Du, laß dich nicht verhärten
in dieser harten Zeit.
Die allzu hart sind, brechen,
die allzu spitz sind, stechen
und brechen ab sogleich.
Du, laß dich nicht verbittern
in dieser bittren Zeit.
Die Herrschenden erzittern
- sitzt du erst hinter Gittern -
doch nicht vor deinem Leid.
Du, laß dich nicht erschrecken
in dieser Schreckenszeit.
Das wolln sie doch bezwecken
daß wir die Waffen strecken
schon vor dem großen Streit.
Du, laß dich nicht verbrauchen,
gebrauche deine Zeit.
Du kannst nicht untertauchen,
du brauchst uns und wir brauchen
grad deine Heiterkeit.
Wir wolln es nicht verschweigen
in dieser Schweigezeit.
Das Grün bricht aus den Zweigen,
wir wolln das allen zeigen,
dann wissen sie Bescheid
Dichterin: Mena Saracino Übersetzerinnen: Colomba Longobardi, Anna Lesiv
Hamburg, 15. November 1936
Wolf Biermann
1953 zog Biermann in die DDR, wo er seine ersten Gedichte und Lieder veröffentlichte. Er drückte seine Enttäuschung über die Politik der DDR aus, bekam 1965 ein Auftritts-und Publikationsverbot und wurde 1976 ausgebürgert. 2007 bekam er die Ehrenbürgerschaft der Stadt Berlin für sein Engagement gegen die Ungerechtigkeit der SED und seine Lieder für eine Wiedervereinigung.