Kohki Yoshida im Interview
Zwischen Kreation und Frustration

Mitsu no Hikari
Mitsu no Hikari | © Berlinale 2017

Kohki Yoshidas Three Lights (2017) schildert die Leiden der Jugend. Noch bevor sie eigentlich wissen, wer sie werden wollen, ringen vier junge Menschen damit, sich selbst zu verstehen.

„Unser Licht ist zu stark! Schwächlinge können es nicht aushalten!“ Mit diesen Worten bringt K. (Ryo Ikeda) das kreative Selbstbewusstsein und zugleich die Rastlosigkeit zum Ausdruck, die alle Figuren des Films antreiben: Masaki (Hiroshi Suzuki), der unentwegt in einer verlassenen Lagerhalle komponiert, Aoi (Kazuha Komiya), die sich beim Klavierspielen filmt und die Videos auf Videoportale hochlädt und auch die Hausfrau Michiko (Emi Maki).
 
Three Lights
(2017) ist ein Film über die Begegnung von vier Menschen, die an einem gemeinsamen Zufluchtsort zueinander finden und ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Die Schauspieler wählte der Regisseur im Vorfeld bei einem Workshop aus, im Anschluss entwickelten sie gemeinsam die Charaktere und passende Dialoge. Auf der Premiere herrschte ein großer Andrang verschiedenster Kulturschaffender.  

„Ich“ vs. „Wir“

Aus den unterschiedlichen Charakteren der vier Figuren ergeben sich große und kleine Unstimmigkeiten untereinander die ihrer Kreativität im Wege stehen. Dabei gelingt es Yoshida sehr realistische Auseinandersetzungen darzustellen, mit denen sich bestimmt viele Künstler identifizieren können.

Als die Schauspieler nach der Filmvorführung auf die Bühne gehen, steht ihnen die Anspannung ins Gesicht geschrieben. Es ist die erste Vorführung vor großem Publikum. Besonderen Beifall erntete Kazuha Komiya, die die Figur der Aoi spielt und ihrem Alter Ego im Film nicht unähnlich erscheint und glaubhaft dargestellte, dass es heute in Anbetracht von unzähligen Möglichkeiten der Selbstentfaltung und –Darstellung vielen schwer fällt ihren eigenen Weg zu finden.     

Regisseur Kohki Yoshida im Interview

Nach der Filmvorführung nahm sich Regisseur Yoshida (geb. 1980) Zeit für ein Interview. Three Lights (2017) ist sein vierter Spielfilm und nach Household X (2011) bereits sein zweiter Film, der auf der Berlinale gezeigt wurde.

 
Regisseur Kohki Yoshida Regisseur Kohki Yoshida | © Shino Nagata Wie fühlen Sie sich nun nach der Premiere? War die Anspannung groß?

Ich hatte etwas Sorgen, dass es zu technischen Problemen kommen könnte. Das kann beim Digitalfilm immer passieren. Und ich war natürlich gespannt auf die Q&A Runde und die Fragen des Publikums. Meinen Eröffnungsmonolog habe ich zur Sicherheit in und auswendig gelernt. Es war alles sehr aufregend!  

Sie sind das zweite Mal in Berlin, nicht wahr? Ist das für Sie ein anderes Gefühl als beim Mal davor?

Anfangs hatte ich das Gefühl, dass das Filmfest kleiner geworden ist. Aber vielleicht ist das auch mein persönlicher Eindruck. Dazu lief mein erster Film vor sechs Jahren im Bereich „Forum“ noch mit deutschen Untertiteln, doch seit zwei, drei Jahren gibt es nur noch englische Untertitel. Einiges hat sich also verändert.

Wie hat das Publikum hier auf den Film reagiert?

Gut, denke ich. Ich habe schon erlebt, dass Menschen bei Filmfestivals im Ausland das Kino reihenweise verlassen. Bei mir haben das nur wenige und die meisten sind sogar noch bis zur Fragerunde nach 1 Uhr geblieben, obwohl der nächste Tag ein Arbeitstag war.


Sie haben das Drehbuch erst nach dem Casting/einem Workshop verfasst. Warum haben Sie diese Herangehensweise gewählt?

Es ist zwar ungewöhnlich, die Schauspieler auszusuchen bevor das Drehbuch fertig ist, aber ich wollte durch dieses Experiment herausfinden, mit wem ich gerne zusammen arbeiten möchte. Ich wollte mich nicht an ein Konzept klammern, sondern mit den Darstellern gemeinsam etwas Interessantes entwickeln.

Wieviel von der Figur „K.“ steckt auch in Ihnen?

Ich denke, dass jeder Mensch nicht nur eine Seite hat. Jeder ärgert sich mal über etwas und tobt vor Wut. Wenn man jedoch niemals mit seinen Schattenseiten konfrontiert wird, kann man sie auch nicht reflektieren oder etwas ändern. Deshalb ist es viel besser, sich klar zu machen, dass wir alle verschieden sind und zu überlegen, wie wir am besten miteinander umgehen.
 
Beruht die Szene mit dem großen Eklat der Vier auf Ihren eigenen Erfahrungen?

Es ist glaube ich durchaus schon vorgekommen, dass ich jemanden die Schuld für etwas gegeben habe und er ganz allein mir. Doch die Grundlage für eine produktive Beziehung ist, dass man nicht die Schuld beim Anderen sucht. Sondern dass man Verständnis für einander aufbringt und nach Wegen sucht, gemeinsam als Team zu arbeiten.

Im Film kommen viele Begriffe aus dem Kulturbereich vor. Wie wurden diese zusammengetragen?

Von den Schauspielern selbst. Nachdem wir gemeinsam die Szenen festgelegt haben, habe ich sie gebeten vor den Aufnahmen darüber zu twittern. So kommen die Persönlichkeiten der Schauspieler selbst zum Tragen. Aus den Vorlieben und Eigenheiten der Schauspieler haben wir gemeinsam die Figuren entwickelt und auf jeden individuell zugeschnitten. Deshalb habe ich die Schauspieler zuerst nach ihren Hobbies und individuellen Fähigkeiten gefragt und als einer von ihnen „Tennis“ sagte beispielsweise an einen älteren Herrn aus meiner Nachbarschaft gedacht, der regelmäßig gegen eine Wand spielt. Dieses „Spiel gegen die Wand“ erinnerte mich wiederum an Selbstgespräche – es ist spannend solche Assoziationsketten weiterzuspinnen. Daraus haben wir die Filmcharaktere gebildet.
 
Ist künstlerisches Schaffen unweigerlich mit Egoismus verbunden?


Künstler sollten meiner Meinung nach nie zeigen, dass sie nicht an ihre eigene Arbeit glauben. Das mag auf manchen als „egostisch“ erscheinen, aber es ist auch die Grundvoraussetzung für eine gute Arbeit oder Darstellung. Filme sind allerdings durch und durch ein Gemeinschaftsprodukt. Als Regisseur sehe ich mich deshalb eher in der Rolle eines Dirigenten. Meine Aufgabe ist es, nach Wegen zu suchen, die Fähigkeiten aller Beteiligten am besten zur Geltung kommen zu lassen. Allerdings achte ich immer darauf, mein Ziel dabei nicht aus den Augen zu verlieren. Ich hoffe auch in Zukunft Filme zu machen, die keine vorgeschriebenen Geschichten erzählen, sondern Momentaufnahmen der tatsächlichen Gedanken der beteiligen Schauspieler widerspiegeln.