Judit Lőrincze empfiehlt
Kintsugi

Miku Sophie Kühmel, Kintsugi © 2019 S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main Miku Sophie Kühmels Roman Kintsugi ist ein klassisches Kammerspiel: vier Personen, ein Haus am See, ein unter der scheinbar harmonischen Oberfläche spannungsgeladenes Beziehungsgeflecht, und am Ende ist nichts mehr so, wie es am Anfang war. Max und Reik, ein schwules Paar, verbringen das Wochenende in ihrem Haus in der Uckermark, um ihr 20. Jubiläum mit Tonio, Reiks Jugendliebe, und dessen Tochter Pega zu feiern. In vier Ich-Erzählungen wird ihre Geschichte, die Geschichte einer alternativen Familie, erzählt. Wie der Künstler Reik den pedantischen und intelligenten Archäologen Max kennenlernt und wie er Tonio verlässt, wie Tonio zum alleinerziehenden Vater wird und auf eine Karriere als Musiker verzichtet, und wie Reik und Max für Pega zu Onkeln werden. An einem Wochenende am See werden die Bruchlinien ihrer Beziehungen wie Risse in einer Teeschale sichtbar.

Kintsugi ist das japanische Kunsthandwerk, zerbrochene Keramik unter Zuhilfenahme von Gold zu reparieren. Eine Kunst, die Schönheit neu erschafft und dabei die Ästhetik des Makels sichtbar werden lässt. Kintsugi, als Titel des Romans, ist zugleich das Symbol für diese alternative Familie, die vor dem Hintergrund des Zerfalls der traditionellen Familie an deren Stelle tritt und ihre Funktion übernimmt. Die Herkunftsfamilien von Tonio, Max und Reik sind ausnahmslos fragmentarisch und dysfunktional. Kintsugi steht aber auch für die Ereignisse an diesem Wochenende im Haus am See, dafür, dass aus dem Zerbrechen von Beziehungen möglicherweise etwas nicht weniger Wertvolles entsteht. „Und an den Stellen, wo die Risse waren, die Splitter, die Brüche, glänzt in verästelten Linien das Gold wie Adern aus Licht.“


S. Fischer Verlag

Miku Sophie Kühmel
Kintsugi
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2019
ISBN 978-3-10-397459-1
304 Seiten

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Rezensionen in den deutschen Medien:
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Süddeutsche Zeitung
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