Max, 64, Kulturwissenschaftler und Medienanalyst
Max kritisiert in seinen dissidenten YouTube Videos „Shocking Cult“ die belarusische Kulturpolitik. Nach der Inhaftierung einiger seiner engen Freund*innen und Mitarbeiter*innen, wurde es zu gefährlich in dem autokratischen Staat zu leben, deshalb wählte er im August 2021 Vilnius als Zufluchtsort. In Litauen erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis bis Juni 2023 und sendet weiterhin „Shocking Cult“. Ob sein Aufenthaltsstatus verlängert wird, ist ungewiss.
© Christina Stohn
1/12
Michaś, 21, Medizinstudent
Nachdem Michaś Proteste an der BSMU (Belarussische Staatliche Medizinische Universität) in Minsk organisiert hatte, wurde er exmatrikuliert und verließ daraufhin Belarus. Nach seinem Ausschluss wurde ihm per SMS angeboten, an der Universität wieder aufgenommen zu werden – unter der Bedingung, dass er Demonstrationen auf dem Campus stoppt. Der Dekan forderte seine Eltern auf, ein Wiederaufnahmedokument zu unterzeichnen, sie weigerten sich jedoch. Michaś spricht etwas Deutsch, weil er nach seiner Auswanderung zwei Monate in Düsseldorf verbracht hat.
© Christina Stohn
2/12
Dasha, 39, IT-Spezialistin mit Hanna
Dasha reiste mit ihren beiden Kindern im Teenageralter und Hündin Hanna nach Vilnius aus. Da sie auf ihrer Flucht kaum persönliche Gegenstände mitbringen konnte, kaufte sie im litauischen Exil ein Gemälde des Künstlers Andrey Savitsky. Das Motiv zeigt einen Blick auf Kurapaty, ein Waldgebiet am Stadtrand von Minsk, wo zwischen 1937 und 1941 zehntausende von Menschen als Opfer politischer Repressionen durch die sowjetische Geheimpolizei NKWD hingerichtet wurden.
© Christina Stohn
3/12
Roberto, 56, Grafikdesigner
Der gebürtige Kubaner lebte 30 Jahre lang in Belarus. 2020 nahm er an den Protestmärschen teil und wurde daraufhin festgenommen. Über ein Jahr war er im Minsker Okrestina-Gefängnis inhaftiert, wo er physischen und psychischen Misshandlungen ausgesetzt war. Obwohl seine Frau und drei Kinder in Belarus leben, wurde er angeblich auf eigenen Wunsch als Tourist nach Russland geschickt. Mithilfe der Initiative Bysol hat er ein humanitäres Visum von Litauen erhalten.
© Christina Stohn
4/12
Sviatlana, 39, Politikerin
Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin flüchtete nach den international als manipuliert eingestuften Wahlen im August 2020 zu ihren Kindern nach Vilnius. Vom Exil aus ist sie zur wichtigsten Leitfigur der Opposition geworden. Sie arbeitet an nationalen und internationalen Angelegenheiten mit einem Team, das als Repräsentativorgan der belarussischen Gesellschaft gilt und sich für ein demokratisches Belarus einsetzt. Aus Sicherheitsgründen konnte Sviatlana nicht zu Hause, sondern durfte nur in ihrem Büro fotografiert werden.
© Christina Stohn
5/12
Anna, 39, Journalistin mit Oxy
Im November 2020 flüchtete Anna vor drohender Strafverfolgung wegen der Teilnahme an Protesten mit ihrem Sohn nach Vilnius. Als sich die Situation in Belarus weiter verschlimmerte, folgte im März 2021 ihr Mann mit den zwei Katzen Oxy und Sarah. Die Familie hofft seitdem, bald wieder nach Hause zurückzukehren. Anna hat bereits zwei Bücher veröffentlicht: „Die Schmetterlingsjagd“ und „Ich habe Angst zu leben, Mama“. Im Oktober 2022 inszenierten Schauspieler*innen des Kupala Theaters in Stuttgart ein Bühnenstück auf der Grundlage ihres Tagebuchs, in dem sie Ereignisse, Gedanken und Gefühle nach ihrer Zwangsumsiedlung beschreibt.
© Christina Stohn
6/12
Lesley Knife, 46, Musiker und Communitymanager
Lesley, Sänger der Folkmetalband Gods Tower, benutzt seinen Bühnennamen als Pseudonym. Als er ein Hinterhofkonzert für den belarusischen Rocksänger Aleksandr Pamidorau organisierte, wurde Lesley im September 2020 für acht Tage inhaftiert. Sein Kommentar über einen Politiker aus dem August 2020 auf YouTube wurde als „Beleidigung eines Behördenvertreters“ gewertet und Lesley zu der Höchststrafe von drei Jahren Haft verurteilt. Obwohl er Hauptverdiener im Haushalt war, ließ er sich schweren Herzens ohne seine Familie von der Organisation Bysol nach Vilnius evakuieren.
© Christina Stohn
7/12
Vera, 43, Kulturmanagerin und Übersetzerin
Einen einzigen Koffer nur konnte Veras dreizehnjährige Tochter bei ihrer Ausreise nach Litauen im September 2021 mitnehmen. Einer der wenigen Gegenstände war zum Erstaunen ihrer Eltern der Stoffhase Sajka, ein selbstgebasteltes Geschenk einer Deutschlehrerin und Bibliothekarin, die mit ihrer Mutter beim Goethe-Institut in Minsk zusammengearbeitet hatte.
© Christina Stohn
8/12
Adam, 9, Schüler mit Kosha
Adam war mit seiner Familie bei seinem Vater in Litauen zu Besuch als seine Eltern beschlossen nicht nach Belarus zurückzukehren – aufgrund der anhaltenden Menschenrechts- und politischen Krise sowie eines Ausreiseverbots für belarussische Staatsbürger*innen ab dem 20.12.2020. Sein Vater hatte Belarus schon vorher wegen politischer Repressionen verlassen müssen. Also blieben sie mit dem nur für eine Kurzreise ausgelegten Gepäck in Vilnius. Zu seinem Geburtstag war Adams einziger Wunsch, seine Katze Kosha, die er in Minsk zurückgelassen hatte, wieder bei sich zu haben. Mit der Hilfe der Diaspora gelang es seiner Mutter vier Monate später, Kosha nach Vilnius zu holen.
© Christina Stohn
9/12
Nikolai, 41, Dokumentarfilmer und Journalist
Wegen der Veröffentlichung seiner Fotos und Videos der Massenproteste im August 2020 auf sozialen Netzwerken wurde Nikolai im September desselben Jahres in seiner Wohnung festgenommen und verbrachte 35 Tage in mehreren Gefängnissen, wo er die harten Haftbedingen in einem Tagebuch festhielt. Nachdem auch seine Frau verhaftet wurde und eine Nacht in Polizeigewahrsam verbracht hatte, floh die Familie mithilfe von humanitären Organisationen aus Belarus in die Ukraine und von dort aus nach Litauen. Zu den Ereignissen in Belarus hat er zwei Dokumentarfilme produziert.
© Christina Stohn
10/12
Hanna, 28, Journalistin und Künstlerin
Hanna zog mit 17 von Belarus nach Litauen, um in einem freien Land Grafikdesign zu studieren. Sie arbeitet mittlerweile als Korrespondentin für Belsat TV, einen unabhängigen Fernsehsender, der Nachrichten auf Belarusisch ausstrahlt. In ihrer Freizeit verarbeitet sie die sozialen Missstände in Belarus, indem sie malt: Mit Acrylfarben auf Leinwänden in ihrer Serie „Weiß – Rot – Weiß“.
© Christina Stohn
11/12
Viktoryia, 26, Menschenrechtsaktivistin und Programmreferentin
In Belarus war Viktoryia als Koordinatorin des Komitees zur Untersuchung von Folter in der Region Hrodna für Menschenrechtsfragen zuständig. Sie arbeitete nach den Ereignissen vom August 2020 mit den Opfern von Gewalt der Bereitschaftspolizei sowie mit politischen Gefangenen, Flüchtlingen und anderen diskriminierten Gruppen. Derzeit unterstützt sie die belarusische Zivilgesellschaft aus dem Exil durch ihre Arbeit als Programmreferentin in einer internationalen Organisation. Als gelernte Grafikdesignerin hat sie den Aufdruck „Pahonia“ (ein historisches belarusisches Staatswappen und Symbol der Protestbewegung) auf ihrem T-Shirt selbst gestaltet. Viktoryia hat im September 2022 das Buch „Aufgewachsen in der letzten Diktatur Europas“ veröffentlicht.
© Christina Stohn
12/12