Stadtentwicklungsplan für Riga
Möglichkeiten, Probleme und Lösungen

Luftaufnahme der Stadt Riga von der Ostsee (Rigaer Bucht) bis zum historischen Stadtzentrum;
Luftaufnahme der Stadt Riga von der Ostsee (Rigaer Bucht) bis zum historischen Stadtzentrum; | © Abteilung für Stadtentwicklung des Rigaer Stadtrats, Büro des Stadtarchitekten Riga

Nicht selten sind die Reaktionen von Gesellschaft, Amtsträgern und Politikern auf viele Neubauten und Projekte in Riga kritisch. Hierbei handelt es sich zu einem gewissen Teil um rationale Kritik und zu einem großen Teil um von der politischen Konjunktur geschaffene Rhetorik.

Einige Neubauten passen wirklich nicht ins Stadtbild, sowohl aufgrund des Bebauungsmaßstabes, als auch wegen ihrer stadtplanerischen Platzierung. Die Ursachen für diese Erscheinungen betrachten wir später noch genauer.

Alle Rigenser und Gäste der Stadt bemerken die wachsenden Verkehrsprobleme, denn der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur kann chronisch nicht mit den Bauprozessen mithalten. Manchmal scheint es, als ob die Entwicklung Rigas von irgendwelchen unkontrollierbaren Prozessen diktiert wird. Doch Riga hat einen offiziellen Stadtentwicklungsplan bzw. eine Bauleitplanung. Deshalb bleibt die unausweichliche Frage, ob dieser Plan die Stadtentwicklung wirklich positiv beeinflusst und wie dieser Plan den Interessen und Bedürfnissen der Rigenser entspricht.

Erster Stadtentwicklungsplan 1995

Nach der wiedererlangten Unabhängigkeit Lettlands bekam Riga im Jahr 1995 seinen ersten Stadtentwicklungsplan. Er wurde unter der Leitung des kanadisch-lettischen Städtebauspezialisten Andris Roze von einer kompetenten Gruppe aus lettischen Architekten und Planern ausgearbeitet. Dieser Plan war ein klar strukturiertes Stadtentwicklungsprogramm für Riga mit einer genau festgelegten Stadtbaustrategie für den Zeitraum bis 2005. Doch auch während dieser Plan gültig war, wurden in der Stadtbebauung Fehler gemacht, z.B. wurden das „Stockmann“ Zentrum, die Triangula Bastion und das Verwaltungsgebäude des Freihafens im Kronvaldpark erbaut, ohne auf die Vorgaben des Stadtentwicklungsplans zu achten.

Den derzeitigen Stadtentwicklungsplan, der 2006 in Kraft getreten ist, hat eine leicht veränderte Gruppe von Autoren verfasst und das Prinzip der Kontinuität ist nicht das Leitmotiv dieses Plans. Dieser Plan ist ausgesprochen liberal gegenüber der Entwicklung Rigas und den Investoren.

Planung als Zusicherung der Rechte

In der zivilisierten Welt ist es das Ziel der Planung die Form und Infrastruktur einer Stadt (oder einer Gemeinde, eines Kreises, eines Bezirks usw.) so zu gestalten, dass sie allen Bewohnern ihre Rechte zusichert: ein angemessenes und gemütliches Heim, Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten, Dienstleistungen und Sozialeinrichtungen, die Möglichkeit sich ohne Schwierigkeiten fortzubewegen und ein breitgefächertes Freizeitangebot. Eine intelligente, fantasievolle, zielgerichtete und nützliche Stadtplanung ist nicht nur eine Möglichkeit für jede Stadtverwaltung, sondern eine Verpflichtung. Die Grundlagen für allgemeine Entwicklung und das alltägliche Wohlergehen sind ein künstlerisch und funktionell qualitatives Umfeld, eine gut durchdachte und in Stand gehaltene Infrastruktur und ein gutes Servicesystem.Viele Elemente, die das Stadtbild bestimmen, dienen viele hundert Jahre lang, doch andere muss man alle paar Jahre verändern. Eine stabile und langanhaltende Entwicklung können nur vertrauenerweckende Pläne und Programme sichern, in denen auch gezeigt wird, wie man alltägliche Probleme bewältigen und bestehenden Ansprüchen gerecht werden kann. Der Planungsprozess muss deshalb vielschichtig, kontinuierlich, transparent und realistisch sein und sowohl die Bedürfnisse verstehen, als auch die Möglichkeiten erkennen.

Die Entwicklung einer jeden Stadt wird von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Faktoren beeinflusst, sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene. Stadtverwaltungen müssen die allgemeinen Tendenzen verstehen und ein positives Umfeld schaffen, in denen man sie nutzen kann.

In demokratischen Staaten der freien Marktwirtschaft werden Städte und Gebäude hauptsächlich vom privaten Sektor gestaltet und gebaut. Den großen und kleinen Investoren ist es wichtig, dass sie der Stadtverwaltung vertrauen können. Es muss sich um einen ehrlichen Prozess mit dem Ziel handeln, ein stabiles Umfeld mit einer vorhersehbaren und sicheren Zukunft zu erschaffen. Man muss den Besitzern und Bauherren weitreichende Möglichkeiten zur Realisierung ihrer Pläne gewähren, wenn sie insgesamt sinnvoll für die Gesellschaft und die Volkswirtschaft sind. Das Handeln eines einzelnen Individuums darf seine Mitmenschen nicht stören und den Bereich der öffentlichen Dienstleistungen nicht überfordern.

Unvollkommenheiten der Rigaer Bauleitplanung

Aus oben Genanntem geht hervor, dass die hauptsächlichen Unvollkommenheiten der Rigaer Bauleitplanung 2006 – 2018 folgend sind:Die Planung ist von den räumlichen und funktionellen Leitlinien, die im vorigen Stadtentwicklungsplan Rigas skizziert waren, hin zur grafischen Darstellung der spezifischen Regelungen für die einzelnen Zonen verändert worden. Jede einzelne Immobilie kann identifiziert werden und ist mit bestimmten Anforderungen oder Genehmigungen verbunden. Somit wird der konzeptuelle Teil des Plans geschwächt.

Die Grundabsichten der Planung im Kapitel „Plan für die Anzahl der Stockwerke der Bebauung” sind nicht klar. Bei gründlicher Betrachtung stellt sich folgende Frage: Wenn auf mehreren einzelnen Grundstücken Hochhäuser erlaubt sind, warum dann nicht auch auf allen anderen Grundstücken, die sich in dem gleichen Viertel oder an der gleichen Kreuzung zweier Hauptverkehrsadern befinden, d.h. in einer identischen Situation in Bezug auf die Planungslogik? Vielerorts unterscheiden sich die Intensität der Bebauung und die Höhe der Gebäude deutlich vom Charakter der derzeitigen Umgebung.

In der Planung fehlt ein Programm für die Entwicklung einer wohldurchdachten Infrastruktur der Stadt. Es gibt keine kontinuierliche Idee für ein „blaues Riga“, das heißt für die Entwicklung aller stillen und fließenden Gewässer in einem einheitlichen System.

Die Umgestaltung der Wohngegenden aus Sowjetzeiten dahingehend, dass diese Gebiete den heutigen Anforderungen und Eigentumsstrukturen entsprechen, wird nicht gelöst. Der Grund dafür war das Moratorium für die Bebauung der inneren Viertel.

Die Gewichtung des Stadtzentrums ist nicht adäquat im Hinblick auf die reale Entwicklung der Stadt. Die Entwicklung findet nicht an den geplanten Stellen statt, sondern entlang der Hauptverkehrsstraßen, wo große und gut genutzte Geschäftsgebäude entstehen. Besonders anschaulich sind hierfür die Krasta iela und die Lielirbes iela sowie die Ulmaņa gatve.

Ernsthafte Korrekturen sind notwendig

All das oben genannte sowie die Tendenzen der letzten Jahre in den Bereichen des Umweltschutzes, der Energieversorgung, der Automobilisierung und des nachhaltigen Bauens sind gute Grundlagen für ernsthafte Korrekturen des Stadtentwicklungsplans. Es gibt Grund zur Annahme, dass die Verantwortlichen in Riga die Notwendigkeit solcher Verbesserungen erkannt haben.Gleichzeitig mit den Verbesserungen am derzeitigen Stadtentwicklungsplan müsste man in Lettland, um guten Beispielen in der Planungspraxis zu folgen, eine konsequente, vielschichtige und komplexe Planung in Angriff nehmen. Im Falle Rigas könnte sie im Bezug auf die verschiedenen Ebenen und Arbeitsschritte folgendermaßen aussehen:

Langfristige Vision für die Stadtentwicklung Rigas.
An der Festlegung der Ziele müssen sich alle gesellschaftlichen Gruppen beteiligen und der ganze Prozess muss politisch unterstützt werden (eine gute Basis für ein solches Dokument ist die Stadtentwicklungsstrategie für Riga bis 2005, die im Rahmen des Stadtentwicklungsplans erstellt wurde).

Strategie für das Ballungsgebiet Riga.
Ein Dokument, das die Wechselbeziehungen zwischen den Leitlinien der Entwicklung in der Stadt und im Umland festlegt. Der Einflussbereich Rigas ist weitreichend. Die Kommunalverwaltungen haben das autonome Recht ihre räumliche Entwicklung zu kontrollieren, auch wenn die Projekte der Stadt die administrativen Grenzen überschreiten.

Stadtentwicklungsplan für Riga.
Hierbei handelt es sich um das zentrale Hauptplanungsdokument, ausgerichtet auf die nächsten zwanzig oder dreißig Jahre. Dieser Zeitraum lässt sich realistisch genug vorhersagen. Der Plan legt die Struktur der Stadt mit verschiedenen Entwicklungsarten für bestimmte Gebiete fest (Wohngebiete mit verschiedener Dichte und unterschiedlichem Charakter, Gemeinbedarfs- und Wirtschaftsflächen, Platzierung von Arbeitsplätzen und Industriegebieten, Flächen für Grün- und Sportanlagen, usw.) und verbindet und begründet deren Platzierung dabei eng mit dem Verkehrsnetz und einer integrierten, differenzierten, effektiven und leistungsfähigen Infrastruktur für die öffentlichen Verkehrsmittel. Die Grenzen der einzelnen Zonen müssen flexibel sein. Die Grenze einzelner Immobilien sollte nicht das Kriterium sein.

Bauvorschriften und Zonenplan /lokale Planung/.
Diese Normenindexe reglementieren die Bebauung im jeweiligen Gebiet. Die Basis ist der Stadtentwicklungsplan, aber diese Vorschriften beziehen sich auf das Heute und die nahe Zukunft. Die einzelnen Punkte der Vorschriften dürfen nicht exzentrisch oder individuell diskriminierend sein. Sie werden präzisiert, indem man Vorschläge für die Entwicklung eines bestimmten Gebiets und Detailpläne dafür entwickelt.

Detailpläne.
Diese Dokumente legen den Leitlinien des Entwicklungsplans folgend spezifische Bebauungsvorschriften für einzelne Stadtgebiete oder mehrere Stadtviertel fest. Sie werden auf der Grundlage der Entwicklungsvorschläge für dieses Gebiet erarbeitet und sind im Wesentlichen das grundlegende Dokument, das die genauen Vorschriften für die Bebauung des entsprechenden Gebiets fixiert. In ihnen wird angezeigt, was passieren soll und was in einer bestimmten Nachbarschaft in der nächsten Zeit wünschenswert ist. Theoretisch müsste das gesamte Stadtgebiet Rigas mit einzelnen Detailplänen abgedeckt sein.

Einflussanalyse der Projekte.
Sie schützt die Gesellschaft vor störenden Resultaten. Die Erfahrung anderer Städte auf der ganzen Welt zeigt, dass selbst bei der Einhaltung der allergründlichsten Planung größere, insgesamt wünschenswerte Projekte unvertretbare Belastungen und Schwierigkeiten verursachen können. Bevor eine Bauerlaubnis erteilt wird, muss eine vollständige Einflussanalyse angefordert werden (von der Verkehrsbelastung bis zur Spielplatzverfügbarkeit). Wenn unabwendbare negative Einflüsse vorhersehbar sind, muss das Projekt abgelehnt oder entsprechend verändert werden.

Einzelne Stufen solcher Planungen sind auch in Lettland in Kraft. Dennoch müssen sie vervollständigt werden, indem man die Ziele jedes einzelnen Abschnitts und den Inhalt der Aufgaben genau definiert. Eine solche Herangehensweise würde von guten Verwaltungsprinzipien in Riga und einer auf langfristige Entwicklung orientierten, professionellen Planung zeugen.
 

Im Text wurden die von der Arbeitsgruppe (Dripe, Grava, Dambis, Krastiņš) ausgearbeiteten Materialien zur Verbesserung des Stadtentwicklungsplans für Riga verwendet.