Eröffnungsfilm
Die Unbeugsamen

DIE UNBEUGSAMEN erzählt die Geschichte der Frauen im westdeutschen Parlament, die sich ihre Beteiligung an den demokratischen Entscheidungsprozessen gegen erfolgsbesessene und amtstrunkene Männer wie echte Pionierinnen buchstäblich erkämpfen mussten. Unerschrocken, charmant, schlagfertig und mit unendlicher Geduld verfolgten sie ihren Weg und trotzten Vorurteilen und sexueller Diskriminierung.

„Die Unbeugsamen“ erzählt die Geschichte der Frauen in der Bonner Republik, die sich ihre Beteiligung an den demokratischen Entscheidungsprozessen gegen erfolgsbesessene und amtstrunkene Männer wie echte Pionierinnen buchstäblich erkämpfen mussten. Unerschrocken, ehrgeizig und mit unendlicher Geduld verfolgten sie ihren Weg und trotzten Vorurteilen und sexueller Diskriminierung.
Politikerinnen von damals kommen heute zu Wort. Ihre Erinnerungen sind zugleich komisch und bitter, absurd und bisweilen erschreckend aktuell. Verflochten mit zum Teil ungesehenen Archiv-Ausschnitten ist dem Dokumentarfilmer und Journalisten Torsten Körner eine emotional bewegende Chronik westdeutscher Politik von den 50er Jahren bis zur Wiedervereinigung geglückt. Die Bilder, die er gefunden hat, entfalten eine Wucht, die das Kino als Ort der politischen Selbstvergewisserung neu entdecken lässt. Ein erkenntnisreiches Zeitdokument, das einen unüberhörbaren Beitrag zur aktuellen Diskussion leistet. Eindrucksvoll und inspirierend schenkt der facettenreiche Rückblick in die westdeutsche Vergangenheit wertvolle Impulse für die Gegenwart und die Zukunft.

Spieltermine: 20.4., 19 Uhr (Festivaleröffnung) / 23.4., 10:30 Uhr (anschließend Q&A mit Christa Nickels)

Regie: Torsten Körner
Deutschland, 2021, 99 min, Deutsch mit japanischen Untertiteln

Enthält Interviews mit: Herta Däubler-Gmelin (SPD), Marie-Elisabeth Klee (CDU), Ursula Männle (CSU), Christa Nickels (Die Grünen), Ingrid Matthäus-Maier (FDP/SPD), Renate Schmidt (SPD) und Rita Süssmuth (CDU)


Kommentar der Bundeskanzlerin a.D. Dr. Angela Merkel:


DIE UNBEUGSAMEN – Hintergrundinformationen

In der Dokumentation „Die Unbeugsamen“ finden einige Ereignisse aus der westdeutschen und deutschen Geschichte Erwähnung, die im Film nicht im Detail erläutert werden. Hier deshalb ein paar Hintergrundinformationen zu diesen gesellschaftspolitischen Debatten:

NATO-Doppelbeschluss

Der sogenannte NATO-Doppelbeschluss wurde 1979 von den NATO-Mitgliedstaaten getroffen und sah im Gegenzug zur Aufstockung sowjetischer Mittelstreckenraketen die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen in Westeuropa vor. In der Bundesrepublik Deutschland entwickelte sich der Beschluss zu einer folgenreichen politischen Konfliktlinie.
Die Debatte um ihn trug entscheidend dazu bei, dass die sozial-liberale Regierungskoalition aus SPD und FDP 1982 zerbrach. Bereits zuvor hatten sich die Koalitionspartner in Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik zunehmend voneinander entfernt. Während der linke Flügel der SPD den NATO-Doppelbeschluss ablehnte, wollte die FDP ihn durchbringen. Schließlich wurde Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) durch ein konstruktives Misstrauensvotum im Bundestag gestürzt und von Helmut Kohl (CDU) abgelöst, wofür nicht nur die Stimmen der bis dahin Oppositionspartei CDU/CSU, sondern auch der FDP entscheidend waren. Dieses Vorgehen wurde auch innerhalb der FDP stark kritisiert, führte zu etwa 20 000 Parteiaustritten und gilt als Wendepunkt für die politische Ausrichtung der Partei.
Zivilgesellschaftlich war der NATO-Doppelbeschluss in Deutschland ebenfalls von großer Bedeutung, da er in Ost- wie in Westdeutschland zu einem Zündpunkt für die wachsende Friedensbewegung wurde. In der Bundesrepublik Deutschland erreichte diese bei den Großdemonstrationen des 22. Oktobers 1983 ihren Höhepunkt, als Schätzungen zufolge über 1,3 Millionen Menschen gegen die drohende Eskalation des Kalten Krieges auf die Straße gingen. Die Grünen, die damals unter den Parteien in der in Westdeutschland am klarsten für Abrüstung standen, erhielten im Zuge der Friedensbewegung großen Zulauf, konnten im März 1983 erstmals in den Bundestag einziehen und sich somit als dauerhafte politische Kraft etablieren.

Petra Kelly

Zu der ersten Welle grüner Bundestagsabgeordneter gehörte auch Petra Kelly, in den Achtzigerjahren bereits eine Symbolfigur Friedensbewegung, nicht nur in Deutschland. Entsprechend war das öffentliche Entsetzen groß, als 1992 ihr Lebensgefährte und Parteikollege Gert Bastian aus bis heute unklaren Beweggründen erst sie im Schlaf und dann sich selbst erschoss.

§ 218

Eine weitere unter den ersten Bundestagsabgeordneten der Grünen war Waltraud Schoppe. In ihrer ersten Rede vor dem Bundestag im Mai 1983 sprach sie den Paragrafen 218 an. Der Strafgesetzbuch Paragraf 218 „Schwangerschaftsabbruch“ stellt Abtreibung in Deutschland unter Strafe.
Bereits seit der Weimarer Republik forderten Frauenrechtlerinnen die ersatzlose Streichung des Paragrafen 218 oder zumindest eine Straffreiheit bei einem Abbruch innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate. Das Thema erhielt im Zuge der Frauenbewegung der 1970er-Jahre neue Aufmerksamkeit, als viele, auch prominente Frauen sich öffentlich dazu bekannten, dass sie abgetrieben hatten. Ein Reformversuch des §218 durch die Regierungskoalition aus SPD und FDP scheiterte 1975 vor dem Bundesverfassungsgericht angesichts der Verpflichtung des Gesetzgebers zum Schutz menschlichen Lebens.
Nach weiteren erfolglosen Anläufen brachte 1995 das „Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz“ der CDU/CSU und FDP eine grundgesetzkonforme Regelung: Abtreibung blieb zwar grundsätzlich rechtswidrig, von Strafverfolgung wird aber seither innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen bei Vorliegen einer vorschriftsmäßigen Beratung abgesehen.

Rita Süssmuth

Auch die CDU-Politikerin Rita Süssmuth setzte sich für die Schutz von Frauenrechten bei Schwangerschaftsabbrüchen ein. Als Außenseiterin war sie 1985 zur „Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit“ im Kabinett von Helmut Kohl ernannt worden. Im Amt sah sie sich mit der zunehmenden Ausbreitung von AIDS in Deutschland konfrontiert und setzte in der von Vorurteilen geprägten öffentlichen Debatte auf Aufklärungskampagnen und Beratung, eine damals ungewöhnliche Herangehensweise.
Ihre Laufbahn als beliebte, aber innerparteilich kontroverse Familienministerin endete abrupt 1988, als Süssmuth zur Präsidentin des Bundestages gewählt wurde, was viele als Kaltstellung werteten. Fast zehn Jahre blieb sie im zweithöchsten Staatsamt Deutschlands. Im Laufe ihrer politischen Karriere kritisierte sie immer wieder den Kurs der CDU und eckte dadurch bei anderen Parteigrößen an, nicht zuletzt bei Helmut Kohl.

Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“

1995 eröffnete die Wanderausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht von 1941-1944" in Hamburg. Im Gegensatz zum bis dahin verbreiteten Narrativ, das im Zusammenhang mit deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg vor allem die Taten der nationalsozialistischen Organisation SS in den Vordergrund stellte, führte die Ausstellung die Beteiligung deutscher Rekruten an Mordaktionen und Menschenrechts- verletzungen vor Augen. Damit wurde die Beteiligung der deutschen Bevölkerung an den Kriegsverbrechen des Nationalsozialismus neu in den öffentlichen Fokus gerückt.
Die darauffolgende emotionale und kontroverse Debatte über die Rolle der Wehrmacht im Vernichtungskrieg zeigte, dass die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit auch Ende der 1990er-Jahre in Deutschland ein andauernder Prozess war. 1997 forderte die Partei Bündnis 90/die Grünen, die Ausstellung im Bundestag zu zeigen. Mit Ausnahme der linken PDS sprachen sich alle übrigen Fraktionen (CDU/CSU, SPD und FDP) dagegen aus.
Im Bundestag kam es zu einer Debatte, die ungewohnt persönlich und emotional verlief. Letztendlich wurde der Antrag, die Ausstellung in den Räumen des Parlaments zu zeigen, zwar mit großer Mehrheit abgelehnt, die differenzierte und teils sehr persönlich geführte Auseinandersetzung gilt heute dennoch als Sternstunde in der deutschen Parlamentsgeschichte.

Quellen
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/280816/vor-35-jahren-bundestag-bestaetigt-entscheidung-zum-nato-doppelbeschluss/
https://www.bundestag.de/webarchiv/textarchiv/2012/40797914_kw40_misstrauensvotum_kalenderblatt-209576
https://www.hdg.de/lemo/biografie/petra-kelly.html
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/201776/1975-streit-um-straffreie-abtreibung-vor-dem-verfassungsgericht/
LeMO Biografie Rita Süssmuth (hdg.de)
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/244026/vor-20-jahren-eine-ausstellung-ueber-verbrechen-der-wehrmacht-polarisiert-deutschland/

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