Fokus: Kunst und Technik
Virtuelle Körperarbeit

Skammekrogen Installation/ Makropol: „The Doghouse".
Skammekrogen Installation/ Makropol: „The Doghouse". | Foto: Åsmund Sollihøgda lille

Auf dem Festival „Performersion  – Days of Performing & Immersive Arts“  kamen 2016 Technik-Nerds und Theatermacher zusammen und tauchten gemeinsam in virtuelle Welten ein.

Der aktuelle Boom rund um die „Virtuelle Realität“ spiegelte sich auch beim zehnjährigen Jubiläum der re:pbulica in Berlin wider. Die europäische Konferenz zum Thema „Internet und digitale Gesellschaft“ lud vom 2. bis 4. Mai 2016 ein sich dem Thema in Panels und an unterschiedlichsten Ständen anzunähern. Viele der über 8.000 Teilnehmer nutzen die Möglichkeit mit VR-Brillen selbst in dreidimensionale Pixel-Welten einzutauchen. 

Um eine weitere Perspektive mit einzubeziehen schlossen die Organisatoren dazu zum ersten Mal noch ein weiteres Festival an: Das sog. „Performersion – Days of Performing & Immersive Arts“- Festival  in Zusammenarbeit mit dem Performing Arts Programm Berlin (PAP), einem Projekt des Landesverbandes freie darstellende Künste Berlin e.V. (LAFT Berlin).

Das „Performersion“ -  ein komisch auszusprechender Hybrid aus „Performance“ und „Immersion“, dem unmittelbaren Eintauchen in digitale, wollte die beiden Welten „Digitaltechnik“ und „Darstellende Kunst“ zusammenbringen. Vom 5. bis 6. Mai 2016 sollten im Kreuzberger Kühlhaus die Technologien der Internet-Menschen, Entwickler und Do-it-yourself-Tüftler mit den darstellenden Künsten der Theatermacher, Dramaturgen und Skript-Schreibern zu neuen Narrativen verbunden werden.

Neben Vorträgen von Constanze Kurz vom Chaos Computer Club zu den „Ethiken der immersiven Medien“ und Talk-Runden mit der Schriftstellerin Kathrin Passig zur „Wahrnehmung von Realität“ stand dabei vor allem das eigene Ausprobieren bei Workshops im Zentrum. Interessierte konnten erlernen, wie man mit Hilfe von Software einen Raum in eine 360-Grad-Projektion verwandelt oder wie man die audiovisuelle Bespielung einer Theaterbühne durch die Bewegungen von Schauspielern auslöst.
 

  • Performance: EMOJI by Kirsten Burger Foto: re:publica/Jan Michalko

    Performance: EMOJI by Kirsten Burger. Foto: re:publica/Jan Michalko

  • Showcase: MIRROR STAGE – Revirtualisation of Political Video Messages. internil and Hylynyiv Lyngyrkz Foto: re:publica/Jan Michalko

    Showcase: MIRROR STAGE – Revirtualisation of Political Video Messages. internil and Hylynyiv Lyngyrkz. Foto: re:publica/Jan Michalko

  • Panel Discussion: Virtual Realities in Garages, Laboratories, Venues and Theatres. Sharon Smith (Gob Squad), Sarah Thom (Gob Squad), Christian Römer (Heinrich-Böll-Stiftung), Thomas Oberender (Berliner Festspiele). Moderation: Max Schumacher (post theater) Foto: re:publica/Jan Michalko

    Panel Discussion: Virtual Realities in Garages, Laboratories, Venues and Theatres. Sharon Smith (Gob Squad), Sarah Thom (Gob Squad), Christian Römer (Heinrich-Böll-Stiftung), Thomas Oberender (Berliner Festspiele). Moderation: Max Schumacher (post theater). Foto: re:publica/Jan Michalko

  • Workshop von Omnidome VR1 by CR8TR Foto: re:publica/Jan Michalko

    Workshop von Omnidome VR1 by CR8TR. Foto: re:publica/Jan Michalko

  • Workshop How to Design Games in Real Life Environments, Machina eX  Foto: re:publica/Jan Michalko

    Workshop How to Design Games in Real Life Environments, Machina eX. Foto: re:publica/Jan Michalko

  • Interactive Game Performance: RE:WONDERLAND or FOLLOW THE WHITE RABBIT. Foto: re:publica/Jan Michalko CC BY 2.0

    Interactive Game Performance: RE:WONDERLAND or FOLLOW THE WHITE RABBIT. Foto: re:publica/Jan Michalko

  • Interactive Game Performance: RE:WONDERLAND or FOLLOW THE WHITE RABBIT. Foto: re:publica/Jan Michalko

    Interactive Game Performance: RE:WONDERLAND or FOLLOW THE WHITE RABBIT. Foto: re:publica/Jan Michalko

  • Workshop der Lichtpiraten. Foto: re:publica/Jan Michalko CC BY 2.0

    Workshop der Lichtpiraten. Foto: re:publica/Jan Michalko

  • Workshop Body Sharing! She She Pop and Benjamin Krieg. Foto: re:publica/Jan Michalko CC BY 2.0

    Workshop Body Sharing! She She Pop and Benjamin Krieg. Foto: re:publica/Jan Michalko

  • Presentation: Tilt Brush Show / Release Omnidome. VRNerds and CR8TR am 05.05.2016 auf der performersion in Berlin. Foto: re:publica/Jan Michalko Foto: re:publica/Jan Michalko CC BY 2.0

    Presentation: Tilt Brush Show / Release Omnidome. VRNerds and CR8TR am 05.05.2016 auf der performersion in Berlin. Foto: re:publica/Jan Michalko

  • Darsteller der Interactive Game Performance: RE:WONDERLAND or FOLLOW THE WHITE RABBIT. Foto: re:publica/Jan Michalko Foto: re:publica/Jan Michalko CC BY 2.0

    Darsteller der Interactive Game Performance: RE:WONDERLAND or FOLLOW THE WHITE RABBIT. Foto: re:publica/Jan Michalko

Die Wahrnehmung des eigenen Ichs

Immer wieder ging es dabei auch um die Wahrnehmung des eigenen Körpers. So lotete beispielsweise das Berliner Künstlerinnen-Kollektiv „She She Pop“ die Erfahrung einer Vielkörperlichkeit in einem Workshop aus.  Fünf Kameras erfassten die Bewegungen der Teilnehmer und eine Software vereinte ihre Körperteile in einem einzigen Körper. Dieser „Vielkörper“ wurde in Echtzeit an eine Wand projiziert, vor der sich die Bewegungen der einzelnen Workshop-Teilnehmer widerspiegelten.

In den Augen des Kurators Julian Kamphausen von PAP ist das interdisziplinäre Experiment geglückt: „Bei virtuellen, augmentierten und gemischten Realitäten hat niemand einen wirklichen Plan, wie es funktioniert. Hier fehlt einfach Wissen. Und neues Wissen entsteht nur mühsam, wenn einer spricht und die anderen zuhören. Es entsteht leichter, wenn Menschen ihre Erfahrungen miteinander austauschen und das häufig wiederholen. Und noch leichter geht es, wenn sich Austausch und Praxis mischen: Spielen, Ausprobieren und gemeinsames Forschen zu ermöglichen, das war deshalb unser Ziel.“

Auch “Performersion”-Kuratorin Alexandra Wolf von der re:publica freut sich über die Diversifizierung: „Gerade der Mix und die Offenheit haben zu dem Laborcharakter [des Festivals] beigetragen und eingeladen, anderen über die Schulter zu blicken.“

„Social-Reality“

Den Abschluss beider Tage bildete ein interaktives Spiel. Dabei verwandelte eine Projektion das Erdgeschoß des Kühlhauses in eine riesige Spielfläche, auf der die Teilnehmer Aufgaben lösen mussten, um weiterzukommen. Die Aufgaben selbst erhielten sie direkt in einer App auf ihren Smartphones,  nach dem Einscannen von auf den Boden projizierten QR-Codes.  Angelehnt an „Alice in Wonderland“ erschien am Ende von „RE: WONDERLAND or FOLLOW THE WHITE RABBIT“ ein riesiger aufgeblasener Hase auf der Spielfläche.

Entwickelt wurde das Spiel von der Theatergruppe Prinzip Gonzo für die Gaming-Plattform TOTO in Zusammenarbeit mit dem Berliner Entwicklerstudio CR8TR. Ihre speziell für Künstler ausgerichtete Software Omnidome erlaubt das Mappen von mehreren Projektionen gleichzeitig zu einer einzigen 360-Grad-Projektion. Damit können immersive Inhalte zum Beispiel in einem Kuppelzelt dargestellt werden oder sich wie im Kühlhaus über das Erdgeschoß und das Atrium des Gebäudes ausbreiten.

Denn auch das ist ein Aspekt der Virtuellen Realität: Nicht nur das individuelle Erlebnis über die VR-Brille, sondern auch Projektionen, die den ganzen Raum bespielen. Durch die Technik des Mappings erschaffen sie ihn neu und kreieren so ein erfahrbares Erlebnis für eine ganze Gruppe.

Neue Formen der Kommunikation

Zum individuellen Ausprobieren boten die oberen Stockwerke des Kühlhauses mit verschiedenen Virtual-Reality-Games und –Anwendungen Gelegenheit. Die Installation der dänischen Gruppe Makropol „The Doghouse“ fand besonders großen Zulauf.  Die Teilnehmer schlüpfen darin mit VR-Brillen und Kopfhörern in die Rollen unterschiedlicher Familienmitglieder beim Abendessen mit all ihren Sorgen und Problemen. Durch das an die Filmbewegung Dogma angelehnte hyperreale Szenario wurde dabei vielen ganz schön mulmig.

Als Resümee des Festivals bleibt nach Julian Kamphausen: „Gerade die künstlerischen und forscherischen Aspekte vieler vorgestellter Arbeiten bringen eine andere Form – und häufig auch eine andere Tiefe – der Kommunikation mit den Besuchern mit sich: Künstler und Forscher stellen ihre eigenen Arbeiten vor und vermitteln sie aus Leidenschaft und dem Interesse, sich zu vernetzen und weiter zu entwickeln, und nicht aus einem Vertriebsgedanken heraus.“

Hautnahes miterleben durch Technologie – wir werden sehen, ob VR hält, was es an Inhalten verspricht. Der übergreifende Austausch zumindest hat geklappt.

Top