DADA in Japan
Von Zen bis Ultraman

Ultraman DADA
© Tsuburaya Prod

Dada - eine Kunstbewegung, die alle traditionellen Werte ablehnte und sich von der Kunstgeschichte los sagte. Doch in Japan waren es zunächst nicht Künstler, die diese Bewegung aufnahmen, sondern Dichter.

Dada entstand im Februar 1916 im schweizerischen Zürich. Bis die Bewegung nach Japan kam, vergingen noch einmal etwa viereinhalb Jahre, bis zum August 1920. Die erste Erwähnung von Dada in Japan findet sich in der Kultursparte der Zeitung Yorozu Morning News. Obwohl es kein konkretes Erstwerk von Dada in Japan gibt, gab es, so der Zeitungsartikel, „eine klare Tendenz, in der Literatur ein und dieselbe Seite nicht nur von rechts nach links zu lesen, sondern auch von oben nach unten, oder sogar diagonal, als wäre der Inhalt nicht so wichtig wie die äußere Form“, mit der Absicht, die Imagination der Leser selbst gezielt anzuregen.

 
篠原有司 ©篠原有司 Als der Dichter Shinkichi Takahashi diesen Zeitungsartikel gelesen hatte, begann er sofort dadaistische Gedichte zu schreiben und wurde so zum ersten Dadaisten Japans. Sein im Februar 1923 veröffentlichter Gedichtband „Die Gedichte des Dadaisten Shinkichi“ kann als Geburt der Dada-Dichtung in Japan angesehen werden und hatte einen enormen Einfluss vor allem auf junge Dichter wie Chuuya Nakahara und Terutake Onchi. Shinkichi Takahashi selbst jedoch wandte sich schon 1924 statt Dada immer mehr dem Zen-Buddhismus zu, da er fand dass „Dada nur eine Epigone des elementaren Zen“ sei.
 
Unter den Künstlern, die Dada seit seinem Anfang aufnahmen, sticht besonders Tomoyoshi Murayama hervor. Er kam im Januar 1922 als Gaststudent nach Berlin, um dort an der Universität Geschichte des frühen Christentums zu studieren. Doch fand er dort einen wahren Sturm künstlerischer Bewegungen vor – Expressionismus, Futurismus, Dada und Konstruktivismus inspirierten Murayama so sehr, dass er sich entschloss, sich der Kunst der Avantgarde zu widmen. Als er im Januar 1923 nach Japan zurückkehrte, organisierte er gleich eine Kunstausstellung mit dem Titel „Bewusster Konstruktivismus“, eine eigensinnige Zusammenstellung von Werken des Dada und Konstruktivismus.

MAVO & SAWKA
 

  • Shinkichi Takahashi © Shinkichi Takahashi
  • Zero Jiken ©Zero Jiken
  • MAVO Dance © MAVO Dance
  • Zero Jiken ©Zero Jiken
  • Dadakan © Dadakan
Die jungen Künstler aus dem Kreis um Murayama formten schließlich die Künstlergruppe MAVO. Im Juli 1923 kündigten diese „Mavoisten“, wie sie sich selbst nannten, auch ihre erste Ausstellung an, unter dem Titel „Die MAVO-Erklärung“. Zu den großen Einflüssen zählten für die Gruppe nicht nur Dada, sondern auch der Futurismus und der Konstruktivismus. Dennoch lässt sich die Bedeutung des Dada für die Gruppe MAVO nicht bestreiten, heißt es doch in ihrer „Erklärung“ dass sie „jegliche Bekenntnis zum Absoluten ablehnen“; dementsprechend wählten sie für den Namen der Gruppe das Nonsenswort Mavo, genau so wie auch der Name Dada eine Verkörperung bewusster Sinnfreiheit ist. Obwohl die Gruppe MAVO in kürzester Zeit enorm produktiv gewesen war, wurde sie schon ein Jahr später, im Oktober 1924, von der etablierten Avantgarde-Kunstgruppe Sanka absorbiert. Murayama selbst verlor infolge dessen das Interesse an der Avantgarde und wandte seine Aufmerksamkeit der Kunst des Proletariats zu. Die von ihm begonnene Dada-Bewegung in Japan verflüchtigte sich damit ebenfalls.
 
Rückblickend kann man jedoch sagen dass es im Japan der 1920er Jahre eine vorher nie dagewesene Vielfalt an Kunstrichtungen gab, sei es Dada, Anarchismus, Konstruktivismus, Futurismus, oder die Kunst des Proletariats. Eine treibende Kraft hinter all diesen Bewegungen schien jedoch das Bedürfnis junger Künstler gewesen zu sein, sich gegen bestehende Konventionen und Normen aufzulehnen und alte Konzepte von Ästhetik zu verwerfen. Dada war dabei nur eine der Bewegungen, in der dieses Bedürfnis einen Ausdruck fand.
 
1945 endete der Zweite Weltkrieg und es Begann die Nachkriegszeit. Zwischen 1950 und 1960 machte Dada schließlich wieder von sich hören, diesmal in Form des sogenannten Neo-Dada. Der Begriff stammt aus den USA, wo er 1958 in New York von den Künstlern Robert Rauschenberg und Jasper Jones vertreten wurde. In Japan jedoch steht er vor allem in Verbindung mit jungen Künstlern und den Trends zur Anti-Kunst während dieser Zeit.
 
Von DADA-KAN zu Ultraman

MAVO © MAVO Das Herz der Neo-Dada Bewegung in Japan bildete die Ausstellung „Yomiuri Independent“. Diese seit 1949 jährlich stattfindende Ausstellung der Zeitung Yomiuri Shimbun war für alle Bewerber offen und bot jungen Avantgardekünstlern eine Plattform, mit einzigartigen Kunstwerken Aufsehen zu erregen. Hier stellten auch die Künstler Masunobu Yoshimura, Ushio Shinohara, Genpei Akasegawa und Shuusaku Arakawa aus. Diese vier Künstler taten sich 1960 zusammen und gründeten Gemeinsam die Gruppe „Neo-Dadaism Organizers“. Ihre provokanten Aktionen setzten sich zum Ziel, die Grenzen zwischen Kunst und Leben zu überwinden. Die Gruppe bestand zwar nur ein halbes Jahr lang, schaffte es aber, japanische Künstler zur Aufnahmen von Stilen wie Anti-Kunst und Art Informel zu inspirieren.
 
Weitere Gruppe die auf den Yomiuri Independent-Ausstellungen zu sehen waren, waren Gruppen wie Hi-Red Center, Jikan-han, Zero Jiken oder Dadakan. Viele junge Künstler wandten sich in den 1960er Jahren avantgardistischen Gruppierungen zu, in denen sie radikale Konzepte verwirklichen konnten. Der experimentelle Filmemacher Takahiko Iimura drehte zu dieser Zeit seinen Super-8 Film „Dada '62“. Aus Furcht vor Ausschreitungen wurden die Vorführungen des Films jedoch schon 1963 eingestellt. Die Avantgardekunst wurde danach zunehmend dezentraler. Zwar gab es noch wichtige Institutionen wie das Sougetsu Art Center, doch wurden Stilbezeichnungen wie Neo-Dada immer weniger wichtig und schließlich kaum noch verwendet. Seit den späten 1960er Jahren verschwand der Begriff Dada in Japan schließlich weitgehend und tauchte allenfalls noch als Name eines Monsters in der beliebten Kinderserie „Ultraman“ auf.
 
Dennoch fand 1968 im Japanischen Nationalmuseum für Moderne Kunst noch eine Ausstellung mit dem Titel „Dada“ statt, die erste Ausstellung in Japan überhaupt mit einschlägigen Werken die speziell diesem einen Stil zuzurechnen sind. Jedoch war die japanische Öffentlichkeit zu dieser Zeit bereits mit allen möglichen Konzeptionen von „Dada“ übersättigt und so blieb, zeitgenössischen Quellen zufolge, die Resonanz auf die Ausstellung nur sehr verhalten.

Teil II: Dada in Japan - Lang lebe der Punk-Rock