„hamlet ist tot. keine schwerkraft“ von Ewald Palmetshofer

hamlet ist tot. keine schwerkraft
© Foto: Dmitrijus Matvejevas

Die Dani und der Mani kommen nach Hause. Die Oma hat Geburtstag und außerdem ist grad der Hannes gestorben, ein Freund von früher. Und so feiert man Geburtstag und geht dann noch auf ein Begräbnis. Und auf dem Friedhof treffen Dani und Mani zufällig die Bine und den Oli. Lange nicht mehr gesehen, seit damals, als der Oli mal sehr eng mit dem Mani und die Dani sehr eng mit der Bine und alle sehr eng miteinander.

Und der Oli irgendwie auch interessiert an der Dani, aber die war halt die Schwester vom Mani und da wollte er sich nicht die Finger verbrennen. Bei der Bine war das ungleich leichter. Deshalb sind die jetzt auch verheiratet. Und irgendwie ist da für Dani und Mani nichts übrig geblieben. Und auch sonst nirgendwo. Fast so tot wie der Hannes sind sie, weil keiner mehr mit ihnen rechnet. Die Mutter träumt vom Muttermord. Der Vater vom totalen Anfang. Da muss doch endlich einmal was passieren. Und auf Hilfe von oben kann man nicht warten, weil der Himmel leider leer ist. Und drum muss vielleicht nur eine Schnur gespannt werden, um endlich einmal alles in Bewegung zu bekommen. Und es sterben ja dauernd Leute. Zigtausende. In Afrika zum Beispiel.

hamlet ist tot. keine schwerkraft befasst sich mit dem menschlichen Verkrampfen im Ungewollten, mit dem Stillstand in der Perspektivlosigkeit. Der Himmel ist leer. Das Naturgesetz höchstens ein lyrischer Witz. Und keine Politik jenseits der eigenen Befindlichkeit. In der totalen Ökonomisierung angelangt drehen sich die Achsen schnell, die Welt ist eine Zentrifuge und Sein oder Nichtsein verliert an Bedeutung, wenn das Nichtsein schon entschieden ist. Mit eindringlicher Komik verflicht Ewald Palmetshofer Sprache und Rhythmus zu einer Bedrohlichkeit, die letztendlich nur eine Frage offen lässt: resignieren oder agieren?
(Fischer, Theater und Medien)

Stimmen zur Inszenierung in Litauen

Das im Rahmen eines interkulturellen Autorenprojekts im Dezember 2012 unter der Regie von Paulius Ignatavičius aufgeführte Stück von Ewald Palmetshofer „hamlet ist tot. keine schwerkraft“ war bereits Anfang April eine ganz eigene Inszenierung des Litauischen Nationaltheaters. Wenn ich auch bei keiner der Lesungen des Stückes dabei war, scheint die Inszenierung nicht erheblich gewachsen zu sein: Einer sparsamen, minimalistischen Regie ist es zu verdanken, dass die ganze Ausdruckskraft den Schauspielern überlassen bleibt. Es sind ihrer sechs auf der Bühne, und jeder von ihnen ist bereit zu einem offenen und kontinuierlichen Diskurs mit dem Publikum, mit dem unstimmigen Selbst und mit unseren fernen Nächsten.
(Dovilė Statkevičienė, „Was bleibt einer trockenen Pfütze?“, Menų faktūra, 15. 04. 2013)

Bei der Inszenierung von Palmetshofers Stück sieht sich Ignatavičius einem Problem gegenüber, das sich aus dem Drama selbst ergibt: aus Form und Inhalt, die beide voller Brüche und beunruhigendem Potenzial stecken und weit entfernt vom klassischen Kanon sind, aus der Codierung der Monologe und Dialoge der Handelnden sowie aus der Instabilität und Inkonsequenz von Raum und Zeit. Der bruchstückhafte Text, der auf Dekonstruktion und Zerstörung der üblichen Regeln der Sprache basiert, verlangt vom Zuschauer, während der gesamten Inszenierung am Verständnis des literarischen Stoffes zu arbeiten.
(Austėja Adomavičiūtė „Hamlets Tod und die Wiedererweckung Dostojewskis“, Menų faktūra, 11.04.2013)

Inszenierung in Litauen

Premiere 04.04.2013
Regie Paulius Ignatavičius
Bühne Neli Ivančik
Mit Algirdas Dainavičius, Tadas Gryn, Elzė Gudavičiūtė, Virginija Kuklytė, Tomas Stirna, Rimantė Valiukaitė
Übersetzung Jūratė Pieslytė