Ausstellung MYCELIA

"Under the Surface" © Patricia Lincke, Foto: Henning Rädlein

Fr, 28.01.2022 –
So, 10.04.2022

Mark Rothko Kunstzentrum

Deutsch-lettisches Künstlerinnenprojekt

Enzyklopädische Definitionen legen nahe, dass ein Myzelium (aus dem Altgriechischen – „Pilz“) der versteckte vegetative Teil eines Pilzes ist, den man für gewöhnlich unter Moosbewuchs oder einer Baumrinde oder direkt in der Erde vorfindet. Es besteht aus einem verästelten Netzwerk aus dünnen, fadenartigen Hyphen – Schnüre aus Zellen, die weit über den Pilzkörper hinausgehen und dabei helfen, Nährstoffe aus der Umgebung zu ziehen und sich fortzupflanzen. Myzelien durchdringen die Erdkruste bis zu hunderte Meter tief. Im weiteren Sinne können diese enormen Untergrundnetzwerke, auf den ersten Blick unsichtbar, als eine Metapher genutzt werden, um über die sozialen Strukturen und Systeme zu sprechen und die Beziehungen und Verbindungen zwischen Menschen zu benennen.
Gleichzeitig sind sie ein passendes Sprachbild für die aktuelle Ausstellung, da die gezeigten Werke in einer engen Kooperation zwischen zwei Kunstschaffenden aus zwei Ländern kreiert wurden – Künstlerinnen mit unterschiedlichen Hintergründen, kreativen Herangehensweisen und Perspektiven auf aktuelle Geschehnisse, die gemeinsam auf neue kreative Konzepte und Kunstwerke hinarbeiten.

Der Titel nimmt offensichtlich Bezug auf die natürlich vorkommenden Myzelien und ist außerdem eine Anspielung auf das vorangegangene internationale Projekt der Künstler*innen, ebenfalls unter dem Namen MYCELIA In der lettischen Version, „Micēlija”, wird der Begriff in einer abgewandelten, weiblichen Form verwendet; „-a“ ist eine typische Endung für lettische Nomen mit dem grammatikalisch weiblichen Geschlecht. Das war eine bewusste Entscheidung, um den weiblichen Einfluss auf das Projekt hervorzuheben. Sie interpretieren das biologische Konzept des Myzeliums durch das Prisma ihrer interpersonellen Wechselwirkungen, Kommunikation und Beziehungen auf einer umfassenden sozialen Ebene. Ein weiteres Ziel war es, Bezug auf ihre eigene Kooperation im Zuge des Projekts zu nehmen – die Suche nach Gemeinsamkeiten und Überschneidungsflächen, das Zusammenbringen unterschiedlicher Betrachtungsweisen, Ideen, geografischer Herkunft und Sorgen – und auf Grundlage dessen Kunstwerke zu schaffen, die speziell für diesen Ausstellungsraum kreiert wurden.

Also haben sich fünf deutsche Künstler*innen mit weiteren fünf aus Lettland zusammengeschlossen, um in Tandems zu arbeiten und ihre eigenen kleinen kreativen Ökosystem zu erschaffen. Das Projekt brachte folgende Künstlerinnen zusammen:
Karin Fröhlich (Deutschland) – Gundega Evelone (Lettland)
Silke Bachmann (Deutschland) – Ingrīda Pičukāne (Lettland)
Patricia Lincke (Deutschland) – Laura Feldberga (Lettland)
Penelope Richardson (Deutschland) – Sandra Strēle (Lettland)
Sabine Schlunk (Deutschland) – Guna Millersone (Lettland)

Das Projekt bestand aus der Zusammenarbeit innerhalb der Künstlerinnenpaare und auch untereinander, durch das Teilen von Ideen, Austauschen von Energien und durch die Kombination verschiedener Medien. Die Kunstwerke und Installationen die bei der Ausstellung präsentiert werden verbleiben im konstanten Dialog, sie reflektieren die Themengebiete, welche die Künstlerinnen ansprechen wollten, indem sie frische und unterschiedliche Arten des Ausdrucks nutzten. Sie stehen im Bezug zu der Suche nach Selbstverwirklichung und reflektieren sowohl emotionale Erfahrungen und individuelle Erinnerungen einer jeden Kunstschaffenden, als auch den sozio-historischen Kontext und ihr Erbe. Dabei wird die Präsenz und Wichtigkeit der Natur für ihr Leben betont und die subjektive Perspektive der Künstlerinnen auf aktuelle Prozesse dargestellt.

Durch diese emotional geladenen Arbeiten versuchen die Künstlerinnen eine gleichsam emotionale Reaktion in den Betrachtenden auszulösen und wichtige Erinnerungen anzusprechen.
So sagten die Künstlerinnen: „Ideen wachsen auf Distanz, Skizzen und Gedanken werden über digitale Medien ausgetauscht. In Zeiten, in denen COVID-19 das öffentliche Leben verändert, nimmt ‚weibliche Vernetzung‘ eine neue Notwendigkeit für kunstschaffende Frauen an, da die ökonomischen Konsequenzen für Kunst und Kultur massiv und weibliche Künstlerinnen noch viel mehr betroffen sind.“

Dies ist die zweite Ausstellung des MYCELIA Projekts, dessen Wurzeln bis 2019 zurückreichen, als eine Kooperationsplattform für deutsche und lettische Künstlerinnen etabliert wurde. Ziel war es, dass sie gemeinsam an neuen, zeitgenössischen Kunstwerken arbeiten und die Rolle weiblicher Künstlerinnen heute reflektieren, in Verbindung zu anderen umstrittenen Themen, und gleichzeitig ein Netzwerk der gegenseitigen Unterstützung aufrechtzuerhalten, das es ihnen erlaubt, Gruppenausstellungen und andere Veranstaltungen zu organisieren.

Die erste Ausstellung des Projekts fand 2020 in München statt. Dafür mussten die Künstlerinnen zunächst nur mit indirekter Kommunikation über elektronische Geräte klarkommen, ehe sie sich im Sommer 2021 endlich in Daugavpils trafen, um die Fortschritte des Projekts zu diskutieren, gemeinsam im Studio des Rothko-Zentrums zu arbeiten und das Konzept für ihre kommende Ausstellung zu erarbeiten.
Daher ist MYCELIA im Daugavpils Mark Rothko Kunstzentrum der jüngste Stand in einer weiterlaufenden Kooperation der ausgestellten Künstlerinnen und ein weiteres konkretes Ergebnis des kreativen Netzwerkens.

Die Ausstellung MYCELIA im Daugavpils Mark Rothko Kunstzentrum wurde in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Riga organisiert. Die Ausstellung wird vom Staatlichen Kultur-Kapital-Fond (VKKF), dem Stadtrat von Daugavpils, IFA (Institut für Auslandsbeziehungen) und Caparol unterstützt.

Tatjana Černova, Kuratorin



Ausstellungseröffnung: 28.01.2022 um 16.00 Uhr (nur mit Einladung)
Besichtigung aller Ausstellungen der neuen Saison: 28.01.2022/16.00 - 19.00 Uhr (kostenlos)
Öffentliche Gespräche mit den Künstlerinnen von MYCELIA: 29.01.2022 um 12.00 Uhr. Der Zeitpunkt und das Format der Veranstaltung können sich je nach der epidemiologischen Situation im Lande ändern.
Informationen zu Öffnungszeiten und Eintrittspreisen für die Ausstellung vom 30.01. bis 10.04.2022: http://www.rotkocentrs.lv​


Performance-Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung "Mycelia”

25.03.2022 / 16:00 Uhr

Die Werke des Ausstellungsprojekts "Mycelia" werden durch drei ganz unterschiedliche Performances ergänzt. Drei Künstlerinnen setzen sich jede auf ihre Weise mit den Werken der Ausstellung zum Thema “Myzelium” auseinander. “Unmögliche visuelle Rezension” von Gundega Evelone, musikalische Performance von Dārta Stašāne (Flöte) in der Installation "Wishing on the wind" von Penelope Richardson und Performance von Laura Feldberga “Fortpflanzung” werden sich in einem gemeinsamen Projekt verschlingen, dessen Wurzeln weit über Lettland hinausreichen.
 

Zurück