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Porzellan in Europa und Ostasien
Globaler Handel der frühen Stunde

Eine Porzellanlanguste aus der Ming-Zeit, die 1590 an den Dresdner Hof gelangte.  Inv.-Nr. PO 3479, Porzellansammlung, SKD.
Eine Porzellanlanguste aus der Ming-Zeit, die 1590 an den Dresdner Hof gelangte. Inv.-Nr. PO 3479, Porzellansammlung, SKD. | Foto: Adrian Sauer

Dresden war im 17. und 18. Jahrhundert dank der Sammelleidenschaft von August des Starken ein Tor für ostasiatisches Porzellan nach Europa – und mit der Porzellanmanufaktur in Meißen die Wiege der europäischen Porzellanproduktion. Die Porzellansammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden beschäftigt sich daher noch heute intensiv mit der Geschichte des Porzellans in Ostasien und Europa. Cora Würmell, Kuratorin der chinesischen und japanischen Bestände der Porzellansammlung in Dresden im Gespräch.

Porzellan-Fenghuang aus der Ming-Zeit, der 1590 an den Dresdner Hof gelangte. Inv.- Nr. PO 3478, Porzellansammlung, SKD. Porzellan-Fenghuang aus der Ming-Zeit, der 1590 an den Dresdner Hof gelangte. Inv.- Nr. PO 3478, Porzellansammlung, SKD. | Foto: Adrian Sauer Frau Würmell: Die Porzellansammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden hat einen Schwerpunkt auf ostasiatischem Porzellan. Wie nahm das seinen Anfang?

Die ersten ostasiatischen Porzellane gelangten bereits im späten 16. Jahrhundert nach Dresden. Der Großherzog der Toskana Ferdinando de‘ Medici schenkte sie im Jahr 1590 dem Dresdner Hof unter Christian I. von Sachsen. Zwei Porzellane aus dieser exquisiten Gruppe, eine seltene Kanne in Form eines Phönix und ein kleines Gefäß in Gestalt einer Languste, sind bereits in den Medici-Inventaren aus dem Jahr 1579 nachweisbar. Sie stellen damit die früheste erhaltene Dokumentation chinesischer Porzellane der Ming-Zeit (1368-1622) in Europa dar.

Die einzigartigen und umfangreichen Bestände chinesischer und japanischer Porzellane aus dem 17. und frühen 18. Jahrhundert gehen jedoch auf die passionierte Sammlungstätigkeit Augusts des Starken zurück, der Kurfürst von Sachsen und König von Polen war (1670-1733). Er sammelte das Porzellan für sein Porzellanschloss, das japanische Palais. Im späten 18. Jahrhundert befanden sich mehr als 29.000 ostasiatische Porzellane in der königlichen Sammlung.
 
August der Starke soll schon früh versucht haben, das Porzellan aus Ostasien zu kopieren. Das Ergebnis war die Porzellanmanufaktur, für die Meißen heute berühmt ist.

Ja, diese bis heute außergewöhnliche Sammelleidenschaft steht in engem Zusammenhang mit der Erfindung des ersten europäischen Hartporzellans im Jahr 1708 durch Johann Friedrich Böttger und Ehrenfried Walther von Tschirnhaus. Mit der Gründung der Königlich-Polnischen und Kurfürstlich-Sächsischen Porzellanmanufaktur im Jahr 1710 in Dresden war es August dem Starken endlich möglich, seine eigenen, nach europäischen Anforderungen ausgerichteten Waren zu entwickeln und diese gewinnbringend in Europa zu verkaufen.
 
Wie ging es nach der Gründung der Porzellanmanufaktur mit dem Austausch zwischen Ostasien und Europa weiter?

Das Gros der Sammlungsbestände ostasiatischer Porzellane gelangte zwischen 1715 und 1733, also kurz nach der Gründung der Porzellanmanufaktur in Dresden in die Kollektion Augusts des Starken. In dieser Zeitphase entwickelte sich die noch junge sächsische Manufaktur rasant. Sie stand aber großen Herausforderungen in der Brenntechnik sowie der Herstellung von Formen und Dekoren gegenüber, um sich mit den Materialqualitäten der fernöstlichen Porzellane messen zu können. Denn die ausgesprochene Prämisse war, dass sich das erste europäische Hartporzellan nur in Konkurrenz zu den aus Ostasien importierten Waren etablieren würde, deren hoher Prestigewert in ganz Europa anerkannt war.

Ostasiengalerie der Porzellansammlung, Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Ostasiengalerie der Porzellansammlung, Staatlichen Kunstsammlungen Dresden | Porzellansammlung SKD, Foto: Jürgen Lösel Der Tod Augusts des Starken im Jahr 1733 markierte dann gleichzeitig auch das Ende der intensiven Sammeltätigkeit ostasiatischer Porzellane am Dresdner Hof. Denn bereits 20 Jahre nach ihrer Gründung schuf die königliche Porzellanmanufaktur einzigartige Werke der europäischen Porzellankunst, wie lebensgroßen Tierplastiken oder ein über 2.000 Teile umfassendes Schwanenservice eindrucksvoll bezeugen. Damit hatte sie sich von ihrem fernöstlichen Vorbild emanzipiert.

In der Porzellanproduktion soll es schon früh Fälle von Industriespionage und Fälschungen gegeben haben – zwischen China und Europa, aber auch innerhalb Europas. Stimmt das?

Das ist ein sehr spannendes Themengebiet! Trotz aller erdenklichen Schutzmaßnahmen auf der streng bewachten Albrechtsburg in Meißen war es auf Dauer natürlich unmöglich, das „Arkanum“, das Geheimnis der Porzellanherstellung, zu bewahren. Zu verführerisch waren die Angebote und Versprechen der potentiellen Konkurrenz an die Meißner Geheimnisträger, ihr Wissen gegen eine höhere Bezahlung preiszugeben. Die Gründung der zweitältesten europäischen Porzellanmanufaktur in Wien war letztlich nur durch Know-how aus Meißen möglich, denn ihr war es bereits ab 1717 erfolgreich gelungen, Meissner Fachpersonal abzuwerben.

Meissner Fälschung (rechts) und japanisches Kakiemon-Porzellan (links). Inv.-Nrn. PE 6733 a-b, PO 377/ PO 4764, Porzellansammlung, SKD Meissner Fälschung (rechts) und japanisches Kakiemon-Porzellan (links). Inv.-Nrn. PE 6733 a-b, PO 377/ PO 4764, Porzellansammlung, SKD | Foto: Herbert Jäger In einer atemberaubenden Entwicklung bestand außerdem bereits gegen Ende der 1720er Jahre die Möglichkeit, mit dem sächsischen Porzellan die kostspieligen und begehrten ostasiatischen Waren in all ihren Materialeigenschaften täuschend echt zu imitieren. So wurden erfolgreiche Meissner Fälschungen japanischen Kakiemon-Porzellans – einer der teuersten fernöstlichen Importe – mit großem Erfolg durch einen französischen Händler auf dem Pariser Kunstmarkt als Originale verkauft. Dieser Vorfall verhalf der noch jungen sächsischen Manufaktur zur Aufmerksamkeit und Etablierung ihrer Porzellane auf einem der führenden Luxuswarenmärkte Europas. Die Meißner Porzellane standen nun in der Materialqualität des Porzellanscherbens wie den Glasurfarben den ostasiatischen Importen um nichts nach und konnten den europäischen Markt erobern.
 
Die Porzellansammlung Dresden legt in der Forschung derzeit einen Schwerpunkt auf das ostasiatische Porzellan. Könnten Sie Ihre aktuellen Aktivitäten vorstellen?

Wir widmen uns seit 2014 intensiv in einem international angelegten Forschungsprojekt dem umfangreichen Bestand an ostasiatischem Porzellan aus der Sammlung Augusts des Starken. Auch wenn von den ursprünglich mehr als 29.000 fernöstlichen Porzellanen aufgrund von Dublettenverkäufen und Kriegsverlusten nur rund 8.000 Stücke in Dresden verblieben sind, ist die Porzellansammlung im Zwinger noch immer die weltweit größte und wichtigste Kollektion chinesischen und japanischen Exportporzellans des 17. und 18. Jahrhunderts. Ihre Bedeutung liegt auch in ihrer reichen und einzigartigen Dokumentation. Die erhaltenen historischen Inventare, Erwerbungslisten, Rechnungen und Korrespondenzen ermöglichen Erkenntnisse über den frühneuzeitlichen Handel mit ostasiatischem Porzellan und dessen Rezeption und Wertschätzung in Europa, die nur am Beispiel der Dresdner Sammlung gewonnen werden können.
 
Im Rahmen des Forschungsprojekts wird diese für die Fachwelt so zentrale Referenzsammlung und ihre Quellen in enger Vernetzung mit zahlreichen Spezialisten weltweit erstmals zur Gänze wissenschaftlich erschlossen und publiziert. Ziel ist eine digitale Publikation des gesamten historischen Bestands ostasiatischen Porzellans, begleitet von Studien zu verschiedenen Aspekten der Sammlungsgeschichte.

Zum Abschluss noch eine Frage: Haben Sie ein Lieblingsstück in der Sammlung?

Porzellanschale aus der Kangxi Periode, Porzellansammlung, SKD, Inv.-Nr. PO 3047 Porzellanschale aus der Kangxi Periode, Porzellansammlung, SKD, Inv.-Nr. PO 3047 | Foto: Adrian Sauer Das ist eine schwierige Frage, da es nicht einfach ist, sich unter den zahlreichen fantastischen japanischen und chinesischen Porzellanen aus der ehemaligen königlichen Sammlung Lieblingsstücke herauszugreifen. Besonders gefällt mir aber zum Beispiel eine wunderbare, in Aufglasurfarben und Golddekor bemalte Schale, die um etwa 1700 in Jingdezhen, der Porzellanmetropole Chinas im Süden des Landes, hergestellt worden ist. Ungeachtet ihres stolzen Alters haben die eingebrannten Farben nichts von Ihrer intensiven Leuchtkraft verloren, und die herausragende Qualität der minuziös ausgeführten Malerei lässt uns fast vergessen, dass es sich um ein dreidimensionales Objekt handelt, dessen Oberfläche den Rahmen für den fein ausgewogenen Dekor bildet. Die Faszination und Anziehung für dieses Meisterwerk vollzog sich bei mir in einem Augenblick, es war Liebe auf den ersten Blick.
 

Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsprojektes „Mikrostrukturen des Globalen Handels. Das ostasiatische Porzellan der Sammlung August des Starken im Kontext der Museumsinventare des 18. Jahrhunderts” veranstaltet die Porzellansammlung Dresden vom 13.-14. Juni 2018 eine internationale Konferenz mit dem Titel „Porcelain Circulating the Globe – International Trading Structures and the East Asia Collection of Augustus the Strong (1670–1733)”. Die Konferenz mit Vorträgen zahlreicher internationaler Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen steht allen Interessierten offen. Weitere Informationen: ruth.simonis@skd.museum

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