hat Verena Kons einen Italiener geheiratet. Seitdem lebt sie in Italien, in Rom. Sie arbeitet im familieneigenen Betrieb, einer international agierenden Spedition, und hat eine fast volljährige Tochter, die das humanistische Gymnasium besucht. Vor einigen Jahren hat sie ihre Wohnung im Zentrum von Rom verlassen und ist ins Umland gezogen, in ein Haus, wo sie ihrer Leidenschaft für die Gartenarbeit nachgehen kann. Wir haben sie nach einigen Eindrücken gefragt, zum Verhältnis zwischen Italienern und Deutschen, dem Blick auf Europa und dazu, wie sich Europa aus italienischer Sicht seit ein paar Monaten verändert.

Verena Kons Cuozzo
Verena Kons Cuozzo mit ihrem Ehemann | Foto: © privat
Sie sind seit ungefähr 30 Jahren in Italien, haben einen Italiener geheiratet und arbeiten hier als Unternehmerin. Was gefällt Ihnen am meisten an Italien, und was weniger?

Das mag wie ein Gemeinplatz wirken, aber die Dinge, die mir an Italien am meisten gefallen, sind natürlich das Klima und die Küche. Aber auch die tausendjährige Geschichte, die sich in jedem Winkel des Landes widerspiegelt, die Kunst, die Orte, an denen sie zu finden ist, die großen Städte wie Rom und Florenz, aber auch die kleinen Dörfer mit ihren Traditionen. Mir gefällt auch die Natur in Italien, die Berge, das Meer: Die Landschaft ist überall wunderschön. Auch die Freundlichkeit der Menschen ist mir sehr wichtig, die Herzlichkeit, die engen Familienbande, die sich in all diesen Jahren entwickelt haben. Dinge, die ich weniger gut finde, fallen mir nicht ein. Auch, weil ich Italien bis heute mit den Augen einer deutschen Touristin betrachte. Nun, eine Sache wäre da doch: die italienische Bürokratie, an die ich mich immer noch nicht gewöhnen kann.

Was ist Ihrer Ansicht nach der größte Vorzug der deutschen Kultur, und was das größte Defizit?

Ich vermag nicht zu sagen, was der größte Vorzug der deutschen Kultur ist, einer der Vorzüge ist aber sicher das hohe Bildungsniveau. Die Deutschen lesen mehr Bücher und Zeitungen als die Italiener und reisen viel, weil sie gern die Kultur anderer Länder kennenlernen möchten. Die Menschen sind organisierter und befolgen eher die Regeln, und sie mögen es ordentlich. Daher ist der öffentliche Raum oft sauberer. Als Defizit könnte ich nennen, dass man in Deutschland eine andere Vorstellung von Familie hat, nicht dass das schlechter wäre, aber das Miteinander ist in deutschen Familien einfach weniger eng.

Sind das also die Unterschiede zwischen den beiden Ländern, oder worin unterscheiden sich Ihrer Ansicht nach Italien und Deutschland sonst?

Einer der größten Unterschiede zwischen Italien und Deutschland ist die Art und Weise, wie man die Dinge insgesamt angeht, sei es bei der Arbeit oder in der Freizeit. Ein Deutscher würde zum Beispiel niemals in Urlaub fahren, ohne schon Monate vorher alles bis ins kleinste Detail geplant zu haben. Während es in Italien völlig normal ist, auch erst zwei Tage vorher eine Entscheidung zu treffen. Bei der Arbeit sind die Italiener genau, aber sie nehmen alles ein bisschen lockerer, während die Deutschen gründlicher an Details arbeiten. Aber das heißt nicht, dass sie besser wären. Oft ist es besser, wenn italienische Kreativität zum Einsatz kommt.

Zusammentreffen von Kulturen

Sie haben einen Italiener geheiratet. Wie beurteilen Sie die Mischung, die aus dem Zusammentreffen zweier Kulturen, der deutschen und der italienischen, hervorgeht? Als konkretes Beispiel könnte Ihre Tochter dienen, die aus beiden Kulturen stammt.

Ich finde diese Mischung sehr interessant. Ich habe viele Gewohnheiten und Aspekte meiner Persönlichkeit in meinem Leben in Italien beibehalten. Meine Tochter ist 17 Jahre alt und zweisprachig aufgewachsen: Sie spricht und schreibt perfekt Deutsch; sie reist häufig nach Deutschland, um ihre Verwandten zu treffen. Trotzdem fühlt sie sich eher als Italienerin. Aber sie mag die Besonderheiten beider Kulturen. Im Alltag haben wir viele deutsche Gewohnheiten. Wir sehen zum Beispiel deutsches Fernsehen, trinken um fünf Uhr nachmittags Kaffee, wie es üblich ist, und kochen viele typisch deutsche Gerichte. Außerdem feiern wir einige traditionelle deutsche Feste, wie etwa Sankt Martin am 11. November oder Nikolaus am 6. Dezember.

Hat Europa Ihrer Ansicht nach eine Rolle dabei gespielt, dass die beiden Kulturen sich angenähert haben? Und hat sich das Bild, das Deutsche und Italiener von Europa haben, Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren verändert?

Ich denke ja. Sowohl Italien als auch Deutschland haben zur Gründung der EU beigetragen und für beide Länder bleibt Europa eine wichtige Basis, was Politik, Handel und Wirtschaft anbelangt. Beide Länder haben sich immer darum bemüht, dass Europa bestmöglich funktioniert. Aber meiner Ansicht nach sind die Italiener nicht besonders informiert. Die EU bietet viele Möglichkeiten für jede Art von Aktivität, und in Deutschland sind die Menschen eher gewohnt, diese Möglichkeiten nutzen.
 

Verändert sich Europa?

In diesem Jahr hat der deutsche EU-Ratsvorsitz einige innovative Punkte im Programm, es geht um Solidarität zwischen den Staaten, um nachhaltiges Wachstum, um Innovation. Haben die Italiener diese Botschaften Ihrer Meinung nach wahrgenommen? Wie sehen Sie Europa heute?

Mir scheint, es herrscht mehr Respekt zwischen den beiden Staaten, auch generell in Europa, vor allem in der letzten Zeit, in der die europäischen Staaten enger kooperieren mussten, um die Pandemie zu bewältigen. Möglicherweise erhält Italien nach Covid mehr Hilfen von der EU, und vielleicht verändert sich das Bild von Europa dann noch einmal. Aber schon heute gibt es viele junge Italienerinnen und Italiener, die an Europa glauben, weil ihnen die Umweltproblematik sehr bewusst ist und weil sie an technologische Innovationen glauben.

Einer der Schwerpunkte des Halbjahres unter deutschem Vorsitz ist tatsächlich die Innovation, die digitale Revolution. Zeitigt die diesbezügliche Beschleunigung in Ihrem Arbeitsfeld bereits Ergebnisse, oder denken Sie, dass es solche Ergebnisse geben wird?

Ja, man merkt schon ein wenig, dass wir uns in diese Richtung bewegen. Das Internet ist jetzt schon schneller, viele Dinge werden inzwischen nur noch online erledigt, und dadurch kann man viel Zeit und Geld sparen. Geld und Papier sparen wir zum Beispiel auch durch die elektronische Rechnungsstellung. Bei diesen Dingen sieht man schon viele Ergebnisse. Und ich glaube, wir stehen erst am Anfang einer großen Veränderung.

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