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Medientrends in Ostasien
„Die junge Generation sucht ihren eigenen Raum in der virtuellen Welt“

Interview TeamLab Takashi Kudo und Chen Qiufan
Für jüngere Generationen ist es wichtig, sich mit der digitalen und der analogen Welt gleichermaßen zu verbinden. | Illustration: © Zhang Xiaoha

Chen Qiufan, Science-Fiction-Autor aus China, und Takashi Kudo vom internationalen Kunstkollektivs teamLab mit Sitz in Tokyo, Japan, über die Auswirkungen der Pandemie auf unser Leben als Digital Natives, ihre Arbeit als Künstler – und darüber, wie unsere digitale Welt in Zukunft aussehen könnte.

Von Eva Fritsch

Noch immer leben wir in einer Welt, in der die Pandemie unseren Alltag bestimmt, inklusive Online-Meetings und -Veranstaltungen, digitalen Ausstellungen und Konferenzen. Wie bewertet ihr dieses Ausmaß der Digitalisierung?

Takashi Kudo, teamLab: Den größten Teil unserer Arbeit bei teamLab können wir intern erledigen. Gleichzeitig sind wir aber eine große Kollaboration und arbeiten mit vielen Partner*innen auf der ganzen Welt zusammen. Wenn wir zum Beispiel Kalligraph*innen benötigen, sind wir auf externe Spezialisten angewiesen. Das macht es notwendig, uns online auszutauschen.

Chen Qiufan: Die Technologie hilft uns definitiv, die Nachteile und negativen Auswirkungen der Pandemie zu überwinden. Dennoch brauchen wir immer noch echte Kontakte, denn viele Menschen sitzen im Ausland fest und konnten ihre Familien über zwei Jahre lang nicht sehen. Auch für mich als Schriftsteller birgt dieser Umstand Schwierigkeiten. Viele denken, dass das Schreiben ein reiner Inhouse-Job sei. Ich selbst betrachte mich aber als Schriftsteller und als Anthropologe: Ich führe viele Feldstudien durch und finde so meine Inspiration.

Takashi Kudo, teamLab: Für mich ist es das Gleiche: Ich würde am liebsten in den Bildschirm springen, dich vor Ort sehen und mich mit dir unterhalten.  

Analoge Medien wie Vinyl erleben derzeit ein Revival. Glaubt ihr, dass die Rückkehr zu analogen Medien als eine Form von Eskapismus gesehen werden kann? Oder erfüllt vielmehr die digitale Welt für jüngere Generationen eine eskapistische Funktion?

Takashi Kudo, teamLab: Die Rückbesinnung auf analoge Medien ist in meinen Augen kein Eskapismus. Als ich als Schulkind Bücher gelesen habe, gab es für mich keine Grenzen zwischen der realen Welt und meinen Büchern. Jede Art von Aktivität existiert nicht nur, um vor etwas zu fliehen. Daher ist auch die digitale Welt nicht unbedingt eine Flucht vor etwas. Science-Fiction ist für mich ebenso Realität.

Chen Qiufan: Die jüngeren Generationen neigen dazu, mehr in der virtuellen, digitalen Welt zu leben, während die ältere Generation mehr auf die physische Welt angewiesen ist. Aber ich denke, es gibt einen Wandel von Generation zu Generation. Wenn das Internet weiterhin die Rolle spielt, die es im Moment spielt, wird die Welt zunehmend digitalisierter. Viele meiner jüngeren Freunde sagen: „Ich möchte nicht der „echten“ Welt leben. Ich habe mich in ein digitales Idol verliebt“. Dies geschieht vor allem in ostasiatischen Ländern, weil hier mehr Druck herrscht und die Gesellschaft sehr wettbewerbsorientiert ist. Die jüngeren Generationen versuchen, ihren eigenen Raum in der virtuellen Welt zu finden. Deshalb ist es notwendig, ein Mapping zwischen diesen Welten – der virtuellen und der physischen – zu schaffen.

Was denkt ihr: Wie sollte eine digitale Gesellschaft in der Zukunft aussehen?

Takashi Kudo, teamLab: Ich weiß es leider nicht! Wir sollten einfach versuchen, weiterhin künstlerisch etwas zu erschaffen. Außerdem sollten wir weiter Fragen stellen – denn dafür ist die Kunst da. 

Chen Qiufan: Ich denke, dass die Ungleichheit auf der Welt sicherlich zu einem noch extremeren Szenario werden wird, weil alle Länder und Gesellschaften unterschiedlich gut in der Lage sind, Technologien wie KI zu adaptieren. Meine Hoffnung ist, dass wir eine utopische Zukunft erschaffen, in der die Menschen verstehen, wie wichtig die Koexistenz mit anderen Arten und der Umwelt ist. Im Moment befinden wir uns bereits am Rande einer Klippe, wir stehen kurz vor dem Absturz: Unsere Zivilisation verursacht so viel Verschmutzung und Kohlenstoffemissionen in der Atmosphäre und auf dem Planeten. Selbst wenn wir in eine digitale Welt flüchten würden, bräuchten wir immer noch viel Strom, Dienstleistungen, Rechenleistung usw. All diese Faktoren sind bis zu einem gewissen Grad auch eine Ausbeutung der Natur.
 

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