Mobilität und Fahrradmobilität
Alberto Fiorillo im Gespräch

Alberto Fiorillo, Leiter der Legambiente-Gruppe „Städtischer Raum und Mobilität“
© Legambiente

Mit über 115.000 Mitgliedern und Unterstützern ist Legambiente die größte Umweltschutzorganisation Italiens. Der Verband verwaltet direkt und in Zusammenarbeit mit anderen Körperschaften über 60 Naturgebiete. Solidarität, Freiwilligenarbeit und ein bewusst wissenschaftlicher Zugang bilden die Grundlage seiner Tätigkeit.

Von Giovanni Giusti

Gemeinsam mit Alberto Fiorillo, Leiter der Legambiente-Gruppe „Städtischer Raum und Mobilität“, möchten wir uns ein Bild von der allgemeinen Situation in Italien machen und herausfinden, welche Maßnahmen und Aktionen Legambiente bezüglich Fahrradmobilität umsetzt.

„Wir sind in verschiedensten Bereichen aktiv. Zunächst einmal natürlich im Bereich der Analyse, das heißt wir sehen uns den gesamten Sektor Mobilität ganz genau an, sei es im städtischen Raum oder auf Langstreckenebene. Wir haben eine ganze Reihe von Studiengruppen, die diese Bereiche untersuchen. So haben wir etwa vor kurzem den Bericht Pendolaria präsentiert, der sich in erster Linie mit dem Pendelverkehr auf Schiene befasst. Diese Analysen führen wir kontinuierlich durch, wobei wir uns allerdings mit einigen Bereichen verstärkt beschäftigen, wie eben mit dem der Fahrradmobilität. Unser  – zweifellos besonderer – Ansatz zielt darauf ab, das Fahrrad weniger hinsichtlich seiner Vorteile für die Umwelt und die Gesundheit zu bewerten, die zum Glück wohlbekannt sind, sondern vielmehr in Bezug auf jene Aspekte, die einen wirtschaftlichen Mehrwert für unser Land bringen. Wir versuchen also ein ‚Bike-Inlands-Produkt‘ zu definieren, das sich Jahr für Jahr unmittelbar messen und beurteilen lässt, auch im Hinblick auf die Entwicklung der Fahrradmobilität in Italien.“

Es sieht allerdings so aus, als ob in den Städten, von Seiten der Bürgermeister, die Tendenz immer noch in Richtung Autoverkehr ginge. Es scheint schwierig, diese Vormachtstellung der Autos nachhaltig zu untergraben.

„Ja, es herrscht eine gewisse negative Trägheit, wenn es darum geht, bestimmte Entscheidungen zu treffen. Aber wenn wir von großen Städten sprechen, muss man auch sagen, dass dort in den vergangenen Jahren ein Umdenken stattgefunden hat. Wie in London zum Beispiel, wo man von den ‚Bike Lanes‘, den Radstreifen am Fahrbahnrand, zur Errichtung eigener Radverkehrsanlagen übergegangen ist.“

Radfahrstreifen oder eigene Radverkehrsanlagen, wie klassische Radwege – was ist für die Fahrradmobilität, für die Radfahrer in der Stadt besser?

„Ich antworte mit einer Gegenfrage: Was ist besser, ein Flugzeug oder ein Helikopter? Das hängt eindeutig von den konkreten Bedürfnissen ab. Wenn wir Fahrradmobilität nicht im Bereich des Sports oder der Freizeit verorten, sondern im Bereich der Verkehrssysteme, wenn also das Fahrrad als Fortbewegungsmittel dem öffentlichen Verkehr, dem Privatauto, dem Car-Sharing, dem Fußverkehr gleichgestellt ist, und wir als gesichert annehmen, dass wir ein neues Verkehrssystem umsetzen möchten, in dem das Fahrrad als Verkehrsmittel genutzt wird, dann müssen wir uns auch um eine Infrastruktur bemühen, die dafür geeignet ist. Das heißt wir müssen die richtige Infrastruktur am richtigen Ort schaffen. Das grundlegende Ziel ist dabei klarerweise, Mobilitätsknotenpunkte (wie Bahnhöfe, U-Bahn-Stationen, Sehenswürdigkeiten etc.) miteinander zu vernetzen. Das heißt Ausgangspunkte und Ziele müssen sinnvoll gewählt werden. Weitere wichtige Kriterien sind etwa Linearität, dass die Wege also so kurz wie möglich sind, und Logik, das heißt der Weg muss für alle Benutzer unmittelbar nachvollziehbar sein.“

Dann ist da auch noch die Frage der Sicherheit.

„Natürlich. Entlang der Verkehrsadern einer Stadt bedarf es nicht nur geschützter Wege, sondern auch eines besonderen Augenmerks und besonderer infrastruktureller Maßnahmen für Kreuzungen. Hier treffen Autos, Radfahrer, Fußgänger und Motorroller aufeinander und laut Statistiken sind das die gefährlichsten Stellen. Außerdem müssen die Wege, vor allem entlang stark befahrener Routen, unbedingt auf Fahrbahnebene integriert werden und keinesfalls auf den Gehwegen. Und es muss die nötige Sichtbarkeit gegeben sein, das heißt Radfahrer und Autofahrer müssen stets Sichtkontakt zueinander haben.“

Hier endet der erste Teil des Gesprächs mit Alberto Fiorelli. Im zweiten Teil befassen wir uns dann konkret mit der Situation in Rom, sowie insbesondere mit dem geplanten großen Radring GRAB.

 

Top