„Nicht zu ordentlich!“

 „Nicht zu ordentlich!“ © Takuya Suzuki

„Nicht zu ordentlich!“

Wie wenig Platz man benötigt, um die Energie heimischer Pflanzensamen zu spüren, erfahren Japaner in den Miniatur-Garten-Workshops von SEEDS OF LIFE.

Die Augen aller Teilnehmenden sind gebannt auf John gerichtet, als er mit viel Humor über sein Projekt SEEDS OF LIFE spricht. Dann geht es los! In die pechschwarze Erde, die SEEDS OF LIFE bereitgestellt hat, wird erst ein Pflanzensetzling – Tomaten, Basilikum oder Ringelblume – und dann eine Reihe von Samen eingepflanzt, etwa Buchweizen, Roggen, Klee, Bohnen, Ringelblumen oder Spanischer Pfeffer. Es ist ein sommerlich heißer Tag, der letzte Sonntag im April, und wir befinden uns im experimentellen Agri-Dining-Restaurant Roppongi Nouen. Unweit der U-Bahn-Station Roppongi im Zentrum von Tokio findet ein LOHAS-Workshop statt, veranstaltet von der Zeitschrift SOTOKOTO und unterstützt sowie organisiert von orgabits, einem Projekt zur Förderung ökologischen Baumwollanbaus. Bei einem schmackhaften Mittagessen denken wir gemeinsam über die Natur und unseren Alltag nach. Im Anschluss kreieren alle Teilnehmenden ein eigenes Miniatur-Beet.

Blattgroße Beete und ein Bauernhof mitten in der Stadt

Leiter des Workshops ist John Moore. Einige kennen ihn vielleicht schon. Gegenwärtig lebt der gebürtige Irländer in dem kleinen Bergdorf Tsubayama am Oberlauf des Flusses Niyodogawa in der südjapanischen Präfektur Kochi. Dort arbeitet er an seinem Projekt SEEDS OF LIFE, das sich dem Schutz von heimischen Pflanzensamen widmet. Neben seiner Arbeit als Unternehmer veranstaltet John regelmäßig Workshops und hält Vorträge über Samen, Boden und die Natur. Sein bekanntestes Projekt, das wir auch bei unserem Workshop aufgreifen, ist das Anlegen eines Miniatur-Kräuterbeets in der Größe eines DIN-A4-Blattes.

Vor Beginn des eigentlichen Workshops gibt es aber erstmal eine kleine Stärkung. Und dazu eine atemberaubende Atmosphäre, denn vom Zelt aus bekommt man einen Ausblick auf ganz Tokio geboten. Das Veranstaltungszelt gehört zu einem Restaurant, das wiederum Teil des Bauernhofs Roppongi Nouen ist. Auf einem kleinen Feld pflanzt orgabits hier ökologische Baumwolle, mitten in der Großstadt. In diesem besonderen Ambiente dürfen sich die Teilnehmer am Büffet bedienen, das alle mit einer Vielzahl von Gerichten aus saisonalem Gemüse begeistert. Gesättigt und zufrieden sind im Anschluss alle Umweltfreunde bereit für den Beginn des Workshops. Viele der Teilnehmenden sind Leser der Zeitschrift SOTOKOTO, einige sind wegen des Workshops sogar aus anderen Präfekturen angereist.

 
  • John Moore mit zwei Ringelblumen © Takuya Suzuki

  • Vor dem Workshop genießen die Teilnehmenden das Buffet des Roppongi Nouen. © Takuya Suzuki

  • Vor dem Workshop genießen die Teilnehmenden das Buffet des Roppongi Nouen. © Takuya Suzuki

  • John Moore spricht über Samen und die Beziehung von Mensch und Natur. © Takuya Suzuki

  • Vor dem Einpflanzen werden Baumwollsamen in ein Gemisch aus Wasser und Holzasche getaucht. © Takuya Suzuki

  • Ringelblumensamen © Takuya Suzuki

  • Ein etwa A4-großer Container wird zuerst mit Erde gefüllt, danach werden die Setzlinge und Samen eingepflanzt. © Takuya Suzuki

  • Nach dem Workshop ist Gelegenheit für einen Austausch. © Takuya Suzuki


In den Samen steckt die Energie

Zunächst wählen die Teilnehmenden, ob sie lieber mit einer leeren 2-Liter-Plastikflasche oder mit einer A4-großen Plastikbox arbeiten möchten. John erklärt dazu: „Glaubt ihr, dass Berge Lebewesen sind? Ich wohne bereits seit drei Jahren in Kochi, doch erst jetzt habe ich begriffen, dass auch die Berge sich ganz langsam verändern. Es ist nur so, dass wir Menschen in dieser schnelllebigen Zeit das nicht mehr spüren. Was sind also ‚Lebewesen‘? Berge, Steine und auch Pflanzensamen sind Lebewesen. Damit ein Samen sprießen kann, benötigt er Erde und ein bisschen Wasser und Sonne. Menschliche Eingriffe durch Düngemittel und Pestizide braucht er kaum. In den Samen steckt bereits die nötige Energie. Die Samen kommunizieren miteinander und schaffen sich selbst eine ideale Umgebung. Dies alles können wir auf einer Fläche von der Größe eines A4-Blatts selbst erleben, lernen und üben.“

Und dann pflanzen wir. Zwischendurch immer wieder Rufe von John: „Macht es nicht zu ordentlich! Drückt die Erde nicht platt!“ Es ist wichtig, dass kein Druck auf den Boden ausgeübt wird und die Erde locker und luftig bleibt. „Während man Pflanzen züchtet, wird einem nicht nur das Verhältnis der verschiedenen Samen zueinander, sondern auch die eigene Beziehung zu den Samen bewusst.“ In einem weiteren Gefäß werden Baumwollsamen auf das Einpflanzen vorbereitet und den Teilnehmenden zusammen mit ihren Mini-Beeten mit nach Hause gegeben.

Was aus meinem eigenen Miniatur-Kräutergarten geworden ist? Ich habe mich an Johns Rat gehalten und ihn jeden Tag einmal mit etwa drei bis vier Sprühstößen Wasser befeuchtet. Nach nur einer Woche schießen nach und nach kleine grüne Sprösslinge aus der Erde. Und bestimmt freuen sich auch unsere Teilnehmenden gerade zu Hause über ihre grünen Gärten.